Apatheia. Guido Seifert
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»Wozu bist du auf der Welt?«
Das war einfach. Das war geradezu läppisch einfach. Hätte er mir diese Frage nicht als erste stellen können?
»Ich bin auf der Welt, um dem Menschen zu dienen.«
»Gut«, sagte Brandon Snyder und nickte ausgiebig. Vielleicht war ich ja doch kein Montags-Produkt.
Forward Operating Base Nevins, zehn Meilen südwestlich von Miranshah, Nordwaziristan, Pakistan
»Bitte schildern Sie mir genau, wie es zu der Tötung von Corporal Hanson kam, Goliath.« Special Agent Beekman beugte sich vor und legte seinen Pad-PC neben mir auf dem Tisch ab. Dann verschränkte er die Arme vor der Brust und sah mir in die Linse. Ich bemerkte recht deutlich, wie er sich bemühte, sein Unbehagen zu verbergen. Zugleich kalkulierte ich, dass seine Beklommenheit mit hoher Wahrscheinlichkeit gar nicht so sehr von der Tatsache als solcher herrührte, dass ich einen unserer eigenen Männer erschossen hatte, sondern viel mehr von ihrer Verquickung mit dem Anblick, den ich bieten musste. Ich war nichts anderes mehr als ein KI-Kern, vermutlich noch geschwärzt vom Feuer, in dem mein Metall-Körper verging, als mich die Granate der RPG-7 erwischte. Ein verrußter Klumpen, der mit hohler Radiostimme vom Tode seines Menschenkameraden sprach und dessen angesteckter Optiksensor an ein am Sehnerv baumelndes Auge erinnern mochte. Die Empfindung des Grotesken musste nach meiner Einschätzung das Gefühl sein, das Beekman beherrschte.
»Wir befanden uns auf einer schmalen, von ein- und zweistöckigen Häusern gesäumten Straße, die in einer Entfernung von etwa einhundertfünfzig Yard auf die Idak-Link-Road mündete. Privat Abbott hatte einen Streifschuss am Arm erhalten, der zu keinem größeren Blutverlust führte und rasch versorgt werden konnte. Ich meldete Staff Sergeant Peters, dass ich keine weiteren Gegner-Signaturen erfassen konnte, weder im optischen, infraroten noch im akustischen Bereich. Staff Sergeant Peters befahl mir, eine Nebelwand einhundert Yard voraus zu installieren, um dem Squad, das weiter vorrücken wollte, eine optische Deckung zu verschaffen. Ich feuerte vier Nebelgranaten ab, die präzise auf einer gedachten Querlinie zur Straße in einhundert Yard Entfernung aufschlugen. Fireteam Blue rückte unter Führung von Staff Sergeant Peters auf der rechten und Fireteam Red unter Führung von Corporal Hanson auf der linken Straßenseite vor.«
»Dem Fireteam Red gehören auch Sie an, richtig?«
»Jawohl, Sir. Des Weiteren besteht das Fireteam Red aus AIROCS-Specialist Jason Mayo und Private First Class Daniel Larson.«
»Dem Bericht entnehme ich, dass Sie sich etwa vierzig Yard hinter Ihrem Fireteam befanden, als es zu dem Vorfall kam …«
»Das ist richtig, Sir. Corporal Hanson gab mir den Befehl, mich zurückfallen zu lassen. Das ist beim Häuserkampf übliche Praxis in einem AIROCS-Squad, da eine derartig ausladende Einheit wie der Goliath AIROCS-604 nur schlecht Deckung nehmen kann. Zudem wird durch eine solche Maßnahme eine gute rückwärtige Sicherung gewährleistet.«
»Berichten Sie weiter.«
»Um 7:23 GMT erreichte das Squad die Nebelwand und verschwand schließlich aus meiner optischen Ortung. Mittels meiner hochentwickelten Infrarot-Sensorik sowie meines IFF-Systems verfolgte ich den weiteren Vormarsch. Erwartungsgemäß lieferte meine thermografische Perzeption keine durchgängigen Wärmebilder unser vorrückenden Soldaten, da sie im Vormarsch jegliche Deckung auszunutzen gehalten sind.«
»Diesselbe Einschränkung gilt dann aber auch für Ihre Freund-Feind-Erkennung, nicht wahr?«
