Organisation gestalten – Stabile und dynamische Unternehmensstrukturen. Götz Schmidt
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Technische Ausstattung
Art und Umfang der eingesetzten Sachmittel können im Fertigungs- wie im Dienstleistungsbereich erhebliche Einflüsse auf die Aufbauorganisation haben. Die im Unternehmen vorhandene Informationstechnik (IT) spielt hier eine herausragende Rolle. Allgemein bekannt ist, dass der frühere Trend zur Zentralisierung der IT-Funktionen in den ersten Jahrzehnten dieser Technologie umgekehrt wurde, als leistungsfähige dezentrale Rechner und Netzwerke und Cloud Computing aufkamen. Die fortschreitende Entwicklung effizienter Informationssysteme und die Verlagerung von IT-Unterstützung in das Netz haben dazu geführt, dass ungeheure, früher kaum für möglich gehaltene Spielräume bei der Stellenbildung und bei der Bearbeitung von Prozessen entstanden sind.
Ein umfassend zuständiger Kundenberater in einer Bank kann ganzheitlich Kunden bearbeiten, weil ihm die notwendigen, aufbereiteten Informationen jederzeit zur Verfügung stehen. Für eine komplexe Kreditgewährung waren zuvor u. U. 4 bis 6 Spezialisten notwendig, jetzt kann er zusammen mit einem Entscheidungsberechtigten den Vorgang fallabschließend bearbeiten. Standardkredite können ohne Einschaltung von Menschen durch Systeme von der Antragstellung bis zur Auszahlung vollautomatisch bearbeitet werden.
Offenkundig beeinflusst oder ermöglicht also die eingesetzte IT aufbauorganisatorische Lösungen.
War früher der typische Mitarbeiter an einen bestimmten Arbeitsplatz gebunden, so löst sich diese enge Bindung immer weiter auf. Home-Office-Regelungen, Coworking Spaces, netzbasierte Konferenzen und Meetings, globales Outsourcing von Dienstleistungen sind Belege dafür, wie stark die Technik in organisatorische Strukturen eingreift und diese beeinflusst.
Alter und Entwicklungsstadium der Unternehmung
Start-ups haben schon aufgrund ihres Alters eine weniger formalisierte Organisation als ältere Unternehmen. Die Mitarbeiter müssen am Markt und miteinander Erfahrungen sammeln, ehe sie überhaupt sinnvoll im Detail organisieren und Regeln dokumentieren können. Viele Probleme müssen gemeinsam diskutiert werden. Jeder kümmert sich um alles. Die Spezialisierung ist wenig entwickelt. Je mehr ein Unternehmen reift, desto größer wird die Arbeitsteilung, desto größer werden auch die Koordinationsnotwendigkeiten, d.h. formale Regelungen z. B. darüber, wer wen in welcher Form zu informieren hat. Damit entstehen Planungs-, Steuerungs- und Kontrollsysteme, die sich in vielfältigen Regelungen und Detailvorschriften zeigen. Der Organisationsgrad (die Anzahl der Regelungen) wie auch der Grad an Formalisierung (formelle Dokumentation organisatorischer Lösungen) steigen mit zunehmendem Alter eines Unternehmens normalerweise deutlich an.
2.2.6 Kultur, Werte und Normen
Nicht nur die einzelnen Mitarbeiter selbst, sondern ganze Organisationseinheiten unterscheiden sich deutlich von anderen hinsichtlich der dort vorherrschenden Werte und sozialen Normen.
Werte im sozialen Umfeld von Unternehmungen sind Vorstellungen über Eigenschaften und Verhaltensweisen von Individuen und Gruppen, die den Wertenden als wichtig erscheinen. Werden solche Werte von der Mehrheit geteilt, entwickeln sie sich zu Normen, d. h. zu Erwartungen der Mehrheit an alle anderen Mitglieder. Werte und Normen sind zentrale Elemente der Unternehmenskultur.
Bei einem Blick über die Unternehmen hinaus wird deutlich, dass ganze Gesellschaften von Wertvorstellungen geprägt werden, die zudem einem ständigen Wandel unterliegen. Sollen geeignete aufbauorganisatorische Lösungen gefunden werden, müssen sich die Verantwortlichen auch mit diesen Werten und Normen auseinandersetzen.
2.2.6.1 Betriebliche Werte und Normen
Beispielhaft sollen hier die folgenden Werte und Normen kurz angesprochen werden:
Wir-Gefühl und Vertrauenskultur
Wertschätzung der Kunden
Innovations- und Risikobereitschaft
Fehlerkultur
Quellen der Macht
Mitarbeiterorientierung
Qualitätsorientierung.
