Organisation gestalten – Stabile und dynamische Unternehmensstrukturen. Götz Schmidt
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Verfügbare Angebote und Leistungen im Markt
Bei der Entscheidung für die eigene Aufbauorganisation orientiert sich ein Unternehmen auch an der Situation im Angebotsmarkt. Dabei geht es beispielsweise um die Frage, welche Leistungen ein Unternehmen selbst erbringt oder welche Leistungen es im Markt einkauft. Werden Überlegungen angestellt, bisher selbst erbrachte Leistungen zukünftig auszugliedern – Outsourcing – dann hat eine solche Entscheidung u. U. weitreichende Folgen für die Aufbauorganisation. Gleiches gilt, wenn bisher eingekaufte Leistungen zukünftig selbst erbracht werden sollen – Insourcing. Von den verfügbaren Leistungen im Markt hängen beispielsweise auch die Möglichkeiten ab, gemeinsam mit anderen Unternehmen in sogenannten Netzwerken zu kooperieren. Ganz gleich, ob eine solche Entscheidung nur für ein einzelnes Projekt oder für eine Vielzahl von ausgelieferten Leistungen gilt, fast immer wirkt sich eine solche Entscheidung auch auf die betrieblichen Aufbaustrukturen aus.
Arbeitsmarkt
Je nachdem, welche Mitarbeiter mit welchen Qualifikationen am Arbeitsmarkt gewonnen werden können, lassen sich bestimmte Lösungen realisieren oder auch nicht. Sind qualifizierte Mitarbeiter nicht – oder nicht zu vertretbaren Löhnen – verfügbar, dann müssen u. U. organisatorische Lösungen gewählt werden, die von angelernten oder ungelernten Mitarbeitern ausgefüllt werden können. Viele Konzepte wie Teamarbeit, Job Enrichment (dazu unten mehr), autonome Arbeitsgruppen etc. lassen sich dann möglicherweise nicht realisieren.
Verfügbare Technik
Je schneller die technische Entwicklung voranschreitet, je größer die Entwicklungssprünge, desto mehr muss sich ein Unternehmen darauf vorbereiten, diese Entwicklung zu nutzen, um nicht „unter die Räder zu kommen“. Die Weiterentwicklung der IT (Hard- und Software) und der Digitalisierung (Internet of Things – IoT) verändern Gesellschaft und Wirtschaft massiv. Automatisierung und Robotik z. B. weisen in Richtung Industrie 4.0. Sie werden Unternehmen und deren Strukturen nachhaltig beeinflussen. Damit einher gingen und gehen grundlegende Veränderungen im Verhalten der Kunden. Zeichnen sich solche Veränderungen ab, müssen sich die betroffenen Unternehmen organisatorisch darauf einstellen. Weiterentwicklungen der Technik erlauben den Übergang von der Serienfertigung zur Einzelfertigung („Losgröße 1“). Möglichkeiten der Analyse nahezu unendlicher kundenbezogener Daten (Big Data) werden die Beziehungen zu Kunden wie zu Lieferanten grundlegend verändern, neue Angebote und neue Anbieter hervorbringen und damit auch einen wesentlichen Einfluss auf die Aufbauorganisation haben.
Airlines haben in der Vergangenheit immer mehr Aufgaben auf ihre Kunden verlagert. Es wurden Anreize geschaffen, ohne Beratung selbst zu buchen, ohne fremde Hilfen einzuchecken und einen Sitzplatz auszuwählen. Dazu sind umfangreiche IT-Infrastrukturen geschaffen worden. Diese Entwicklung hat massive Auswirkungen auf die Aufbauorganisation, insbesondere im Abfertigungsbereich an den Flughäfen, im Back-Office und in den IT-Bereichen. Ähnliches gilt für Banken, die zudem immer stärker dem Wettbewerb von innovativen Anbietern (z. B. Fintechs) ausgesetzt sind und beispielsweise im (digitalen) Zahlungsverkehr vor einschneidenden Änderungen stehen, was sich nicht nur daran zeigt, dass immer mehr Filialen geschlossen werden, sondern auch daran, dass breite Zahlungs- und Informationsströme von „neuen“ Anbietern (z. B. PayPal) besetzt werden, die alte Bankstrukturen obsolet machen.
