Ausbeutung - made in Germany. Frank Mehler

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Ausbeutung - made in Germany - Frank Mehler

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mehr wie Mühe geben, kann ich mir nicht. So versuche ich, das Beste daraus zu machen.

      Mit der Zeit, nach viel Schleifarbeit und einigen Überlegungen habe ich so einen Verdacht: Der viele »Ausschuss« entsteht, weil sie neuerdings die Bleche mit dem Laser zuschneiden. Der Laser sprüht, und er sprüht so feines Material auf die Oberflächen der Bleche, dass ich fegen und mit dem Lappen wischen kann wie ich will, es bleiben dennoch fast unsichtbar feine Metallblättchen zurück, die sich dann mit verpressen.

      Es ist kurz nach 1930 Uhr und ich beschließe, es vorerst zumindest dem Polen zu sagen.

      Es geht richtig zur Sache: Ich trete meine Spätschicht an und schaue als Erstes in die Tonne der Wahrheit. Die Tonne ist bis oben hin voller Ausschuss. Mich wundert es nicht. Mein Kompagnon, der Kollege, hat noch nie gerne Tabletts nachgeschliffen. Stattdessen raucht er gerade umso genüsslicher seine Feierabend-Zigarette.

      »Also, Jungs«, sagt der Einrichter, als er unser Arbeitspensum einmal genauer durchrechnet. »Wir ziehen hier ständig einen Faden hinterher, und der Faden wird dann von Woche zu Woche immer länger. Es muss so gearbeitet werden, dass die nächste Schicht, also du jetzt, einen ganzen Auftrag bewältigen kann.« Gemeint ist natürlich: Ihr seid zu langsam und wenn ihr nicht schneller werdet, dann hat das Konsequenzen. Er schaut nun konkret mich an: »Zum Beispiel hat dein Kollege vor zwei Stunden den neuen Auftrag angefangen, und wenn du jetzt gut weiterarbeitest, dann bist du wahrscheinlich so gegen 1900 Uhr schon fertig. Dann ist aber keiner mehr da, der die Presse für den nächsten Arbeitsschritt umbauen kann. Versteht ihr, ein Auftrag pro Schicht! Übrigens schaffen das unsere Leute hier ganz locker, und ihr beide müsst euch einfach nur richtig ins Zeug legen.«

      »Ja, weißt du«, bemerke ich, »neuerdings werden die Bleche auch mit dem Laser zugeschnitten, und komischerweise verpressen wir seitdem viel mehr kleine Metallblättchen als früher. Ich meine, wir schleifen uns dann dumm und dämlich …«

      »Dann müsst ihr das Werkzeug eben sauberer abwischen, und die 60 oder 70 Tabletts mit den Sprenkeln werft ihr halt gleich in die Tonne.«

      »Wie jetzt? Ich denke, wir sollen nicht so viel Ausschuss produzieren?«

      »Hm!«, macht der Einrichter und schaut nun ernster. »Du sollst nicht so viel denken, du bist nämlich schneller, wenn du noch 400 Teile mehr durch die Presse jagst, anstatt den Schrott 2 Stunden lang akribisch zu schleifen. Kapiert?!«

      Nun ist es soweit und ich lasse es heraus: »Weißt du, wie du redest, und weißt du überhaupt, was ich für die Maloche hier bekomme? Ich habe bei Vollzeit letzten Monat knappe neunhundert Eier auf die Hand gehabt, und jetzt soll ich noch einen Zahn mehr auf die Tube drücken? Hier unten bekommt man Kopf- und Rückenschmerzen, und von der kalten Zugluft, der wir ausgesetzt sind, will ich gar nicht erst reden …«

      »Schon mal mitbekommen, dass im Zuschnitt nach Akkord gearbeitet wird?«, fragt der Einrichter dagegen.

      »Bei uns kommt aber kein Akkordlohn an! Der kommt nur bei eurer Stammbelegschaft an. Die bekommen nämlich mehr als das Doppelte für vergleichbare Arbeiten gezahlt.«

      »Mag sein. Ich bin aber nicht die Personalabteilung! Das mit der Bezahlung müsst ihr schon mit eurer Zeitarbeit klären. Ich habe hier einen Auftrag zu erfüllen, und da habt ihr beide gefälligst mitzuspielen!«

      »Klingt für mich wie nach Ausbeutung. Von wegen einig Ossiland, sozialer Zusammenhalt und so ein Gelabere …«

      »Ach, halt doch die Klappe!«

      Die Wut steigt in ihm auf, und ich kann es deutlich in seinen Augen sehen.

