Apatheia. Guido Seifert
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Mission Longshot IV, Logbuch der DAEDALUS, Kommandant Joshua Feldmann, 11.12.2085 (Auszug)
9:56 – M.Sc. Harry Cavanaugh verstirbt an den Folgen seiner fehlerhaft verlaufenen De-Kryostasierung. Die Crew trauert um ihren Kameraden, mit dem sie sich zwei Jahre lang auf die Mission Longshot IV vorbereitete.
16:45 – Die jüngsten Teleskopaufnahmen von Proxima Centauri b zeigen uns einen von Kratern übersäten lebensfeindlichen Planeten. Wir befinden uns noch sieben AE von ihm entfernt und werden morgen in einem Abstand von vier Millionen Kilometern an ihm vorbeifliegen.
Persönliches Tagebuch von Joshua Feldmann, Kommandant der DAEDALUS, 11.12.2085
Obwohl der Tod von Harry uns alle bewegt, ist es doch Mia, die mir völlig niedergeschlagen vorkommt. Ich habe ihr angeboten, sich für heute freizunehmen, aber sie hat nur schwach den Kopf geschüttelt. Einige Stunden später suchte ich sie an ihrer Arbeitsstation auf (der Monitor zeigte einen WeldingRob, der mit Schweißarbeiten am Leck des GreenhousLabs beschäftigt war). Das von uns geführte Gespräch wurde routinemäßig von Paladin aufgezeichnet; ich hänge die Audiodatei an diesen Tagebucheintrag an:
(Joshua:) »Wie gehen die Arbeiten voran?«
(Mia:) »Gut.«
(Drei Sekunden Pause.)
(Joshua:) »Wir alle vermissen Harry sehr.«
(Mia:) »Ja.«
(Fünf Sekunden Pause.)
(Mia:) »Weißt du noch, Josh, der abendliche Ausflug zum Plage de Montabo?«
(Joshua:) »Ich bin mir nicht sicher, Mia.«
(Mia:) »Das kannst du doch nicht vergessen haben, Josh. Es war ein harter Trainingstag im Virtual-Reality-Lab in Cayenne. Du und Harry, ihr habt einen Außeneinsatz an der Aufhängung der Beryllium-Platte simuliert, weil die SimRobs da nicht richtig hinkamen.«
(Joshua:) »Daran erinnere ich mich. Klar und deutlich sogar.«
(Mia:) »Und nach dem Training sind wir dann alle zusammen zum Plage de Montabo gefahren.«
(Joshua:) »Richtig. Ein herrlicher Abend.«
(Mia:) »Harry blickte hinaus auf den Atlantik und meinte, so, wie er sich jetzt fühle, müssten sich die alten Entdecker gefühlt haben, wenn sie am Meeresstrand standen und sich fragten, was da hinter dem Horizont ist.«
(Joshua:) »Stimmt, Mia. Ich entsinne mich.«
(Fünf Sekunden Pause.)
(Mia:) »Er ist nie hinter den Horizont gelangt. Armer Harry.«
Mission Longshot IV, Logbuch der DAEDALUS, Kommandant Joshua Feldmann, 12.12.2085 (Auszug)
10:00 – Ich halte eine kurze Trauerrede für Harry. Anschließend übergeben wir seinen Leichnam der Unendlichkeit des Weltalls.
11:43 – Paladin informiert mich darüber, dass die technischen Ungereimtheiten hinsichtlich unseres Fission-Fragment-Triebwerks seit drei Minuten nicht mehr existieren. Er benutzt die Worte ›wie von Zauberhand‹, um das Unerklärliche zu beschreiben. Sämtliche Parameter befänden sich im erwartbaren Bereich. Die Ausstoßgeschwindigkeit des Triebwerkstrahls belaufe sich auf 10.118.750 Meter pro Sekunde. Sollte sich der jetzige Zustand als stabil erweisen, steht dem planmäßigen Ablauf der Mission Longshot IV nichts mehr im Wege.
13:35 – Jacob beseitigt ein Problem mit der außen am Schiff befindlichen Hochspannungsquelle, die Wasserstoffgas in seine geladenen Bausteine zerlegt. Die kurzzeitige Schwächung unseres Plasma-Schilds ist damit behoben, und so sind wir bestens gewappnet gegen die von Paladin für die nächsten Tage angekündigten starken Flares von Proxima Centauri.
