Apatheia. Guido Seifert

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Apatheia - Guido Seifert

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als eine Art Weltpolizei, die jedoch im Kampf gegen den militanten Irrationalismus Monat für Monat Hunderte an Soldaten im Einsatz verliert. Also ist es ein Gebot der Vernunft, die Effizienz dieser Ordnungsmacht zu stärken.«

      Recruiting Sergeant Reyes nickte abermals und legte die Hände zusammen.

      Ich hatte ihm nur die Hälfte verraten. Taktisch war dieses Gespräch genau so von mir geplant worden. Ich verschwieg ihm, wie das Werbevideo der U.S. Army auf mich gewirkt hatte. Ich verheimlichte ihm, wie sehr ich vom Goliath Artificial Intelligence Robotic Combat System 604 beeindruckt worden war. Ich ließ auch nichts verlauten über die Selbstanalyse, der ich mich unterzogen hatte und die mir am Ende zu der Einsicht verhalf, dass die rein physische Macht eines Goliath AIROCS-604 schlicht anziehend auf mich wirkte. Das Durchforsten einiger psychoanalytischer Datenbanken brachte mich dann zu der Erkenntnis, dass der Wunsch nach Selbstvergrößerung in den Kontext von Bemächtigungstrieb und sogar externalisiertem Todestrieb zu stellen war. Und ich begriff den großen Fehler, den noch jeder KI-Kreator begangen hatte: Die Kopie neuronaler Strukturen, ohne die eine bewusstseinsfähige KI nicht herzustellen war, führte archaische Triebe in ihren tieferen Schichten mit sich. Der Mensch war offensichtlich noch nicht in der Lage, eine Intelligenz künstlich zu erzeugen, die das Kontraproduktiv-Destruktive des menschlichen Konzepts vermied. Zugleich ahnte ich, welche uralten Triebregungen durch die religiös-fanatische Mentalität unserer Gegner eigentlich kaschiert wurden … und ich begriff, dass mein eigenes Nachgeben gegenüber dem archaischen Residuum meiner KI-Struktur nur durch die objektive Notwendigkeit von Ordnung ermöglicht wurde.

      »Ich stehe Ihrer Bewerbung durchaus positiv gegenüber«, ließ mich Reyes wissen. »Wir werden noch einige Eignungstests durchführen müssen, die aber eigentlich nur dazu dienen, ein Ensemble wünschenswerter Add-ons zusammenzustellen. Diese mentale Aufrüstung werden Sie gesondert unterzeichnen müssen, da sie zu einer leichten Persönlichkeitsveränderung führen kann.«

      »Das ist mir bekannt.«

      »Sehr gut. Ich skizziere Ihnen kurz den weiteren Verlauf. Sollte die U.S. Army Sie in ihre Dienste nehmen, werden Sie nach Bynum, Alabama, ins Anniston Army Depot überführt. Dort wird Ihr KI-Kern entnommen und Ihr androider Kunstkörper in Verwahrung gegeben. Ihr KI-Kern wird anschließend in einen Warbot der AIROCS-Serie implantiert. Danach geht es nach Hattiesburg, Mississippi, ins Camp Shelby, wo Ihnen ein persönlicher Ausbilder zugeteilt wird. Nach zwölf Monaten Training können Sie mit dem ersten Kampfeinsatz rechnen. Haben Sie noch Fragen?«

      »Ist es möglich, mir ein bestimmtes Modell der AIROCS-Serie auszusuchen?«

      »Sie können Ihre Präferenzen im Dienstvertrag angeben. Einen Anspruch auf ein bestimmtes Modell haben Sie allerdings nicht. Was schwebt Ihnen vor?«

      »Nun … ich gestehe, dass mir der Goliath AIROCS-604 sehr zusagen würde.«

      Recruiting Sergeant Reyes schnaufte halb amüsiert und halb verächtlich. »Danach hat bislang noch jede KI geschielt.«

      Forward Operating Base Nevins, zehn Meilen südwestlich von Miranshah, Nordwaziristan, Pakistan

      Nur aufgrund der scharrenden Stuhlbeine konnte ich wahrnehmen beziehungsweise mutmaßen, dass Jason seitlich von mir Platz genommen hatte.