Neben diese beispielhaft genannten Einflussfaktoren auf die Aufbauorganisation treten Restriktionen, interne Rahmenbedingungen sowie gesellschaftliche Werte und Normen, von denen die Eignung und Legitimation von Lösungen maßgeblich abhängt.
2.2.4 Restriktionen
Restriktionen sind verbindliche Vorgaben, die zwingend eingehalten werden müssen.
Eine Restriktion ist grundsätzlich so zu formulieren, dass sie immer mit Ja (erreicht, eingehalten) oder Nein (nicht erreicht, nicht eingehalten) beurteilt werden kann. Restriktionen haben die Wirkung, dass sie bestimmte Lösungen oder Lösungselemente erzwingen und/oder Lösungen verhindern.
2.2.4.1 Intern gesetzte Restriktionen
Typische intern gesetzte, d. h. von entscheidungsberechtigten Stellen innerhalb des Unternehmens auferlegte Restriktionen, können betreffen:
Lösungen, z. B.
- wo darf überhaupt etwas verändert werden (betroffener Bereich)?
- was darf verändert werden, was nicht (z. B. darf eine hierarchische Position abgebaut werden)?
- dürfen sich personelle Konsequenzen ergeben (Abbau, Aufstockung von Personal)?
- was muss die Lösung alles leisten (funktionale Anforderungen)?
Termine, z. B.
- bis wann muss ein Ergebnis vorliegen?
Kosten, z. B.
- innerhalb welchen Finanzrahmens muss sich die Reorganisation bewegen?
- was darf sie maximal
kosten?
Projektorganisation, z. B.
- können Mitarbeiter für das Projekt freigestellt werden oder müssen sie gleichzeitig andere Aufgaben wahrnehmen?
- wer muums (Lenkungsausschuss) sein?
Diese Restriktionen liegen nicht immer zu Beginn eines Projekts klar auf der Hand. Die mit einer Reorganisation Betrauten tun gut daran, derartige Restriktionen so früh wie möglich zu ermitteln, wenn sie nicht selbst darüber entscheiden können. Insbesondere wenn Organisationsvorhaben durch Projektgruppen durchgeführt werden, ist es wichtig, dass die Projektverantwortlichen mit den Entscheidungsberechtigten die Restriktionen klären.
Es soll hier nur am Rande vermerkt werden, dass aufbauorganisatorische Projekte normalerweise sehr brisant sind, da durch neue Lösungen das bestehende Machtgefüge eines Unternehmens berührt wird. Allein dieser Tatbestand führt dazu, dass die „Mächtigen“ geneigt sind, „alles zur Disposition zu stellen“, nur nicht ihre eigene Machtposition. Da es aber vielfach nicht schicklich ist, die eigenen Interessen offen zu bekunden, stößt man bei aufbauorganisatorischen Projekten immer wieder auf unausgesprochene, aber dennoch sehr wirksame „stillschweigend gesetzte“ Restriktionen.
2.2.4.2 Extern gesetzte Restriktionen
Von außen werden ebenfalls Restriktionen für aufbauorganisatorische Lösungen gesetzt. Die wichtigsten Quellen sind hier staatliche bzw. amtliche Stellen sowie Verbände, Kammern und Vereinigungen, aber auch Konzernrichtlinien und Forderungen von Vertragspartnern des Unternehmens.
Staatliche oder amtliche Restriktionen sind beispielsweise gegeben durch:
Gesetze (z. B. Mitbestimmung, Datenschutz, Umweltschutz etc.). Die Einhaltung derartiger Vorgaben wie auch selbst gesetzter Regelungen wird heute normalerweise als Compliance bezeichnet. Aufbauorganisatorische