17:45 – Die DAEDALUS passiert Proxima Centauri b in einem Abstand von vier Millionen Kilometern. Mia macht den Vorschlag, den von Paladin entdeckten Planeten im Gedenken an Harry auf den Namen ›Cavanaugh‹ zu taufen. Wir sind alle damit einverstanden.
19:12 – Die von Paladin konstatierte Normalisierung des Triebwerks hält an, und die Raumtemperatur ist bereits um ein Grad Celsius gesunken.
Das zweite Erwachen
Persönliches Tagebuch von Joshua Feldmann, Kommandant der DAEDALUS, 26.12.2085
Heute, am zweiten Weihnachtsfeiertag, sind es drei Wochen her, seit wir aus der Kryostase aufwachten. Mit jeder Stunde entfernen wir uns weiter von Proxima Centauri. Es wird noch sechs Jahre dauern, ehe wir Alpha Centauri erreichen.
Jacob stattete Zegramulrob mit einer roten Weihnachtsmann-Mütze aus, was unsere ohnehin gute Stimmung noch weiter hob.
Logan hat an unserem besinnlichen Zusammensein kaum teilgenommen und sich stattdessen lieber wieder in die Daten vertieft, die wir im Vorbeiflug an Cavanaugh sammeln konnten. Sie werden ihn noch auf Jahre hin beschäftigen. Mittlerweile bin ich so weit, ihn so zu nehmen, wie er nun einmal ist. Am Ende – dies gilt es ja auch zu bedenken – ist die Arbeit hier an Bord der DAEDALUS ja unsere eigentliche Aufgabe.
Am Nachmittag zogen wir uns in die Kabinen zurück, und etwas später klopfte Mia bei mir an. Sie drängte mich, mir ein Video aus einem der ContempFiles anzusehen. Es handelte sich um einen Ausschnitt der Friedenskonferenz, die den Wasserkrieg von 2049 beendete. Tatsächlich war hier dasselbe irrtümliche Datum eingeblendet, auf das Mia bereits in einer der Textnachrichten gestoßen war. Ich gewann den Eindruck, dass sie sich hierdurch in ihrem vagen und nicht eigentlich artikulierten Verdacht bestätigt sieht. Ich hingegen bin der Ansicht, und so äußerte ich es auch gegenüber Mia, dass der Kompilator der Textnachrichten sich womöglich genau auf dieses Videofile stützte, als er den entsprechenden Text mehr oder minder unkonzentriert verfasste, und so den Fehler übernahm. Um Mia zu beruhigen, befahl ich Paladin sämtliche 416 ContempFiles auf Widersprüche hin zu durchforsten. Nach nur fünf Minuten konnte die Schiffs-KI bereits die Anzahl derjenigen Widersprüche nennen, die sich aus voneinander abweichenden Datumsangaben herleiten. Es handelt sich insgesamt um neunzehn Unstimmigkeiten, die Paladin aber – genau wie ich selbst – mit Blick auf die menschliche Fehlbarkeit als ›im Rahmen des Erwartbaren‹ bezeichnete. Er fügte hinzu, dass der einzige unbezweifelbare Schluss, den man aus diesen Widersprüchen ziehen könne, derjenige sei, dass die Kompilation von Menschen und nicht von einer KI angefertigt wurde. Um diese Angelegenheit im Sinne Mias nicht einfach abzutun, befahl ich Paladin, der nächsten Statusmeldung, die Richtung Erde hinausgeht, eine Liste der ermittelten Widersprüche mit Bitte um Korrektur anzuhängen.
Spät am Abend versagte die Kurzarm-Humanzentrifuge, die wir als Maßnahme gegen die physiologischen Veränderungen durch die Schwerelosigkeit dringend benötigen. Ich sagte Jacob, dass es mir unbegreiflich sei, wie ein Gerät, das erst drei Wochen in Betrieb ist, bereits Schaden nehmen kann, zumal es ja gründlich geprüft worden sein dürfte. Jacob wird sich morgen darum kümmern.
Mission Longshot IV, Logbuch der DAEDALUS, Kommandant Joshua Feldmann, 27.12.2085 (Auszug)
9:15 – Mia und Zegramulrob transportieren fünfzig Liter Nährstofflösung vom Stockroom ins wiederhergestellte GreenhouseLab.
10:20 – Jacob behebt den Schaden an der Kurzarm-Humanzentrifuge. Die Zeit, nämlich das bloße Verstreichen von vierzig Jahren,