Ausbeutung - made in Germany. Frank Mehler

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Ausbeutung - made in Germany - Frank Mehler

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seiner Arbeitseinstellung aussieht. Im Grunde sind wir auch gar keine richtigen Kollegen, wir sind vielmehr Einzelkämpfer, wenn nicht gar Konkurrenten. Das zeigt sich nun umso deutlicher, seitdem neulich ein paar ernste Worte gefallen sind.

      Mir ist klar, dass der Kollege versucht, sich bei den Einrichtern einzukratzen, damit er in das vermeintlich feste Arbeitsverhältnis kommt. Ich dagegen versuche, so gut wie möglich weiterzumachen. Ich sehe das so: Es sind nur rein die Aufträge in Metall wichtig, die abzuarbeiten sind. Hier wird nicht wirklich jemand von uns Zeitarbeitern fest eingestellt, hier wird lediglich mit einer Festanstellung gelockt, damit trotz Dumpinglohn dann auf akkordähnliche Weise gearbeitet wird.

      Wie mir längst zu Ohren kam, soll es bereits 3 Jahre her sein, wo der Metallbetrieb einen Zeitarbeiter übernommen hat. Altmetaller reden nur hinter vorgehaltener Hand darüber. Viele haben inzwischen selbst Angst um ihren Job – um die Metalltarifklasse, nach der sie derzeit noch ganz gut bezahlt werden. Manch einer traut sich dennoch und sagt uns Leihkräften ganz klar: Echte Perspektiven am deutschen Arbeitshorizont sind mit EU-Freizügigkeit und noch mehr Werkverträgen wohl eher nicht in Sicht.

      Und am Ende dann: Man hat eingesehen – sowohl die grauen Theoretiker aus dem Planbüro als auch der stellv. Produktionsleiter –, dass der Zuschnitt mit dem Laser eben doch nicht der effektivste Schritt vor der Bearbeitung mit der Hydraulik-Presse ist. Nun ist alles wieder beim Alten, und es wäre auch nicht das erste Mal gewesen, wie ein Insider an der Bandsäge verlauten ließ, dass die BWLer versuchen, die solide Praxis in Frage zu stellen.

       Ich bin dann mal schnell weg …

      Wenn der Hausherr nicht da ist, tanzen die Mäuse ein Fest auf dem Tisch! heißt es so schön aus der deutschen Literatur her. Oder anders herum: Die einen legen die Beine hoch, und die anderen sind plötzlich schnell verschwunden, um gewisse Wege zu erledigen, wie sie selbst zu sagen pflegen. So ist es meistens am Wochenende und an den Feiertagen, wo ich als Leiharbeiter dann ab und an die hochehrenvolle Aufgabe habe, die Stellung zu halten. Davon abgesehen kann es mir auch ziemlich egal sein, was das Stammpersonal in der Beziehung macht. Für mich selbst gilt: Der Leiher hat sich strickt an die Anweisungen des Entleihers zu halten und darf ohne ausdrückliche Genehmigung (Ausnahme im Brandfall) während der Arbeitszeit niemals seinen Arbeitsplatz verlassen!

      Es ist Samstagabend so gegen 1900 Uhr und viel geht nicht zur Sache: Der Pole scheint ein verlängertes Abendbrot zu machen, er isst süße Riegel und spielt nebenher Karten am Computer. Nein, jetzt steht er auf – ihm muss wohl gerade etwas »Sinnvolleres« eingefallen sein, um die verbleibende Zeit irgendwie rumzukriegen. Offenbar hat er heute so schnell vorgearbeitet, dass er blank noch einen Auftrag durch den Laser jagen könnte, wenn dies arbeitstechnisch unbedingt erforderlich wäre.

      »Na, seien alles klar bei dir?«, fragt er mich, als ich gerade die nächste Palette Alu-Bleche rankarre.

      »Ja«, sage ich. »Der eine Auftrag ist erledigt, und jetzt fange ich den nächsten an.«

      »Hm!«, macht er und rümpft nachdenklich die Nase. Er weiß schon ungefähr, wie die Produktionsleitung gerade verfährt. Das wäre dann Plan B zur Produktionssteigerung. Quasi zweimal hintereinander denselben Auftrag durch die Presse jagen, damit fünfmal das Umbauen der Maschine eingespart werden kann, und wir somit durchgängig fließender arbeiten können. »Man, es ist Wochenende!«, erinnert er mich daran. »Du müssen hier nicht ständig wie ein Blöder ackern … Ähm, sag mal, brauchen du irgendwas aus dem Supermarkt? Vielleicht was zu trinken, oder was zu rauchen?«

      »Ach, eigentlich nicht«, sage ich, weil ich aus meiner Sicht alles mithabe, was ich für die laufende Schicht brauche.

