Ausbeutung - made in Germany. Frank Mehler

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Ausbeutung - made in Germany - Frank Mehler

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Arbeitsschritt hier unten an der Presse. Dabei muss besonders Obacht gegeben werden, denn schnell ist das Werkstück leicht schräg angesetzt und das Werkzeug locht dann gewissermaßen nicht korrekt. Wenn das passiert, ist das ganze Tablett nur noch etwas für den Ausschuss und wandert in die Tonne. Genauso müssen wir auf Sprenkel und kleine verpresste Splitter achten, die die Oberfläche des Tabletts nicht gerade verschönern. Um diese Unschönheiten zu mindern, müssen wir das Stanzwerkzeug regelmäßig mit Baumwolllappen von unten her säubern. Das kostet natürlich jedes Mal Zeit. Doch noch mehr Zeit kostet es, die Sprenkel mit Schleifpapier wieder zu entfernen. Und selbst wenn man noch so gewissenhaft arbeitet, ist es manchmal verflixt.

      »Ich habe die Presse jetzt auf Lichtschranke umgestellt, damit wir im Durchlauf noch schneller werden«, sagt der Einrichter zu uns. »Allerdings müsst ihr jetzt genau aufpassen, dass ihr die Tabletts exakt in die Fassung einpasst. Ihr wisst ja, sonst habt ihr hier schnell Ausschuss produziert.«

      Mein Blick kreuzt sich mit dem des Kollegen, und im Grunde wissen wir ja, was wir davon zu halten haben. Aber wir sagen nichts. Es ist auch so klar für uns. Wir werden wohl qualitativ und quantitativ noch viel besser werden müssen.

      »Sagt mal, Jungs«, will der Einrichter wissen, »als Zeitarbeiter ist es doch manchmal auch gar nicht so schlecht. Ich meine, ihr kommt doch viel rum und habt bestimmt immer so eure Abwechslung, nicht?«

      »Na ja«, sage ich, »das mit der Abwechslung kann man jetzt so oder so sehen. Nur ab einem bestimmten Punkt steigt jedem Menschen die Flexibilität zu Kopf. Und als Zeitarbeiter ist es leider so: Wir müssen uns ständig aufs Neue beweisen und fangen mit jeder Arbeitsstelle faktisch wieder von vorne an. Das macht oft Kopfschmerzen!« Es sollte eine Anspielung auf die Kopfschmerzen sein, die bei mir durch das ständige Wummern der Hydraulik-Presse herrühren. Fast könnte ich schon wieder eine Tablette gebrauchen.

      »Ähm, ich habe gehört«, spricht der Einrichter nun direkt mich an, »dass du normalerweise Koch bist. Stimmt das?«

      »Ja, so ist es«, bestätige ich.

      »Wieso haben sie dich dann ausgerechnet hierher geschickt?«

      »Keine Ahnung. Vermutlich hatten sie gerade keine Kochaufträge gehabt. Aber ich denke, hier an der Presse kann ich mich ebenso gut neu beweisen.«

      »Stimmt auch wieder …«, sagt er. »Jungs, es ist nur wichtig, dass ihr die richtige Einstellung habt. In Metall ist das nämlich so: Bla, bla, bla …«

      Am nächsten Morgen: Der Kollege ist natürlich nicht fertig geworden. Ich hatte schon damit gerechnet, weil das Lochprogramm in einer Schicht einfach nicht zu schaffen ist. Jedes Tablett muss 3x gelocht werden, 3 x neu angesetzt und ausgerichtet werden, ganz zu schweigen davon, dass man sehr genau arbeiten muss.

      Ich schaue in die Wertstofftonne neben der Presse. Mindestens 20 Tabletts an Ausschuss liegen bereits drin. Weitere 20 hat mein Kollege auf den Tisch gepackt, die ich offenbar für ihn auf die Schnelle nachschleifen soll. Ich schaue genauer und sehe etliche Sprenkel und Kratzer auf dem Blech, was zusätzlich Arbeit bedeutet. Außerdem ist es ringsherum schmutzig und irgendwie will mir das alles gleich den frühen Morgen verderben. Zirka 400 Tabletts, schätze ich, muss ich selbst noch lochen. So beginne ich, zuerst das Lochwerkzeug von unten her mit einem Lappen zu reinigen.

      Die Zeit rast dahin: Wumm, wumm, wumm!

      Erst lochen, dann schleifen und schließlich schmirgeln …

      Nach gut 5 Stunden ranklotzen bin ich dann endlich fertig. Auch ich habe Ausschuss produziert. Aber eben nur ein Drittel von dem, was der Kollege fabriziert hat. Seine Tabletts, die er mir hingelegt hat, habe ich ein wenig mit nachgearbeitet, und ich sage mir: Ach, vielleicht hat er nur einen schlechten Tag gehabt.

