Apatheia. Guido Seifert

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Apatheia - Guido Seifert

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wurde, so das Proxima Centauri zu recht auch Alpha Centauri C genannt werden darf (Alpha Centauri A und B lassen sich übrigens von unserer Position aus mit bloßem Auge unterscheiden).

      Nach dem Frühstück war für jeden von uns eine halbe Stunde ›Hamsterrad‹ angesagt, zum jetzigen Zeitpunkt nicht so sehr als Gegenmaßnahme zu den physiologischen Veränderungen durch die Schwerelosigkeit, sondern vor allem als Behandlung der Gliederschmerzen, die als Folge unserer langjährigen Kryostase zu verzeichnen sind.

      Logan, der als Erster das Training im Hamsterrad absolvierte, beabsichtigte – kaum, dass er den Physio-Raum verlassen hatte –, das AstroLab aufzusuchen. Mia wies ihn zurecht darauf hin, dass die Assimilationsphase zu diesem Zeitpunkt eine fünfstündige Ruhepause im Schlafköcher vorsieht. Logan zeigte sich ein wenig ungehalten, und ich, als Kommandant der DAEDALUS, schritt so behutsam wie möglich ein, betonte, dass unsere Arbeit erst mit dem morgigen Tag beginnen wird. Logan fügte sich schließlich, wenn auch missgestimmt. Ich schätze seinen wissenschaftlichen Eifer sehr, werde aber keinem Crew-Mitglied gestatten, wichtige Programmteile zu umgehen.

      Nach der Ruhephase verblieb ich in meinem Schlafköcher und holte mir eine Anzahl von ContempFiles auf den Kabinenmonitor. Ein seltsames Gefühl beschlich mich beim Zappen durch gut fünfunddreißig Jahre Erdgeschichte. Während wir in flüssigem Stickstoff lagen, wurden Kriege geführt, Friedenskonferenzen abgehalten, Bündnisse geschlossen, Verträge gebrochen, Erdbeben ertragen und Flüchtlingsströme aufgehalten. Es kann einem schon bedenklich zumute werden, wenn man in solch einer Raffung erlebt, wie menschliche Hoffnung doch immer wieder in Enttäuschung mündet.

      Wir besitzen insgesamt 415 ContempFiles, monatliche Nachrichtenzusammenstellungen, die den Zeitraum von Februar 2046 bis August 2081 abdecken. Es war beruhigend zu erfahren, dass bei all den Krisen die Europäische Union doch stabil ist, dass die ESA nach wie vor existiert und sogar in enger Kooperation mit Roskosmos arbeitet. Wenigstes bis vor vier Jahren, denn aktueller können die Meldungen aufgrund der riesigen Entfernung zur Erde nicht sein.

      Mission Longshot IV, Logbuch der DAEDALUS, Kommandant Joshua Feldmann, 7.12.2085 (Auszug)

      7:00 – Aufstehen, Post-Sleeping-Phase (Morgentoilette, Frühstück).

      8:45 – Planungskonferenz.

      9:15 – Jacob schickt eine Kamerasonde raus, um die mit Kevlar beschichtete Außenhülle der DAEDALUS zu inspizieren. Logan widmet sich der Untersuchung von Proxima Centauri b, dem wir uns bis auf 38 AE angenähert haben. Mia beginnt mit der Aussaat von Salat-, Radieschen-, Gurken- und Tomatensamen im GreenhouseLab; unterstützt wird sie hierbei von Zegramulrob. Ich selbst setzte die Lektüre der vergangenen fünfunddreißig Jahre Erdgeschichte fort und beginne mit der Erstellung eines Abstracts für die Crew.

      11:35 – Paladin informiert mich darüber, dass sich Harrys Zustand verschlechtert hat.

      12:00 – Lunch, Mittagspause.

      13:00 – Wiederaufnahme der Arbeit.

      18:00 – Abendessen (warm).

      19:00 – Abendkonferenz. Jacob konnte keine Beschädigungen oder sonstige Auffälligkeiten der Kevlar-Beschichtung feststellen. Logan bestätigt die bisherigen von Paladin zusammengetragenen Erkenntnisse hinsichtlich Proxima Centauri b: Bei diesem Planeten handelt es sich mit ziemlicher Gewissheit um eine kalte marsähnliche Welt.

