Ausbeutung - made in Germany. Frank Mehler

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Ausbeutung - made in Germany - Frank Mehler

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als ein oder höchstens zwei Jahre diesen Job ausführen kann. Ich muss die Umstände dafür auch nicht länger beleuchten, selbst jetzt noch kann ich das Piken des Metallstaubes in meiner Lunge spüren. Fix hole ich mir neue Handschuhe und etwas Mineralwasser vom Spender, da ich gerade Zeit dazu habe.

      Hier drüben in der Werkstatt wird so alles Mögliche fabriziert – alles, was mit Sterilisationsöfen und anderweitigen medizinischen Geräten zu tun hat. Auf den ersten Blick ist es sicher interessant, es kommt dann nur darauf an, an welcher Stelle man eingesetzt wird. Und im Moment kann ich nicht einmal klagen, es ist abwechslungsreicher für mich geworden. Oder anders gesagt, ich mache mich bei meinen jetzigen Aufgaben noch nicht einmal tot. Ich führe verschiedene Bohrtätigkeiten aus – es sind Bohrungen für Schraub- und Nietverbindungen, die ich teilweise mit einem konischen Bohrer absenken muss, damit sich später die Verschraubung möglichst in die Gehäuseoberfläche einfügen kann.

      Ich stelle mein Mineralwasser ab und warte nun auf den Einrichter, der mir zum anstehenden Gewindeschneiden noch etwas zu erklären hat. Er kommt auch schon um die Ecke gefegt. Es ist nicht der Super-Muskelmann, sondern der ältere der beiden Vorarbeiter in der Werkstatt. Aber er schaut erst noch woanders.

      Zwei Minuten später dann: »So, jetzt bei dir weiter«, sagt er. »Hatte ich dir den Gewindeschneider vorhin schon gegeben?«

      »Ja, er liegt hier auf dem Tisch.« Ich reiche ihn rüber.

      »Gut. Also, die oberen zwei Bohrungen haben wir abgesenkt und in die unteren schneidest du jetzt das Gewinde. Ich zeige es dir kurz …« Er nimmt eine Edelstahlplatte und setzt an der entsprechenden Stelle an. »Siehst du, mit etwas Gefühl das Gewinde schneiden. Nicht ewig hin- und herdrehen und auch möglichst nicht verkannten dabei, einmal vor und wieder zurück. Dann probiere das jetzt bitte …«

      »Okay.« Ich gebe mir Mühe, und es geht tatsächlich leichter, als ich gedacht hätte.

      »Sieht doch ganz gut aus«, sagt der Einrichter. »Dann machst du genau so den Auftrag zu Ende.«

      »Sind noch mehr von diesen Teilen da?«, frage ich.

      »Oh ja, jede Menge. Aber, ich denke, heute wirst du höchstens 200 Stück schaffen. Ja, und falls nachher noch was ist, dann meldest du dich …« Er geht weiter zur nächsten Station.

      Ich schaue zur Uhr hinauf. Oh, zwei Stunden noch! stelle ich fest. Ich schaue zu meinem türkischen Kollegen rüber. Er grinst mich an, und er wird sich sicherlich seinen Teil denken. Vermutlich wird er wissen, woher ich komme und in welche Kategorie von Arbeiter ich einzustufen bin.

      Als ich später mit dem Gewindeschneiden überpünktlich fertig bin und selbst meinen Arbeitsplatz bereits gesäubert habe, fällt mir nichts Besseres ein, als den Besen noch ein bisschen weiter zu schwingen. Das findet natürlich Anerkennung und keiner sagt etwas dagegen, wenn ich Bohr- und Feilspäne anderer mit zusammenkehre.

      Ich hocke mit meiner Kehrschaufel gerade beim Türken und er fragt mich plötzlich: »Du sagen mal, kommen jetzt immer mehr von euch hierher?«

      »Keine Ahnung. Mich und meinen Kollegen haben sie jedenfalls zu euch hier rüber geschickt.«

      »Kollegen?«

      »Na ja, so in der Art …«, sage ich und mache eine Kopfbewegung, weil mein Kollege von der Zeitarbeit gerade kommt, aber gleich weiter geht. Er hat es verdammt eilig Richtung Waschraum.

      »Puh! Er ganz schön schwarz im Gesicht«, bemerkt der Türke und grinst wieder.