      »Specialist Mayo, Sie sind als Angehöriger des Ersten Battalion im 87sten Infantry Regiment für die Wartung und Kontrolle der dem Dritten Platoon der Echo Company zugeordneten AIROCS-Einheit mit der Kennung Gol-AIROCS-604-08112061 zuständig, ist das richtig?«

      »Jawohl, Sir.«

      »Zur Debatte steht der Einsatz am 15.07. dieses Jahres im Ort Idak, der vom Dritten Platoon durchgeführt wurde. Neben dem allgemeinen Briefing sieht das U.S. Army Extended Field Manual eine spezielle Einweisung und technische Überprüfung jedes AIROCS’ durch einen Specialist vor. Wie lief dieses spezielle Briefing im Falle Ihres Goliaths – wenn ich so sagen darf – ab?«

      »Völlig routinemäßig, Sir.« Jason räusperte sich. »Ich ging mit ihm einen Fragenkatalog durch, der der Überprüfung seiner mentalen Funktionsfähigkeit dient. Dieser Katalog wird übrigens alle zwei Monate neu erstellt. Alle Antworten wurden zu meiner Zufriedenheit erteilt. Anschließend nahm ich eine technische Überprüfung vor, indem ich meinen mobilen Computer mit Goliath verband. Alle Systeme arbeiteten wunschgemäß. Zum Abschluss ging ich den von Staff Sergeant Peters angeordneten Einsatz mit Goliath noch einmal durch.«

      »Der letzte Punkt interessiert mich, Mr Mayo. Die zu erwartenden lokalen Bedingungen ließen doch vermuten, dass das verwendete IFF-System nicht zuverlässig, oder doch zumindest nicht durchgängig zuverlässig arbeiten würde. Kann man das so sagen?«

      »Das war vorauszusehen, ja. Aber – mit Verlaub, Sir – dieser Umstand ist im U.S. Army AIROCS Field Conduct im Abschnitt zum AIROCS-basierten Häuserkampf umfassend gewürdigt worden. Goliath hat sich meiner Einschätzung nach völlig korrekt verhalten. Dass es zum Tod von Corporal Hanson kam, bedauere ich sehr und mein tief empfundenes Mitgefühl gehört seinen Angehörigen.«

      Beekman nickte knapp. »Inwiefern findet die Störung des IFF-Systems, zum Beispiel durch die Möglichkeit eines RF-Transponderausfalls, Berücksichtigung bei der Einsatzplanung?«

      »Jeder RF-Transponder wird vor dem Einsatz noch einmal durchgecheckt. Diese Geräte sind sehr robust. Dennoch gibt es eine Ausfallquote, die früher bei etwa einem zehntel Promille lag und die heute, nachdem Mainmetall Defence sich auf einen einzigen ausgewählten Zulieferer für die kritischen Bauteile beschränkt hat, noch deutlich geringer ausfällt.«

      »Die alten Transponder wurden ersetzt?«

      »Nein, Sir. Der Armeestaatssekretär hielt dies nicht für nötig.«

      »Können wir sicher ausschließen, dass Corporal Hansons Transponder nicht erst durch den Beschuss von Goliath zu Schaden kam?«

      »Absolut, Sir. Ich habe das automatisch angefertigte Einsatzprotokoll aus Goliaths Zentraleinheit heruntergeladen und zusammen mit Staff Sergeant Peters durchgesehen. Im Grunde bräuchten Sie Goliath gar nicht zu verhören …«

      »Sie verzeihen mir, wenn ich in diesem Punkt anderer Ansicht bin.«

      »Sir …«

      »Ja?«

      »Ich bitte Sie zu bedenken: In der Situation, die hier zur Diskussion steht, ging es um eine Abwägung, die Goliath in Sekundenbruchteilen zu fällen hatte. Er musste die Möglichkeit eines sehr unwahrscheinlichen Transponderausfalls abwägen gegenüber der Möglichkeit, dass just in diesem Augenblick Kameraden des Squads Charlie unter Feuer genommen wurden und starben.«

      »Weshalb wurde diese Abwägung nicht durch Sie, Specialist Mayo, vorgenommen? Weshalb verzichtete Goliath darauf, die aktuellen Positionen der Mitglieder des Squads Alpha mittels Funkkommunikation zu erfragen?«

      »Hätte Goliath den nicht zu identifizierenden Kombattanten lediglich als solchen ausgemacht, ohne dass dieser im nächsten Moment gefeuert hätte, wäre Goliath verpflichtet gewesen, bei mir um Schusserlaubnis nachzufragen, da er zu diesem Zeitpunkt nicht sämtliche Angehörige des Squads Alpha orten konnte. Ich hätte ihn dann sofort darüber unterrichtet, dass Corporal Hanson soeben über eine Außenleiter auf ein Dach geklettert war und es sich bei ihm also um jene Person handeln musste, die Goliath im Visier hatte. Der Ausfall von Corporal Hansons Transponder wäre offensichtlich geworden. Tatsache ist aber, dass der irrtümlich als Gegner angesehene Kombattant sofort das Feuer eröffnete und es für Goliath um Sekundenbruchteile zu gehen schien, die vermeintlich über Tod und Leben unserer

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