Ausbeutung - made in Germany. Frank Mehler

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Ausbeutung - made in Germany - Frank Mehler страница 15

Ausbeutung - made in Germany - Frank Mehler

Скачать книгу

weshalb ich wohl auch zu viel Zeit zum Nachdenken habe. Und ich warte und warte …

      Nachdem der Einrichter das neue Werkzeug installiert hat, sagt er zu mir: »Jetzt geht der Durchgang wieder von vorne los. Wie viel Zeit hast du noch?« Er schaut zur Uhr und beantwortet sich dann selbst die Frage: »Na ja, zwei Stunden sind es dicke noch. Ich denke, da schaffst du gut den halben Auftrag.«

      Ich sage nichts weiter dazu.

      1 Monat später: Ich schaue auf meine Abrechnung von der Zeitarbeit und kann genau ersehen, was dabei rauskommt, wenn man Volltags für einen Stundensatz von 6,70 € schuften geht. Ich kann es drehen und wenden wie ich will, es werden einfach nicht mehr als knappe neunhundert Euro Netto. Selbstverständlich sind da alle Schichtzuschläge bereits mit inbegriffen. Mir wird ganz komisch im Bauch und irgendwie habe ich noch in Erinnerung, dass das Stammpersonal der Metallhandwerker in derselben Firma, oft sogar für dieselbe Arbeit, so ungefähr das Doppelte an Lohn dafür rausbekommt. Das ist natürlich nicht besonders schön für uns Leihkräfte. Jedoch haut es dann das Fass zum Boden raus, wenn sich obendrein einige Spezies extra vor uns damit brüsten, was sich doch ein »fleißiger« Arbeiter so alles für fantastische Dinge leisten kann: Schicke Markenklamotten, der neue Golf, die extra Reise nach Las Palmas darf nicht fehlen …

      Ich selbst scheine Lichtjahre davon entfernt zu sein, und es sieht auch nicht unbedingt danach aus, dass ich in absehbarer Zeit mal selbst auf die Überholspur gelangen würde. Auch mein Einrichter gehört zu denen, die den Mund des Öfteren ganz schön voll nehmen – einerseits den Sozialen predigen, dann aber plötzlich wieder den Antreiber spielen. Ich habe den Eindruck, dass er sich mehr und mehr als eine Art Kleinkapitalist entpuppt. Und überhaupt scheint die Ideologie des Geldes einigen Menschen in den Kopf zu setzen, dass man auf Gott und Verderb immer mehr kontrollieren und besitzen muss – das schließt die Ausbeutung des Menschen mit ein. Es ist Kapitalismus. Es ist eben das, was ihn definiert. Und die feine über alles krönende Demokratie wird jedes Mal sagen: ›Liebe Menschen, liebe Bürger, so wolltet ihr die Geldwirtschaft haben. Das habt ihr gewählt!‹

      Tatsache ist auch: Der globale Finanzkapitalismus hat sich bis heute nicht mit einer Ideologie von Maßhaltung und einer Wirtschaft in Nachhaltigkeit vertragen, und es dürfte sehr fraglich sein, dass die jetzige Weltwirtschaft erkennt, sich als Teil der Natur zu verstehen. Wie auch, wenn ein genereller Grundwiderspruch besteht: Das Wesen des Kapitals liegt in der Profiterzielung. Diese basiert auf Wachstum – sehr viel Wachstum! Und oft kommen hohe Profite nur durch Plünderei der umliegenden Landschaften zustande.

      Oder anders herum: Ich als kleiner Zeitarbeiter bin einfach nur neidisch, wenn ich auf meine magere Abrechnung schaue und mir deshalb eben nicht all die schönen Dinge in dieser kapitalistischen Konsumwelt leisten kann.

      Aber egal ob im Kleinen oder auf den globalen Wirtschafts- und Klimabarometern im Großen gesehen, es sagt nur aus: Der moderne Turbo-Kapitalismus hat die Gier ganz klar nicht im Griff.

      Wiederum 1 Monat später: Für mich liegen 1000 neu zugeschnittene Bleche bereit. Daraus sollen am Ende möglichst genauso viele Tabletts werden. Auch das Werkzeug zum Beschneiden der Ecken ist bereits installiert. Ich kann also ohne Verzögerung gleich voll loslegen.

      Als ich mir den ersten Stapel Bleche zum Arbeitstisch hole, sehe ich, dass sie diesmal anderweitig zugeschnitten worden sind. Irgendwie sauberer, viel glatter, zumindest was die Schnittfläche anbetrifft. Dafür liegen heute umso mehr Späne zwischen den einzelnen Blechen, oder vielleicht ist es auch eine Art gesprühtes Material. Ich kehre die Bleche einfach ein bisschen ab.

