Kapitän in zwei Welten. Hans-Hermann Diestel
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Bligh war aber kein Cook. Sein Hauptproblem war seine Sprache, nicht, wie vordergründig und völlig unberechtigt immer wieder behauptet wird, die von ihm ausgeübte körperliche Gewalt. Greg Dening kam in seinem Buch Mr BLIGH’S Bad Language zu dem Ergebnis, dass auf den britischen Schiffen im zentralen Teil des Pazifiks zwischen 1767 und 1795 21,4 Prozent der Seeleute ausgepeitscht wurden.
Replik des von William Bligh geführten Langbootes der BOUNTY
Und das ungeachtet der Tatsache, dass bis auf die PANDORA die Schiffe mit Freiwilligen bemannt waren. Bei der Anwendung dieser Züchtigung waren die Unterschiede sehr groß. Auf Blighs PROVI-DENCE wurden nur 8,33 Prozent, hingegen auf Vancouvers DIS-COVERY 45,15 Prozent der Seeleute ausgepeitscht. Dabei waren diese brutalen Züchtigungen in aller Regel für die Aufrechterhaltung der Disziplin nicht nötig. Sie dienten fast immer der Stärkung der Autorität und des Status des Verantwortlichen. Für Bligh waren Züchtigungen und Skorbut völlig zu Recht Zeichen eines schlecht geführten Schiffes, deshalb war er auch kein brutaler Schiffsführer. Ich kenne andererseits keinen Schiffsführer, der die folgende Worte von Victor Klemperer aus dessen Buch LTI so außerordentlich eindrucksvoll bestätigt hat:
Aber Sprache dichtet und denkt nicht nur für mich, sie lenkt auch mein Gefühl, sie steuert mein ganzes seelisches Wesen, je selbstverständlicher, je unbewußter ich mich ihr überlasse. Und wenn nun die gebildete Sprache aus giftigen Elementen gebildet oder zur Trägerin von Giftstoffen gemacht worden ist? Worte können sein wie winzige Arsendosen: Sie werden unbemerkt verschluckt, sie scheinen keine Wirkung zu tun, und nach einiger Zeit ist die Giftwirkung doch da.
Das Königliche Hospital für Seeleute (heute: Old Royal Naval College) in Greenwich
Die Sprache der Seeleute war in ihrer Knapp- und Klarheit ein hervorragendes Werkzeug, um in den schwierigsten Situationen die Besatzung als einen einheitlichen Körper mit größter Effektivität zu führen. Wenn es um Blighs Sprache geht, dann muss man sie im Rahmen des damals Üblichen sehen, und dieser war alles andere als höflich, zurückhaltend oder das Besatzungsmitglied, einschließlich des Offiziers, achtend.
Der Kommandant der BOUNTY William Bligh
Bligh scheint die Bedeutung der Sprache für seine Führungstätigkeit nicht erkannt zu haben. Blighs Sprache wurde zu Recht als beleidigend und maßlos eingeschätzt, da er seine Offiziere, nicht die Mannschaft, als Schurken, verdammte Gauner, Hunde, Höllenhunde, ekelhafte Tiere, Schufte usw. mit unbeherrschter Wut selbst bei den einfachsten Manövern bezeichnete. Was brachte Bligh in diese miserable Lage, aus der er sich offensichtlich nicht selbst befreien konnte? Abgesehen von den vielen Unstimmigkeiten und Zweideutigkeiten der Reise waren es vor allem die fünf Monate, die die BOUNTY in der Matavai-Bucht von Tahiti lag. Er versuchte in dieser Zeit sein Schiff und seine Besatzung intakt zu halten, aber die Umstände waren gegen ihn. Für jeden Kapitän, der auf einen ambitionierten und deshalb straff organisierten Dienstbetrieb Wert legt, ist ein fünfmonatiger Aufenthalt auf einer tropischen Insel mit ihren bereitwillig sexuelle Bindungen eingehenden Frauen ein Albtraum. So wie Klempner es im Dritten Reich mit der Sprache der Nazis beobachtete, so ging es auch den Seeleuten der BOUNTY. Über die Sprache veränderten sich ihr Gefühl und ihre Auffassungen. Selbst am Morgen der Meuterei sprach der Adlige Christian eine Mischung aus Tahitisch und Englisch. Kapitän Edwards von der PANDORA, der die Meuterei einfangen sollte, erkannte diese von der Sprache ausgehende Gefahr viel klarer als Bligh.
Die mit auf Tahiti gefangenen Meuterern der BOUNTY sinkende HMS PANDORA. Zeichnung von Robert Batty (1789 – 1848), gemeinfrei
Er drohte den von ihm aufgegriffenen Meuterern, sie für den Fall, dass sie auch nur ein Wort Tahitisch sprechen würden, mit einer Mundsperre zu knebeln. Die Meuterei dokumentierte für alle Zeiten sowohl die Bedeutung der Sprache an Bord als auch die Unfähigkeit Blighs, die von seiner Sprache ausgehende Gefahr zu erkennen und mit einer angemessenen Sprache eine der Situation gerecht werdende Leitungstätigkeit zu entwickeln. Selbst nachdem er wieder in England eingetroffen war und Zeit zur Reflexion hatte, erkannte er dieses Problem nicht. Die Admiralität stellte ihn im März 1805 wegen seiner Sprache vor ein Kriegsgericht.
Die Bucht von Matavai auf Tahiti mit HMS RESOLUTION und HMS ADVENTURE. Gemälde von William Hodges, gemeinfrei
Mit dem nächsten Paar von Kapitänen möchte ich den Leser in die Gegenwart führen. Der