      Der Kollege dagegen sagt nichts. Er raucht einfach nur seine nächste Zigarette. Fast scheint es so, als ob ihn das geforderte Arbeitspensum und die Bezahlung nicht sonderlich anheben tut.

      Der Einrichter deutet nun gezielt mit dem Finger auf mich und spricht Klartext: »Entweder du machst mit, oder du bist raus!« Er lässt uns stehen und geht kopfschüttelnd hinaus.

      »Und du, wie siehst du das eigentlich hier?«, frage ich den Kollegen. »Hast du auch eine Meinung dazu?«

      Er hebt die Brauen und sagt: »Ja, weißt du …, das mit dem Hungerlohn, das stimmt natürlich schon. Nur was sollen wir alleine dagegen tun?«

      »Na, wir müssen uns mit den anderen zusammenschließen!«, sage ich klar heraus. »Wir müssen uns organisieren, eine einheitliche Richtung strukturieren, uns formieren, und dann unsere Forderungen mit vereinter Kraft vor den Arbeitgebern demonstrieren.«

      »Ach, das ist doch alles viel zu anstrengend, das bringt höchstens nur noch mehr Ärger ein.« Darauf muss er erst einmal einen kräftigen Zug Nikotin nehmen. »Du müsstest doch selbst am besten wissen, wie viele Rechte du bei der Zeitarbeit hast. Glaub mir, niemand wird dir zuhören wollen, einen Betriebsrat gibt es nicht wirklich, geschweige denn eine Gewerkschaft. Was willst du da organisieren? Du hast ja selbst gehört: ›Entweder du machst mit, oder du bist raus.‹«

      »Also, würdest du niemals an einer Kundgebung für eine gerechtere Bezahlung mit teilnehmen, wenn dich andere Zeitarbeiter darum bitten würden?«

      »Ich sage dir, damit erreichst du nichts!«

      »Und ich sage dir, es wird noch viel schlimmer werden, wenn wir gar nichts dagegen tun!«

      »Okay. Geh du demonstrieren, ich mache solange hier …«

      »Ich war schon auf drei Kundgebungen gewesen und habe sogar einige Flyer mit verteilt.«

      »Und, hat dich jemand erhört?«

      Ich lege die Stirn in Falten. Zumindest hört er mir gerade zu und ich sage ihm: »Du wirst es nicht glauben, aber einige interessiert das schon.«

      »Ich gehe mal davon aus, dass es nach wie vor einige viel zu wenige sind.«

      »Ist gut«, sage ich. »Wir lassen das einfach im Raum hier stehen. Ich merke schon, Solidarisierung ist nicht so dein Ding. Und trotzdem prophezeie ich dir: Die da oben werden nicht aufhören, dir und mir, uns allen Arbeitern noch mehr Rechte wegzunehmen.«

      Er winkt nur ab und holt sich einen Stapel neuer Bleche ran. Da bleibt mir nichts anderes übrig, als nach Hause zu gehen.

      Mehr Quantität? Denkste! Wir sind kein bisschen schneller geworden – am allerwenigsten der Kollege. Wir reden kaum noch miteinander, eigentlich so gut wie überhaupt nicht mehr. Dafür hat der Kollege sich neuerdings viel mit den Stammmitarbeitern zu erzählen, und es sieht ganz danach aus, als ob er jetzt richtig gute betriebliche Kontakte knüpfen will. Meine Wenigkeit grüßt er zur Schichtübergabe nur flüchtig, aber fast allen anderen Maschinenbedienern drückt er extra die Hand. Offensichtlich ist das seine Art der Solidarisierung. Unter uns Zeitarbeitern hingegen – wie er schon sagte: ›Viel zu anstrengend der ganze Ärger!‹ Demnach bin ich der Querulant und er derjenige, der nun umso mehr Vitamin B aufbaut, oder so in der Richtung …

      Aus meiner Sicht ist er eben nicht der fleißige Arbeiter, für den er sich ausgibt. Er tut nur so, wenn gerade ein Vorarbeiter in der Nähe ist. In Wirklichkeit aber ist er faul und oberflächlich. Jedoch ist er auch einer, der andere ganz gut blenden kann. Fakt ist: In den letzten 3 Wochen hat er niemals mehr Stückzahlen erbracht, niemals sauberer gearbeitet und keineswegs weniger Ausschuss produziert. Er labert nur um den heißen Brei herum und hat für eigene Verfehlungen tausend Ausflüchte

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