Kapitän in zwei Welten. Hans-Hermann Diestel

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Kapitän in zwei Welten - Hans-Hermann Diestel

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zurückgesegelt, um das noch unbekannte Gebiet zwischen 40 und 60 Grad Süd zu erforschen. Die Seeleute hießen dieses Vorhaben nicht gut, weil die Segel und andere Teile des Schiffes schon zu sehr gelitten hatten. Cook folgte ihrem Rat und hielt sich damit auch bei dieser Entscheidung an die Regeln guter Seemannschaft. Wahrscheinlich war es für Bligh ein enormer Nachteil, dass er Cook erst auf dessen dritter Reise begleitete. Auf dieser Reise war Cook nicht mehr der Alte. Er hätte sie nicht mehr unternehmen sollen. Er hatte sein Leben lang unter schwierigsten Bedingungen hart gearbeitet und hätte den Druckposten als Captain des Greenwich Hospital behalten sollen, aber Untätigkeit entsprach nicht seinem Naturell. Seine Wutausbrüche nahmen auf seiner letzten Reise zu, Entscheidungen kamen nicht zur rechten Zeit oder waren falsch. Seine auf den ersten beiden Reisen bewiesene einzigartige Führungstätigkeit brach im Wesentlichen zusammen. Der Tod Cooks, den Bligh miterlebte, war ein schwerer Schlag für Bligh. Cook hätte unter normalen Umständen mit väterlicher Sorge über diesen jungen Offizier gewacht. Das war in der Navy üblich. Niemand übernahm diese Rolle. Bligh wurde auch bei Beförderungen übergangen. Die Voraussetzungen, die William Bligh für eine Karriere in der Marine hatte, waren zweifellos besser als die von Cook, da sein Vater Leiter des Zollamtes in Plymouth war. Mit 21 Jahren wurde er Cooks Navigator auf der RESOLUTION. Bligh und der Adelige Fletcher Christian lernten sich auf HMS CAMBRIGE kennen. Auf der BOUNTY begleitete ihn Christian als Master’s Mate (Oberbootsmann/​II. Offizier). Beide verband eine enge Freundschaft. Die zur Meuterei führenden Auseinandersetzungen an Bord hatten mehrere Ursachen. Bligh wurde von der Admiralität zwar als Führer des Schiffes eingesetzt, aber aus Kostengründen nicht zum Kapitän befördert. Blighs finanzielle Situation war damit alles andere als rosig. Er war auf dem Schiff sein eigener Zahlmeister, was, berechtigt oder unberechtigt, bei der Besatzung immer zu Spekulationen und ihm gegenüber zu Spannungen führte. Die von Banks im Interesse der zu transportierenden Ladung (Brotbaumsetzlinge und Pflanzen) veranlassten Umbauten des Seglers waren dem Status von Bligh nicht zuträglich. Anstatt des Großen Salons zum Leben und Arbeiten hatte er nun einen kleinen ungelüfteten, dunklen, zeitweilig als „Essraum“ genutzten Raum zur Verfügung. Weitere Probleme entstanden aus der unterschiedlichen Art, wie die Offiziere zu ihrer Position gekommen waren. Bligh war der Einzige, der ein durch die Krone ausgestelltes Offizierspatent besaß. Die anderen Offiziere dienten unter einem Royal Warrant. Diese Position verlieh ihrem Träger keine umfassende Befehlsgewalt. Bligh, der sehr hohe Ambitionen hatte und sich dafür im Selbststudium weiterbildete, war mit der Qualität dieser Offiziere (Segelmeister/​Navigator, Arzt, Segelmacher, Bootsmann usw.) sehr unzufrieden. Über kurz oder lang hatte er sich mit allen überworfen. Es gelang ihm nicht, sie zu einer Verbesserung ihrer Leistungen zu motivieren. Aus Kostengründen wurden ihm auch keine Marinesoldaten mitgegeben, die unter bestimmten Umständen sowohl für die Aufrechterhaltung der Disziplin an Bord als auch für Absicherung des Schiffes auf den angelaufenen Inseln wichtig sein konnten. Die BOUNTY war durch all diese Probleme ein Schiff mit großer Ambivalenz und es hätte schon eines Cook auf dem Höhepunkt seiner Leitungstätigkeit bedurft, um die Reise zu einem glücklichen Ende zu führen.

      Bligh war aber kein Cook. Sein Hauptproblem war seine Sprache, nicht, wie vordergründig und völlig unberechtigt immer wieder behauptet wird, die von ihm ausgeübte körperliche Gewalt. Greg Dening kam in seinem Buch Mr BLIGH’S Bad Language zu dem Ergebnis, dass auf den britischen Schiffen im zentralen Teil des Pazifiks zwischen 1767 und 1795 21,4 Prozent der Seeleute ausgepeitscht wurden.