      »Ja, er hat wohl einiges geschluckt«, sage ich und grinse nicht. Trotzdem kann ich mir denken, wie ihm gerade zumute sein muss.

      »Ich haben gehört, ihr seien mindestens fünfzig bei uns im Betrieb …«

      »Ach, sind es doch so viele?!«, tue ich so, als ob. Aber wirklich erstaunt bin ich darüber nicht.

      »Ja, ganze Pin-Wand neben der Uhr ist voller Zeitkarten.«

      »Ich habe sie gesehen. Der Einrichter hat jedoch erzählt, dass die Aufträge vorerst zurückgefahren worden sind, zumindest an der Laufer-Presse.«

      »Ah, du waren drüben an der Presse …«

      »Ja, fast neun Monate lang.«

      Er schaut mich an und legt auf einmal die Stirn in Falten. »Jetzt ich verstehen. Du müssen da weg, sonst sie mehr zahlen müssen.«

      »Vermutlich«, sage ich. Natürlich weiß ich, dass es genau so ist. »Hat der Betrieb hier auch mal Zeitarbeiter übernommen?«, hake ich dennoch nach.

      »Ja, ich mich erinnern an einen. Aber der seien längst wieder weg. Nicht gut gewesen.«

      »Also, ist es derzeit nur noch ein Kommen und Gehen von Zeitarbeitern?«

      Er zuckt mit den Schultern.

      »Wie lange bist du überhaupt schon hier?«, frage ich direkt.

      »Oh, zwanzig Jahre jetzt …?«

      »Damals waren sicher noch bessere Zeiten«, sage ich so dahin und kippe den Kehrdreck in den Eimer.

      Er nickt dazu. »Wir damals hier ruhiger gearbeitet und mehr Zuschläge bekommen«, sagt er. Aber eigentlich will er mir etwas anderes sagen. »Seit so viel mit Zeitarbeit ist, ist auch schlecht für uns.«

      »Hm!«, mache ich und kehre in einer anderen Ecke weiter. Er wollte mir mit anderen Worten sagen, dass wir bei der Stammbelegschaft längst nicht mehr so willkommen sind wie noch vor Jahren, und das spüren wir jetzt. Den Personalchefs, die diese neue Arbeitspolitik ins Leben gerufen haben, traut er sich dies sicher nicht zu sagen.

      Heute bin ich beim Einnieten beschäftigt, das heißt, ich stelle Nietverbindungen zwischen zwei Metallteilen her. Mein jetziges Arbeitsgerät ist absolut klassisch – Baujahr 1932 steht darauf. Es hat also schon seine Dienste getan, als in Deutschland noch ein anderer Zeitgeist herrschte, und es arbeitet sogar nur rein mit Muskelkraft und Kraftübersetzung, sodass über ein ausgefeiltes Schneckengetriebe eine Druckkraft von bis zu 2 Tonnen erzeugt werden kann. Sonderlich schwer ist meine Aufgabe nicht: Ich lege das Werkstück auf den Nietteller, setze die Nieten ein – die Enden der Nietbolzen schauen dabei durch eine Ritze auf dem Nietteller –, und niete mit einem kräftigen Schwung am Handschwungrad des Arbeitsgerätes nacheinander die Nieten ein. Nach gut zwanzig Durchgängen hat man es locker kapiert, und dann wird es auch schon wieder monoton. Ich habe viel Zeit zum Überlegen, zum Überlegen über das Danach.

      Mein früherer Einrichter taucht plötzlich bei mir auf und fragt erstaunt: »Ach, haben sie dich jetzt hierher gesteckt?«

      »Ja, ich bin heute mit Nietverbindungen beschäftigt.«

      »Na ja, ziemlich eintönige Angelegenheit«, sagt er und kramt sogleich im ersten großen Blechschrank gegenüber an der Wand.

      »Och, für mich ist es schon eine Abwechslung«, bemerke ich. Für mich ist es immerhin was Neues, denke ich. Für ihn sicher nicht.

      »Ah, da sind ja die Messingstifte!«, sagt er erfreut und wirft den Schrank wieder hinter sich zu. Er kommt näher, schaut auf den Auftrag und grinst. »Man, Fränki, da hast du ja mindestens zwei volle Tage zu tun.« Er klopft mir auf die Schulter, geht und sagt noch:

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