Schroeders Turm. Rex Schulz
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Er zog mit aller Kraft sein Kinn bis über die Stange.
Gleich hab ich es!
Zum letzten Mal quälte er seine Oberarmmuskeln, presste ihnen das allerletzte Quäntchen Kraft heraus und machte seinen einhundertsten Klimmzug.
Yeah, geschafft!!!
Er griff sich sein Handtuch von der Bank, wischte sich über die Stirn und schlenderte in Richtung Umkleiden davon.
Heute ist ja gar nichts los, dachte er. Na, kann ich in Ruhe duschen.
Er öffnete seinen Spind und begann seine Trainingssachen auszuziehen. Dann nahm er sein Duschzeug und ging in den Waschraum. Er suchte sich eine Dusche aus und stellte sie schön warm ein, um seine strapazierten Muskeln aufzuwärmen.
Ah, das tut gut.
Er seifte sich von Kopf bis Fuß ein und verteilte den Schaum über den ganzen Körper.
Da schepperte etwas im Duschraum und er zuckte zusammen.
Was war das denn???
Er spülte sich den Schaum ab und beugte sich aus der Dusche. Da schepperte es schon wieder. Es schien vom Lüftungsschacht des Duschraumes zu kommen. Langsam näherte er sich der Wand, als das Ding erneut geräuschvoll klapperte. Er beugte sich nach vorn, um die Klappe genauer zu betrachten, da lief ihm übriggebliebener Schaum in die Augen.
Verdammt noch mal!
Sören wischte sich mit der Hand über die Augen, um wieder klar sehen zu können, aber seine Augen brannten wie Feuer. Plötzlich wurde ihm auch noch übel und er musste sich übergeben. Da er kaum noch etwas sah, trat er anschließend prompt in seine eigene Kotze, rutschte aus und knallte auf den Boden. Sein Kopf schlug gegen die Fliesen … und danach war nichts mehr.
Kapitel 1
Auf den ersten Blick wirkte der Raum recht düster, doch wenn man genauer hinschaute, sah man, dass das Zimmer mit Stilgefühl eingerichtet worden war. Na, von einem Zimmer konnte man wohl schlecht sprechen – Büro bleibt Büro. Wie im gesamten Turm gab es auch hier keine Fenster – der Regen verätzte ohnehin die Scheiben und das Elend da draußen wollte doch niemand sehen.
Es war das Büro von Orion Schroeder, seines Zeichens Criminal Commisär des Sicherheitsdienstes von Turm 17.
Alles in allem schien der Kerl Geschmack zu haben. Zwischen den Aktenbergen auf seinem Schreibtisch stand ein kleines Orangenbäumchen – was von seinem guten Draht zu einem der Hydroponikgärten sprach –, ein dreiarmiger Kerzenleuchter mit echten Kerzen – die er aber niemals anzündete, dazu waren sie zu rar. Unter der altmodischen Schreibtischlampe stand ein Foto des Matterhorns in den Alpen. Oder wie das Matterhorn wohl mal ausgesehen haben muss vor diesem ganzen Scheiß von Umweltkatastrophen, saurem Regen, Aschewolken, den Türmen und diesen glubschäugigen Aliens.
An den Wänden hingen ein paar Repliken von Kandinsky und Hundertwasser und gaben dem Raum schon fast so etwas wie Gemütlichkeit.
Orion saß an seinem Schreibtisch, der von der alten Lampe in matte Helligkeit getaucht war, und hatte das Kinn auf eine Hand gestützt. Seit Stunden brütete er vor sich hin. Schroeder war von kräftiger Statur, bei 190 Zentimetern Körpergröße. Er hatte strohblondes Haar und ein offenes, freundliches Gesicht. Er strahlte Vertrauen aus, was ihm bei seiner Arbeit durchaus Vorteile bescherte. Seinen etwas außergewöhnlichen Vornamen verdankte er der Sehnsucht seiner Eltern, denn Sterne oder gar Sternbilder hatte schon lange niemand mehr gesehen. Nicht seitdem die Aschewolken den Himmel verdunkelten.
Auf dem Schreibtisch lagen Portraits von vier seit Kurzem vermissten Personen: eine Klimatechnikerin, eine Wäscherin, eine Mechanikerin und ein Elektroingenieur und angehender Champion der Turmspiele.
Vier Vermisste! Das gibt es doch nicht!, dachte er. Hier passiert doch eigentlich rein gar nichts. Mal ein Streit in einer Bar wegen eines Mädchens, hier und da ein paar verschwundene Sachen oder abfällige Schmierereien gegen die Sator’ri. Eigentlich waren die Schichten des Sicherheitsdienstes von Langeweile geprägt! Und nun so was.
Es waren vor zwei Jahren schon mal ein paar Leute verschwunden, hatte er von seinen Kollegen gehört, als er vor sieben Monaten seinen Job angetreten hatte. Man dachte, die wären nach draußen gegangen, weil sie die Enge des Turmes nicht vertragen hätten. Angeblich soll es ja wirklich Leute geben, die in den Ruinen von Düsseldorf lebten. Aber wer ist schon so verrückt, freiwillig sich dieser Umwelt auszusetzen, wenn er hier im Turm sicher und versorgt sein kann.
Nur Irre!
Er würde jedenfalls mit seinem Hintern hier drinnen bleiben, auch wenn er gern mal im Freien spazieren gegangen wäre. Über eine Wiese oder so, oder durch einen Wald – wenn es so was überhaupt noch gab.
Orion Schroeder fühlte sich überfordert. Verdammter Mist, – jetzt musste er der Sache auf den Grund gehen. Das verlangten sein Job und vor allem sein Chef Obercriminal Commisär Friedrich Wolf.
Nun ja, dann mal ran an die Arbeit, dachte er und griff zum Kommunikator.
„Fritsche, komm mal in mein Büro!“, zitierte er seinen Assistenten zu sich.
Mit ihm arbeitete er seit ein paar Wochen zusammen, seit Fritsche von der Criminalakademie gekommen war. Der Typ war ganz in Ordnung, wenn man mal von seinen manchmal unpassenden Sprüchen absah.
„Hallo, Chef.“
Fritsche stürmte in den Raum. Im Gegensatz zu Orion war Fritsche ein hagerer Typ, hatte dunkle kurze Haare und ebenfalls ein freundliches Gesicht mit einem kleinen Bärtchen unter der Nase. Komischerweise trug er eine dunkel umrandete Brille, obwohl er normal sehen konnte. Dazu stellte Fritsche sich immer etwas linkisch an, war aber ein heller Geist mit einer schnellen Auffassungsgabe.
„Sag nicht immer Chef zu mir, du Knaller! Setz dich, es gibt Arbeit für uns.“
Fritsche sah Orion mit großen Augen an.
„Ist wieder ein Handtuch im Schwimmbad auf mysteriöse Weise verschwunden oder planen die Sator’ri eine Invasion unseres Turmes?“
„Ach was! Du und deine blöden Sprüche! Es ist was Ernstes – vier Leute sind auf seltsame Weise verschwunden!“
Fritsche blieb der Mund offenstehen.
„Nicht wahr, oder?“
„Doch, leider, und der Wolf hat uns den Fall übertragen.“
„Ach ne! Das bedeutet wohl, dass die ruhige Zeit erstmal vorbei ist und wir richtig ermitteln müssen?“
„Fritsche, du hast es erfasst! Komm, lass uns mal die vier Fälle durchgehen, vielleicht stoßen wir schon dabei auf irgendwas!“
Orion