Ausbeutung - made in Germany. Frank Mehler

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Ausbeutung - made in Germany - Frank Mehler

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Wie locker er auf einmal ist? Ach so! fällt mir wieder ein. Er ist ja nun auch nicht mehr zuständig für mich … Ich versuche, an etwas anderes zu denken.

      Leute kommen und gehen. Meistens suchen sie in den Blechschränken nach bestimmten Metallteilen, die von anderen Zulieferern herstammen.

      »Ey, bist du ein Leiher oder hast du jetzt bei uns angefangen?«, fragt ein Mann im blauen Schlosseranzug.

      »Ich bin ein Leiher«, sage ich.

      Keine fünf Minuten später stellt ein anderer fest: »Oh, ein neues Gesicht!«

      »Ja, ich bin der Neue«, sage ich.

      Eine ganze Weile vergeht, dann aber geht die Fragerei weiter: »Von der Leihfirma?«

      »Ja, von der Leihfirma«, bestätige ich.

      Wiederum später: »Hab ich dich nicht neulich erst drüben an der Laufer-Presse gesehen?«

      »Kann sein …«

      Einer, der schon mal da war und wieder etwas sucht, fragt: »Sag mal, lohnt sich das überhaupt als Leiher?« Er reibt den Daumen und Zeigefinger aneinander, er meint das Geld damit.

      »Eigentlich nicht«, sage ich.

      »Also, zum Leben zu wenig und zum Sterben zuviel?«

      »Ja, so ungefähr.«

      Er rümpft die Nase und geht wieder vor zu den Kollegen. Aber er hat wenigstens einmal einen Gedanken daran verschwendet.

      Zeit verstreicht. Ich gebe mir Mühe, perfekte Nietverbindungen herzustellen.

      In der nächsten Schicht brauche ich nicht lange zu warten und werde erneut gefragt: »Schon lange hier?« Offenbar ist das so eine Standardfrage.

      »Ja und nein«, lautet meine Antwort.

      »Also, jein!«, sagt der unrasierte Typ vor mir und grinst sich einen an die Backe. »Das ist gut, Kumpel. Du musst immer positiv denken, immer positiv …«

      Der Nächste fragt genau dasselbe: »Schon lange hier?«

      »Eine Weile«, antworte ich diesmal.

      »Dann lass dir die Weile aber nicht zu lang werden.«

      Die Nr. 3 steht auf der Matte: »Kann es sein, dass wir uns vor zwei Monaten schon mal gesehen haben?«

      »Bestimmt.«

      »Ah, unser Muskelprotz hat dir da Handschuhe für den Zuschnitt mitgegeben«, erinnert er sich.

      »So wird es wohl gewesen sein …«, sage ich.

      Die Nr. 4 fragt: »Ruhige Ecke hier hinten, nicht?«

      »Na ja, eigentlich nicht.«

      Die Nr. 5 wühlt erst im Schrank. Er findet, nach was er sucht uns schaut mich dann grinsend an. Er meint: »Irgendwie erkennt man euch immer gleich an der Kleidung.«

      »Ach, echt?«

      »Ja.«

      Selbstkritisch schaue ich an mir herunter. Bisher kam mir das gar nicht so vor. Nach wie vor trage ich meine Privatsachen bei der Arbeit. Die seit Monaten versprochene Arbeitsbekleidung ist nie bei mir angekommen – beim Kollegen ebenso nicht. Stattdessen schenkte man mir einen Stoffbeutel, einen Kugelschreiber, einen lächerlichen Regenschirm und zwei Tüten Lutschbonbons: Selbstverständlich alles in Verbindung mit dem dicken Werbeslogan unserer Leihfirma. »Du meinst die Schuhe?«, bilde ich mir ein und schaue wieder zu ihm auf.

      »Nee, so allgemein.«

      Schon klar, denke ich. Er meint damit, ich bin ein armes Schwein.

      Die Nr. 6 schreit: »Scheiße! Wo sind jetzt bloß diese verdammten 11er Federringe abgeblieben?«

      Ich zucke mit den Schultern.

      »Ach so«, erinnert er sich, »ihr Externen wisst das ja eh nicht.«

      Ein jeder macht so seine eigenen Feststellungen: Allgemein merke ich, dass Stammmitarbeiter (Facharbeiter in höherer Stellung) oft besser gelaunt sind und die Arbeit in der Regel überlegter angehen. Auch sie erkennt man sofort an der Kleidung. Reine Produktionshelfer hingegen kommen meistens aus der unteren Bildungsschicht. Sie meckern und nölen häufiger als die Facharbeiter, und doch sind sie als Festangestellte rechtlich weit besser gestellt, als wir externe Leihkräfte das sind. Für Festangestellte gilt der Tarif der IG Metall. Für uns Leihkräfte der Tarif der Zeitarbeit.

      Wir von der Zeitarbeit dürfen nicht nölen, nicht beklagen und nichts bemängeln. Wir Zeitarbeiter haben lediglich abzuarbeiten, was uns aufgetragen wird. Unseren eigenen Frust dürfen wir dabei kommentarlos herunterschlucken.

      Ich schlucke an einem mächtig dicken Brocken.

      Der Produktionsleiter kommt geradewegs auf mich zu und er sagt: »Es gibt Neuigkeiten für dich! Du darfst bald wieder den Kochlöffel schwingen.«

      »Den Kochlöffel schwingen?«, frage ich erstaunt.

      »Ja, du hast richtig gehört. Natürlich nicht bei uns im Betrieb, schließlich haben wir keine eigene Kantine hier. Aber du sollst dich morgen in deiner Firma melden, und die sagen dir dann konkret, wo du als Nächstes eingesetzt wirst.«

      »Also, heißt das jetzt, ich brauche ab morgen nicht mehr zu kommen?«

      »Ganz richtig. Aber es sind ja noch andere von euch hier. Na ja, und kochen ist doch schließlich eine feine Sache …« Er lächelt. Fast ist es ein süffisantes Grinsen, und er hebt leicht die Schultern …

      Ich weiß, was er eigentlich damit sagen will: Ich brauche dich jetzt nicht mehr, und nach dem wirtschaftlichen Optimierungsprinzip kann ich mich von deiner nun ganz einfach ohne Kündigung und ohne großartige Begründung entledigen. Und er will mir noch etwas sagen: Es ist doch wunderbar in so einer flexiblen Branche wie der Zeitarbeit zu arbeiten, wo man dann automatisch zum rastlosen Menschen gemacht wird. Aber ich kann mir auch selbst einreden, dass ich schon immer ein rastloser Mensch war. Wahrscheinlich habe ich das bisher nur nicht gewusst.

      »Na schön«, sage ich und kann dennoch keine strahlende Begeisterung rüberbringen. »Dann also wieder kochen. Und die Schicht heute soll ich noch normal zu Ende fahren?«

      »So ist es. Du machst den Auftrag fertig, und wenn dann noch Zeit ist, fragst du einfach den Meister, ob er eventuell für dich noch was hat.«

      »Okay. Kann ich damit rechnen, später wieder hier eingesetzt zu werden?«

      »Oh, natürlich! Schließlich hast du top Arbeit bei uns geleistet. Nur leider ist es immer eine Frage der Auftragslage, und derzeit …, na ja, wir wollen mal hoffen.« Er tritt etwas näher heran. »Also, alles Gute für dich …«

      »Danke!«

      Die Hand jedoch gibt er mir nicht. Er will nur schnell wieder gehen. Aber er scheint noch etwas vergessen zu haben: »Ach ja, und wenn du nachher gehst,

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