Gerade junge, aufstrebende Unternehmen entwickeln oft ein ausgeprägtes Wir-Gefühl, das sich insbesondere darin äußert, dass jeder bereit ist, in gewissem Umfang eigene Interessen denen des Unternehmens unterzuordnen oder Kollegen zu helfen, wenn dies notwendig ist. Das wird auch als Vertrauensorganisation bezeichnet. In einem solchen Umfeld gibt es normalerweise größere Entscheidungsspielräume für Einzelne, weniger formelle Regelungen, mehr situative Abstimmungen und einen freieren Informationsfluss, was zu einer verstärkten Flexibilität führt, die ein wesentliches Element des Wettbewerbsvorteils solcher Unternehmen darstellt.
Es gibt aber auch Beispiele für das extreme Gegenteil, Unternehmen in denen eine ausgeprägte Misstrauenskultur herrscht. Diese zeigt sich häufig in älteren Unternehmen, die eine lange, oft schmerzvolle Geschichte hinter sich haben. Das Fehlverhalten Einzelner hat immer wieder dazu geführt, dass umfangreiche Regelungen, Kontrollen und aufbauorganisatorische Strukturen geschaffen wurden, um zukünftig derartiges Fehlverhalten zu vermeiden. Das herrschende Menschenbild lautet: „Traue niemandem“.
Unternehmen unterscheiden sich auch in der Wertschätzung, die sie ihren Kunden entgegenbringen. Das ist zum einen daran erkennbar, wie gut sie überhaupt ihre Kunden und deren Vorstellungen kennen, zum anderen daran, wie weit sie bereit sind, auf diese Vorstellungen einzugehen und schließlich und nicht zuletzt, wie freundlich und serviceorientiert das Verhalten der Mitarbeiter gegenüber den Kunden ist oder wie mit Beschwerden umgegangen wird.
Auch hinsichtlich der Innovationsbereitschaft gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Unternehmen. Wie offen Unternehmen für Neuerungen sind, wie groß die Veränderungsbereitschaft ist und damit auch die Bereitschaft, neue Strukturen auszuprobieren, das hängt von der Risikofreude und Flexibilität ab. Solche Einstellungen können sich insbesondere dann entwickeln, wenn Unternehmen Fehler verzeihen und als Chancen zum Lernen akzeptieren können.
Unternehmen unterscheiden sich auch darin, welche Quellen der Macht als gültig angesehen werden. In manchen traditionellen Unternehmen dominiert die sogenannte Positionsmacht. Die Macht eines Einzelnen, das Verhalten und die Einstellungen Dritter zu beeinflussen, beruht in diesem Fall auf seiner hierarchischen Einordnung und den damit verbundenen Kompetenzen. Dominiert als Wert demgegenüber die sogenannte Expertenmacht, ist nicht die Position dafür entscheidend, wer sich durchsetzt. Vielmehr setzt sich derjenige durch, der in dem konkreten Fall die besseren Argumente oder die größere Erfahrung besitzt. Je nachdem welche Norm gilt, sind bestimmte aufbauorganisatorische Regelungen mehr oder weniger geeignet. So lassen sich komplexe Leitungsstrukturen oder selbstorganisierte, agile Strukturen mit einer vorherrschenden Norm „Der Chef hat immer Recht“ kaum erfolgreich einführen.
Von dem Verständnis dessen, welche Quellen der Macht es gibt, hängt auch die Mitarbeiterorientierung ab: Wie werden Mitarbeiter geschätzt, wie ernst werden die Bedürfnisse der Mitarbeiter genommen, welche Freiräume werden zugestanden, welchen Stellenwert hat die Teamarbeit? Werden Teamfähigkeit, Loyalität oder Kooperationsbereitschaft als gegeben angesehen, so liegt eine gute Voraussetzung für aufbauorganisatorische Lösungen vor, in denen Delegation, Teamarbeit, Projektarbeit und Formen vernetzter Arbeit im Vordergrund stehen.
Unternehmen unterscheiden sich u. U. auch deutlich darin, welche Bedeutung für sie beispielsweise die Qualität ihrer Produkte hat. Qualitätsführerschaft kann ein Unternehmen nur erreichen, wenn die weit überwiegende Mehrheit der Mitarbeiter das gemeinsame Ziel teilt, Spitzenqualität abzuliefern, und auf diese Qualität obendrein stolz ist. Aufbauorganisatorische Regelungen zu Kompetenz- und Kontrollsystemen werden in einem solchen