»Korrekt, Sir. Das im Goliath AIROCS-604 integrierte IFF-System sendet eine kodierte Laserstrahl-Abfrage, die vom RF-Helmtransponder des zu identifizierenden Soldaten automatisch beantwortet wird. Selbstverständlich leidet auch dieses System unter Dämpfungsfaktoren, da es eigentlich für den Feldeinsatz konzipiert wurde. Dennoch hat sich das Squad – von meiner Position aus gesehen – oft genug so weit aus der Deckung begeben, dass meine gepulste Laser-Interrogation mir Identifikation und Position der vorrückenden Soldaten ermöglichte.«
»Es gab also keinerlei Störungen?«
»Ich möchte nicht von einer Störung sprechen, als um 07:26 GMT sämtliche Mitglieder meines Fireteams für zwanzig Sekunden aus der Ortung verschwanden. Es gab keinerlei Schussgeräusche, noch setzte SPC Mayo eine Meldung an mich ab. Also handelte es sich um eine ganz routinemäßige Deckungsnahme, was sich später auch bestätigte.«
»Fahren Sie fort, Goliath.«
»Um 07:28 GMT identifizierten meine IR-Sensoren einen Kombattanten auf der linken Straßenseite voraus, in einer Entfernung von sechzig und einer Höhe von circa sechs Yard, also auf dem Flachdach eines zweistöckigen Gebäudes, wie mir meine zuvor gemachte Aufzeichnung des Straßenzugs verriet. Ich bekam keine Antwort auf meine IFF-Abfrage, die ich stetig pulste. Das thermografische Bild des Kombattanten war im Kopf- und Brustbereich präzise und ungestört, so dass ich sicher sein durfte, dass mein kodierter Laserstrahl sein Ziel erreichte. 1,2 Sekunden nach der Entdeckung des Kombattanten begann dieser zu feuern. Aufgrund des ausbleibenden RF-Signals musste ich ihn für einen Gegner halten und eröffnete meinerseits das Feuer auf ihn.«
Villa von Cheng Qinghou, Royal Park Compound, Beijing, China. Vier Jahre zuvor.
Ich, Dayun, stieg die Treppe zur Dachterrasse hoch, in meinen behandschuhten Fingern ein weinrotes Lacktablett mit floralen Messingintarsien. Seit mehr als dreißig Megasekunden war ich nun schon als Butler im Haushalt von Cheng Qinghou tätig. Ich hatte gelernt, dass kaum ein Arrivierter in China, Taiwan oder Hongkong auf einen Butler verzichtete, und dass, wer seinen sozialen Status besonders eindrucksvoll demonstrieren wollte, sich einen Butler bei Reinvent Robotics in Boston kaufte.
Cheng Qinghou hatte mir meinen ersten Namen gegeben: Dayun. Zuvor war ich nichts anderes als ein Multipurpose Humanoid Robot der Serie RR-MHR-2034 gewesen …
Ich trat durch die offenstehende Holzgittertüre auf die Dachterrasse. Ein eher uninspirierendes Konzert monotoner U-Laute empfing mich. Ich wusste, dass die 722 kostspieligen Brieftauben bald verstummen würden, da die Sonne soeben untergegangen war. Die Rayleigh-Streuung ließ etliche Tonnen an Aerosolen in der Peplosphäre zu einem gleißenden orangefarbenen Band werden. Chengs Raffinerie mit ihren hochragenden Schloten zeichnete sich als Schattenriss am glühenden Horizont ab.
Entlang der aus hellem Baimu-Holz gefertigten Taubenschläge, drei Dutzend an der Zahl, setzte ich meinen Weg fort. Noch waren diese Wettkampftauben recht munter und flatterten zwischen den setzkastenartigen offenen Gestellen hin und her. Es gab nichts, das Cheng so wichtig gewesen wäre wie seine Tauben. Für Jonge Yeti, ein Import aus Belgien, hatte er 330.000 Euro bezahlt, eine Ausgabe, die er sicherlich auch dann nicht bereut haben würde, wenn Jonge Yeti beim letzten Great Wall Race nicht gewonnen und keine 750.000 Yuan Preisgeld eingeflogen hätte.
Ich näherte mich dem kleinen offenen Bambus-Pavillon, in dem es sich Cheng Qinghou bequem gemacht hatte. Behutsam nahm ich die Stufe und stellte das Tablett mit dem Affenfleischsandwich auf dem Tischchen vor Cheng ab.
»Danke«, murmelte Cheng, offensichtlich vertieft in einen Text auf seinem Lenovo-Pad.
»Sir, wenn ich Ihre Aufmerksamkeit für einige Augenblicke in Anspruch nehmen dürfte …«
»Hmh?« Cheng Qinghou sah mich an, und in seinem Blick lag etwas, das mir unbekannt war. Ich durfte mir zwar schmeicheln, die menschliche Mimik immer sicherer deuten zu können, doch in diesem Moment geriet