      Replik des von William Bligh geführten Langbootes der BOUNTY

      Und das ungeachtet der Tatsache, dass bis auf die PANDORA die Schiffe mit Freiwilligen bemannt waren. Bei der Anwendung dieser Züchtigung waren die Unterschiede sehr groß. Auf Blighs PROVI-DENCE wurden nur 8,33 Prozent, hingegen auf Vancouvers DIS-COVERY 45,15 Prozent der Seeleute ausgepeitscht. Dabei waren diese brutalen Züchtigungen in aller Regel für die Aufrechterhaltung der Disziplin nicht nötig. Sie dienten fast immer der Stärkung der Autorität und des Status des Verantwortlichen. Für Bligh waren Züchtigungen und Skorbut völlig zu Recht Zeichen eines schlecht geführten Schiffes, deshalb war er auch kein brutaler Schiffsführer. Ich kenne andererseits keinen Schiffsführer, der die folgende Worte von Victor Klemperer aus dessen Buch LTI so außerordentlich eindrucksvoll bestätigt hat:

      Aber Sprache dichtet und denkt nicht nur für mich, sie lenkt auch mein Gefühl, sie steuert mein ganzes seelisches Wesen, je selbstverständlicher, je unbewußter ich mich ihr überlasse. Und wenn nun die gebildete Sprache aus giftigen Elementen gebildet oder zur Trägerin von Giftstoffen gemacht worden ist? Worte können sein wie winzige Arsendosen: Sie werden unbemerkt verschluckt, sie scheinen keine Wirkung zu tun, und nach einiger Zeit ist die Giftwirkung doch da.

      Das Königliche Hospital für Seeleute (heute: Old Royal Naval College) in Greenwich

      Die Sprache der Seeleute war in ihrer Knapp- und Klarheit ein hervorragendes Werkzeug, um in den schwierigsten Situationen die Besatzung als einen einheitlichen Körper mit größter Effektivität zu führen. Wenn es um Blighs Sprache geht, dann muss man sie im Rahmen des damals Üblichen sehen, und dieser war alles andere als höflich, zurückhaltend oder das Besatzungsmitglied, einschließlich des Offiziers, achtend.

      Der Kommandant der BOUNTY William Bligh

      Bligh scheint die Bedeutung der Sprache für seine Führungstätigkeit nicht erkannt zu haben. Blighs Sprache wurde zu Recht als beleidigend und maßlos eingeschätzt, da er seine Offiziere, nicht die Mannschaft, als Schurken, verdammte Gauner, Hunde, Höllenhunde, ekelhafte Tiere, Schufte usw. mit unbeherrschter Wut selbst bei den einfachsten Manövern bezeichnete. Was brachte Bligh in diese miserable Lage, aus der er sich offensichtlich nicht selbst befreien konnte? Abgesehen von den vielen Unstimmigkeiten und Zweideutigkeiten der Reise waren es vor allem die fünf Monate, die die BOUNTY in der Matavai-Bucht von Tahiti lag. Er versuchte in dieser Zeit sein Schiff und seine Besatzung intakt zu halten, aber die Umstände waren gegen ihn. Für jeden Kapitän, der auf einen ambitionierten und deshalb straff organisierten Dienstbetrieb Wert legt, ist ein fünfmonatiger Aufenthalt auf einer tropischen Insel mit ihren bereitwillig sexuelle Bindungen eingehenden Frauen ein Albtraum. So wie Klempner es im Dritten Reich mit der Sprache der Nazis beobachtete, so ging es auch den Seeleuten der BOUNTY. Über die Sprache veränderten sich ihr Gefühl und ihre Auffassungen. Selbst am Morgen der Meuterei sprach der Adlige Christian eine Mischung aus Tahitisch und Englisch. Kapitän Edwards von der PANDORA, der die Meuterei einfangen sollte, erkannte diese von der Sprache ausgehende Gefahr viel klarer als Bligh.

      Die mit auf Tahiti gefangenen Meuterern der BOUNTY sinkende HMS PANDORA. Zeichnung von Robert Batty (1789 – 1848), gemeinfrei

      Er drohte den von ihm aufgegriffenen Meuterern, sie für den Fall, dass sie auch nur ein Wort Tahitisch sprechen würden, mit einer Mundsperre zu knebeln. Die Meuterei dokumentierte für alle Zeiten sowohl die Bedeutung der Sprache an Bord als auch die Unfähigkeit Blighs, die von seiner Sprache ausgehende Gefahr zu erkennen und mit einer angemessenen Sprache eine der Situation gerecht werdende Leitungstätigkeit zu entwickeln. Selbst nachdem er wieder in England eingetroffen war und Zeit zur Reflexion hatte, erkannte er dieses Problem nicht. Die Admiralität stellte ihn im März 1805 wegen seiner Sprache vor ein Kriegsgericht.

      Die Bucht von Matavai auf Tahiti mit HMS RESOLUTION und HMS ADVENTURE. Gemälde von William Hodges, gemeinfrei

      Mit dem nächsten Paar von Kapitänen möchte ich den Leser in die Gegenwart führen. Der

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