      Ich gehe durch zwei Werkhallen und dann hinauf in einen Bereich, wo etliche Drehmaschinen stehen. Hier arbeiten diejenigen Metaller, die so richtig Ahnung von der Materie haben, und nicht solche Laien wie ich und der Kollege. Außerdem, wie ich inzwischen mitbekommen habe, sollen noch mindestens 3 Dutzend weitere arme Teufel vom Leihbudenverein im Betrieb tätig sein. Im Grunde sieht man die Unterschiede allein schon an der Bekleidung: Festangestellte haben bessere Blaukombis, besseres Schuhwerk, dazu erhellte Gesichter – fast jeder kommt mit dem Auto gefahren. Ich denke an die magere Bezahlung als Leiher. Den Rest kann sich dann jeder alleine denken. Ich warte heute noch auf die versprochene Wattehose und die Thermoweste von der Zeitarbeit. Was stattdessen kam, war ein lächerlicher Regenschirm mit Firmenslogan und eine Packung harte Müsliriegel, damit wir entsprechend mehr ranpowern können. Doch sage ich mir: Wenigstens habe ich ein Paar neue Arbeitsschuhe mit Stahlkappe bekommen. Na ja, ich habe sie nur bekommen, weil sie in der Metallbranche Pflicht sind. Schöne billige Arbeitsschuhe …, scheiß harte Botten!

      »Ah, bist wohl schon fertig geworden«, sagt mein Einrichter zu mir, als er an einer Drehmaschine gerade einen neuen Drehmeißel justiert.

      »Ja, eben gerade. Ich musste zwar noch etliche Tabletts nachschleifen, aber es ging so voran.« Das großartige Lamentieren darüber spare ich mir lieber.

      »Gut. Ich komme dann gleich rüber, ich muss hier nur noch kurz die Feineinstellungen vornehmen.«

      »Alles klar«, sage ich und gehe wieder.

      Während ich durch die Halle laufe, schaue ich links und rechts, was so passiert. Und plötzlich kommt mir das wie eine Abwechslung von der monotonen Arbeit vor, vom ewigen Hin- und Herbewegen der Bleche. Auch hier sind werktypische Geräusche zu vernehmen: Es wird gebohrt, gefräst und getackert, geschliffen und gebürstet. Arbeiter nieten irgendwelche Teile zusammen. Sie schweißen auch mit Lichtbogen-Geräten an speziell gefertigten Gehäusen. Ich vermute, dass es sich dabei um die Gehäuse der Sterilisationsöfen handelt. Und noch etwas habe ich bereits mitbekommen: Hier im Dreher- und Fräserbereich (in der so genannten Werkstatt) sind überwiegend mehr ostdeutsche Arbeitnehmer beschäftigt. Im Zuschnitt hingegen schaffen außer mir fast ausnahmslos »Altbundesbürger« ran. Die meisten Maschinen im Zuschnitt sind computergesteuert, und angeblich soll man dort auch einiges mehr an Geld verdienen. Allerdings wären dazu entsprechend höhere Qualifikationen erforderlich – uns Leihkräfte an der alten Hydraulik-Presse mal ausgenommen. Es gibt sogar einige böse Zungen, die behaupten, dass es bei den Ostlern genau an diesen Qualifikationen mangeln würde, und so höre ich selbst in diesen Tagen, im Jahre 2011 noch: ›Was habt ihr im Osten schon groß vollbracht? Die »Ruinen« der Ex-DDR haben deutlich gezeigt, wohin Sozialismus und Mangelwirtschaft führt. In den Untergang!‹

      Sind es nun tatsächlich die angeblich mangelnden Qualifikationen oder geht es hier nach wie vor um das Prinzip in einer ohnehin geteilten Tariffrage? Wie gut, dass wenigstens mein Einrichter, der ebenfalls oststämmig ist, noch mit einem Taschenrechner umgehen kann. Kann ich es überhaupt?

      Ich kehre zurück in den Zuschnitt und sehe sogleich, was man noch so alles mit einer guten Software und den vielen West-Qualifikationen anfangen kann.

      Dem Mannsweib an der Finn-Power scheint es gerade recht gut zu gehen – ihre Maschine hämmert und tackert vollautomatisch nach dem Programm. Meine Nachbarin sieht kein bisschen gestresst aus, sie sitzt in ihrem Sessel und spielt ganz entspannt Karten am Computer. Das ist so eine Art Zeitvertreib, damit es offenbar nicht zu langweilig wird. Auch ihr Kompagnon daneben, der den Laserzuschnitt programmiert hat, lässt es sich gerade bei Kaffee und Kreuzworträtsel ziemlich gut gehen. Der Kollege dahinter ebenso, der daneben, und der rechts von mir …

      Im Grunde ist es kein Wunder, denn ich habe gehört, dass der Leiter der Produktion gerade Urlaub macht. Aber eigentlich soll ich all diese Annehmlichkeiten des Stammpersonals gar nicht sehen und noch viel weniger

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