      19:30 – Pre-Sleep-Phase. In meiner Kabine führe ich mit Paladin ein Gespräch über die unzureichende Wärmeabstrahlung der Radiatoren. Ich hänge die von ihm aufgezeichnete Unterredung als Audio-Datei an:

      (Joshua:) »Wenn du sagst, dass kein Konstruktionsmangel für das fehlende Gleichgewicht von Wärmeerzeugung und -abstrahlung verantwortlich ist, könnte es dann durch das interstellare Medium hervorgerufen worden sein?«

      (Paladin:) »Nach der uns bekannten Physik auf keinen Fall.«

      (Joshua:) »Es kann sich kein Fehler in deine Berechnungen eingeschlichen haben?«

      (Paladin:) »Die Größe der totalen Radiatorenfläche ist genau auf den 210-Gigawatt-Reaktor des Fission-Fragment-Triebwerks abgestimmt. Allerdings habe ich einen Widerspruch entdeckt, den ich augenblicklich nicht auflösen kann. Sowohl die technische Vorgabe als auch meine wiederholten Berechnungen beziffern die maximale Ausstoßgeschwindigkeit des hochenergetischen Antriebs- beziehungsweise Bremsstrahls auf 10.119.500 Meter pro Sekunde. Tatsächlich beträgt seine Geschwindigkeit aber 10.911.500 Meter pro Sekunde, also knapp achthunderttausend Meter mehr als eigentlich möglich.«

      (Joshua:) »Dann haben wir hier doch den Grund der Überhitzung, oder nicht?«

      (Paladin:) »Leider nein. Sämtliche sonstigen Leistungsparameter entsprechen der Erwartung. Der erhöhte Schub korreliert zwar mit der Überhitzung, es existiert aber keine parametrische Kausalkette. Ich stehe vor einem Rätsel.«

      (Joshua:) »Was können wir tun?«

      (Paladin:) »Den Reaktor abschalten, die notwendigen Systeme einschließlich des LSS über die Akkumulatoren laufen lassen und so das Schiff runterkühlen.«

      (Joshua:) »Dann büßen wir Bremsleistung ein.«

      (Paladin:) »Richtig. Deshalb wird es wichtig sein, den Reaktor in bestimmten zeitlichen Abständen wieder hochzufahren. Der höhere Schub kompensiert einen Teil des Verlusts an negativer Beschleunigung. Dennoch kann ich zum augenblicklichen Zeitpunkt nicht sagen, ob wir mit dieser Methode in der Lage sein werden, uns wie geplant von Alpha Centauri gravitativ einfangen zu lassen.«

      (Joshua:) »Und wenn wir vorbeischießen?«

      (Paladin:) »Dadurch wird die Mission nicht gefährdet aber erheblich verlängert. Verpassen wir den Orbit, werden wir gezwungen sein, dass Schiff komplett abzubremsen und Richtung Alpha Centauri zu beschleunigen. Ein solches Manöver wird uns allerdings mindestens zwanzig Tonnen zusätzlichen Kernbrennstoff kosten. Dies wiederum hat zur Folge, dass wir für den Rückflug zur Erde den Reaktor über lange Strecken abschalten müssen und bis zum Decelerations-Punkt niemals diejenige Höchstgeschwindigkeit erreichen werden, die wir auf dem Hinflug erzielt haben.«

      (Joshua:) »Wann kommen wir nach Hause, Paladin?«

      (Paladin:) »Mindestens zehn Jahre später als geplant.«

      (Joshua:) »Für eine Crew in Kryostase macht das kaum einen Unterschied.«

      (Paladin:) »Das ist wohl richtig.«

      (Fünf Sekunden Pause)

      (Joshua:) »Würdest du sagen, dass wir hinsichtlich der Überhitzung einen kritischen Punkt erreicht haben?«

      (Paladin:) »Nein. Ich beurteile die Situation als bedenklich aber noch nicht als kritisch.«

      (Joshua:) »Wir lassen den Reaktor vorläufig weiterarbeiten.«

      (Paladin:) »Verstanden, Kommandant.«

      Persönliches Tagebuch von Joshua Feldmann, Kommandant der DAEDALUS, 08.12.2085

      Die von Paladin berichteten Ungereimtheiten hinsichtlich des Fission-Fragment-Triebwerks erfüllen mich mit Sorge; und mit Ärger. Ein Raumfahrer rechnet mit Unwägbarkeiten; er rechnet mit Gefahren und unvorhergesehenen Ereignissen. Doch um ihnen wirksam zu begegnen, muss er sie verstehen. Wenn

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