      Später schaut der Pole um die Ecke und fragt: »Na, alles okay bei dir?«

      »Ja«, sage ich und staple mir nebenher neue Bleche.

      »Hab diesmal den Zuschnitt am Laser getätigt«, sagt er und kommt ein Stück näher. »Das kommen aber von den Büroleuten oben. Sehen doch ganz gut aus, oder?«

      »Ja, echt saubere Schnittfläche! Es liegen nur mehr Späne drauf als sonst.«

      »Späne? Na ja, der Laser halt ein wenig sprühen. Aber du hast ja einen Handfeger, wie ich sehen. Und sonst, machen es Spaß?«

      Er fragt das nicht zum ersten Mal, und ich sage ihm wie jedes Mal: »Es ist ziemlich monoton, aber das weißt du ja selbst.«

      »Schönes Wetter heute draußen, es scheinen Frühling zu werden …«

      »Ja …« Ich drehe mich kurz um und schaue ebenfalls zum Fenster, und tatsächlich sehe ich erst jetzt, wie schön es draußen geworden ist. Ich bin aber auch nicht blöd und merke genau, dass er eigentlich ein wenig Kontakt knüpfen möchte, weil ohnehin die Unterhaltung im Zuschnitt eher dürftig ist. Er scheint offenbar gerade ein wenig Luft zu haben. Ich höre, dass der Laser im Hintergrund arbeitet. Was er gerade ausbrennt, verrät er mir nicht. Ich frage auch nicht. Stattdessen frage ich: »Lohnt es sich immer noch in Polen zu tanken?«

      »Ja, aber nur in Grenznähe. Am besten man hat eine Autogasanlage installiert.«

      »Du wohnst in Grenznähe?«

      »Nein. Früher haben in Cedynia gewohnt. Jetzt ich wohnen hier.«

      »Aber du fährst doch zu Besuch zu deinen Eltern?«

      »Nicht so oft …« Er lächelt über irgendwas. »Du klingen auch nicht wie von hier.«

      »Ja, ich bin aus Sachsen«, sage ich, weil der Preuße das immer denkt, dass ich das bin, obwohl ich selbst ein Preuße bin.

      Ich schalte die Presse ein und er hebt die Hand – wir müssen wieder. Einen Blick werfe ich noch aus dem Fenster, es ist die kräftige Märzsonne, die so fasziniert.

      Der Pole ist mit Abstand der netteste Mitarbeiter im Zuschnitt. Eigentlich kein Wunder, wenn er ein Gastarbeiter aus Polen ist, zumindest wäre das nach seinem polnischen Autokennzeichen so zu vermuten. Und im Gegensatz zu mir kann er sich wenigstens ein Auto leisten, ein ziemlich neues sogar. Bei mir hingegen reicht es derzeit nicht einmal für ein gut gehendes Fahrrad. Doch eines verbindet uns dennoch: Wir beide wollen arbeiten, etwas bewegen, auch wenn unsere heimatlichen Wurzeln vom Lande herstammen.

      Es geht zur Sache: Ich schlage voll rein …, das heißt, ich bin gerade beim Lochen der Tabletts angekommen und will nun unbedingt meine Quantität etwas steigern. Zwar könnte ich mich genauso gut fragen, warum ich das bei der mageren Bezahlung überhaupt tue, aber genau diesen Punkt versuche ich heute, zu verdrängen. Es muss wohl vielmehr so sein: Ich hab schon die Taschen voller Geld – zumindest in den Träumen. Ich tue es, um mir selbst etwas zu beweisen, so eine Art Test. Nein. Damit der Einrichter nicht wieder rumnölt, dass wir zu langsam sind. Verdammt! Ich will einfach nur ordnungsgemäß den Auftrag erledigen.

      Nach gut fünf Stunden ist jedoch klar, dass ich ganz sicher keine neuen Rekorde aufstellen werde. Wie auch, wenn ich erst bei Tablett 430 bin. Scheinbar habe ich mir zu viel vorgenommen. Zwar ist es schön, wenn der Wille da ist. Nützt aber wenig, wenn der Motor die ganze Zeit über stottert.

       Warum suche ich überhaupt die Schuld bei mir, dass es nur schleppend voran geht? Soll ich das vielleicht sogar, damit andere es einfacher im Leben haben?

      Tatsächlich sieht die Sache nämlich so aus: Fast jedes 10. Tablett hat einen sichtbaren Sprenkel (eingepressten Metallsplitter) beim Lochen abbekommen, weshalb ich nun wie ein Blöder die Tabletts nachschleifen muss. Und obwohl ich das Werkzeug inzwischen nach jedem zweiten Lochdurchgang mit einem Öl-Lappen reinige,

Скачать книгу