      »Gut. Ach so, du wissen ja bestimmt Bescheid. Was hier am Wochenende passiert, bleibt natürlich unter uns.«

      »Ist schon klar …«

      Er wollte es nur noch einmal sagen, damit ich nicht auf dumme Gedanken komme.

      Eine halbe Stunde später: Der Pole ist unterwegs. Vetter scheint hinten ›Indiana Jones‹ zu gucken, der Musik nach zumindest, und Schulze, der an der Finn-Power, putzt gerade keine 10 Meter von mir entfernt sein heiß geliebtes Rennrad. Das sagt mir: Hier wird offensichtlich bereits auf den Feierabend gewartet. Und es sagt mir noch: Ich müsste mich normalerweise eine Idee mehr anpassen. Scheiße nur, dass die Laufer-Presse eben nicht automatisch per Mausklick arbeiten kann. Ist auch kein Wunder, mein Gefährt ist bereits seit 1982 im Einsatz. Ich schaue dennoch für die nächsten 10 Minuten aus dem Fenster und dann auch kurz vor das Waren-Annahmetor – es ist die abendliche Maisonne, die mich für einen Moment so wunderbar entspannen lässt.

      Eine junge Dame kommt über den Hof gelaufen und steuert geradewegs auf mich zu. »Hallo!«, sagt sie mit freundlicher Stimme. »Ich möchte nur mal schnell den Herrn Vetter überraschen.«

      »Aber immer hereinspaziert«, sage ich ebenso freundlich, »… er muss hinten an der Bandsäge sein.«

      »Schön …« Sie grinst verschmitzt und geht rein, und ich grinse ihr hinterher. Ich kenne sie bereits, sie ist nicht das erste Mal zum »Zeitvertreib« hier.

      Wenig später kommt ein nagelneuer Insignia direkt vor die Laderampe gefahren. Es ist der Pole, der gerade vom Supermarkt-Ausflug zurückkehrt.

      »Ah, du beschneidest ja immer noch die Ecken«, sagt er, als er mit zwei 6er-Packs Cola an mir vorbeimarschiert.

      Ich sage nichts und beschneide meine Bleche weiter im gewohnten Takt.

      Wiederum nicht viel später: Vetter stolziert guter Dinge mit seiner schicken Freundin vorbei, grüßt lässig ab und sagt: »Ich bin dann mal schnell weg …«

      MC Doof! vermute ich. Sie gehen jetzt essen … Auch das wäre am Wochenende keineswegs neu für mich.

      Ich weiß nicht so recht, aber irgendwie haben die mich angesteckt, und ich erinnere mich plötzlich wieder an die Worte, die Vetter bereits Ostern zu mir gesagt hat: ›Immer mit der Ruhe. Als Leiharbeiter musst du hier keine Rekorde brechen.‹ Und er als Vorarbeiter und Einrichter aus dem »goldenen« Westen muss es eigentlich noch am allerbesten wissen.

      2

      Nach fünf Monaten im Zuschnitt stelle ich Veränderungen an mir fest. Ich wache des Nachts öfters in Unruhe auf und höre das Wummern der Presse. Ich habe Probleme mit meinen Händen, genauer mit den Gelenken in den Fingern, die mir mittlerweile fast jeden Morgen wie steif und verkrampft vorkommen. Es dauert dann jedes Mal eine Weile, bis das Gefühl und die Beweglichkeit wieder zurückkehren. Allgemein sind meine Hände irgendwie lederartig geworden, als ob sie schon über 70 Jahre alt wären, obwohl ich sie tagtäglich eincreme und sie auf der Arbeit meistens in öligen Handschuhen stecken. Doch gerade dieses Spezial-Öl zum Tiefziehen der Bleche muss es molekular in sich haben: Es reizt die Haut, vielleicht nicht unbedingt so schlimm am Anfang, doch dann kommt es mit den Monaten, und es scheint sich auch indirekt mit auf die Gelenke auszuwirken. Ich gehe von bestimmten Stoffen aus, die im Öl-Gemisch enthalten sind, die ich dann über die Haut mit in meine Knochen und Finger-Gelenke aufnehme. Oder eben ich liege total falsch und bilde mir das alles nur ein. Wahrscheinlich habe ich schon immer so eine Art Arthritis gehabt und suche bloß einen plausiblen Grund, um endlich vor der ätzenden Maschine flüchten zu können. Ich spiele quasi mit dem Gedanken, aufzuhören. So muss es wohl sein: Selbst von den Stammmitarbeitern ist dazu durchgesickert, dass kaum einer wirklich lange an dieser öligen Presse durchgehalten hat. Allein schon wegen der aufkommenden Rückenschmerzen, die auf Dauer durch die stundenlange gebückte Arbeitshaltung entstehen.

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