Ausbeutung - made in Germany. Frank Mehler
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Ausbeutung - made in Germany - Frank Mehler страница 4
Sie schiebt mir die Empfangsbestätigungen zu. »Hier und hier unten bitte auch unterschreiben …«
Der Skeptiker in meinem Gehirn hat inzwischen abgeschaltet, oder eben einfach kapituliert. Ich unterschreibe bedingungslos und weiß noch nicht einmal zur Hälfte, was in den speziellen Vertragsrichtlinien geschrieben steht. Verdammt! Alles nur, weil ich muss, denke ich. Von wegen Freiheit! Friede – Freude – Marktwirtschaft! Ich bin gar nicht frei. Ich bin hier gezwungenermaßen … Und mein Gegenüber kann sich sicher denken, dass ich arm dran bin. Wer geht auch schon freiwillig zur Zeitarbeit, wenn er noch andere Möglichkeiten hat? Nicht besonders glücklich schiebe ich die Formulare wieder über den Tisch und bekomme meine persönlichen Papiere zurück.
»Schön, Herr Frank. Wie Sie sehen, kann es heutzutage auch ziemlich schnell mit einer neuen Arbeit gehen«, sagt sie recht zufrieden und wirft einen Blick zur Uhr.
Oh ja, denke ich, von nun an werde ich wohl ihr kleiner Arbeitssklave sein.
»Nun«, fährt sie fort, »da Sie ohnehin Koch von Beruf sind, gehe ich davon aus, dass Sie bereits Arbeitsbekleidung besitzen. Wenn Sie aber noch etwas benötigen, Arbeitsschuhe vielleicht, können Sie diese selbstverständlich genauso von uns bekommen. Allerdings müssten Sie diese bezahlen.«
Nichts wird einem mehr geschenkt! Ich erinnere mich: Der letzte Arbeitgeber hatte Bekleidung und Schuhe noch betrieblich gestellt. Zwei Paar intakte Arbeitsschuhe hatte ich gestern erst herausgekramt. »Alles da«, sage ich.
»Okay. Jetzt müssen wir nur noch …« Klingeling! – ihr Handy klingelt. »Entschuldigen Sie kurz …« Schon spricht sie in den zweiten Kanal: »Ja, Lehmann, Personalleasing …, ja, ich verstehe …, bla, bla, bla …«
Es klopft an der Tür. Die Tür zum Büro geht auf. Der Kopf eines jungen Mannes lugt um die Ecke. Er schaut an mir vorbei und sagt im gebrochenen Deutsch: »Ich kommen wegen Arbeitsvertrag …«
»Bitte noch einen Moment«, sagt die Personalerin, lächelt kurz und spricht sogleich weiter auf Kanal 2: »Kommen Sie doch am besten morgen, sagen wir so gegen Vormittag, ins Büro, dann können wir das hier klären. Bla, bla, bla …«
Der Kopf des jungen Mannes verschwindet wieder. Dafür kommt aus dem Nebenbüro eine andere junge Dame und legt der Personalerin einen Zettel auf den Tisch. Die Personalerin sagt: Danke! und nickt in meine Richtung, woraufhin auch die zweite Dame mir ein nettes Lächeln schenkt, uns dann aber schnell wieder alleine lässt.
»So, Herr Frank, wo stehen wir gerade?« Sie starrt auf den Zettel. »Ah ja! Sie müssen natürlich noch wissen, wohin morgen Ihr erster Einsatz geht.«
»M-hm«, bemerke ich kleinlaut und doch voller Erwartung.
»Das wäre dann bei Frisch & Lecker, Industriestraße 100 in Sonnenfelde. Es ist nahe der Autobahn, oder vom Bahnhof aus nur zwei Busstationen entfernt. Ein Katzensprung quasi. Ihr Dienst beginnt 900 Uhr und endet um 1600 Uhr, und der Ansprechpartner wäre: Frau Meier. Sie wird Sie dann entsprechend am Arbeitsplatz einweisen. Ich nehme an, Sie haben eine Monatsfahrkarte für Bus und Bahn?«
»Ähm, noch nicht. Aber ich werde mir gleich nachher eine besorgen.«
Sie schaut kurz zum Fenster. Es schneit gerade draußen. »Tja, Herr Frank, Sie sehen ja selbst, was draußen los ist. Da sind öffentliche Verkehrsmittel wohl immer noch die beste Lösung.«
Ich nicke. Denke jedoch: Glaubt sie etwa, dass ich mir bei der Bezahlung ernsthaft noch ein Auto leisten kann? Natürlich bin ich auf Bus und Bahn angewiesen …
»Ach, und vergessen Sie nicht, Sonnenfelde liegt bereits im C-Bereich. Bitte führen Sie auch stets Ihren Personalausweis und die arbeitsrelevanten Nachweise mit, das ist wichtig!«
»Gut. ABC-Bereich für den Nahverkehr lösen und stets die Papiere mitführen. Wie lange bin ich überhaupt an diesem Einsatzort?«
»Erst einmal für den Rest der Woche, einschließlich nächste Woche. Sie bekommen dann rechtzeitig von uns Bescheid, wie es weiter geht. Günstig wäre natürlich, wenn Sie ihr Handy immer am Mann behalten, da sich auch zwischenzeitlich schnell wieder etwas ändern kann.« Sie steht auf und geht zum hinteren Aktenschrank. Ihr scheint zu meiner Arbeitsaufnahme noch etwas eingefallen zu sein.
Ich stehe ebenfalls auf. Ich warte und sage nur so: »Na, hoffentlich wird das Wetter bis morgen ein wenig besser.«
»Aber ganz bestimmt, wir müssen hier immer optimistisch denken.« Sie zieht eine rote Mappe hervor und einige Zettel. Damit kommt sie wieder zu mir an den Tisch. »So, fast hätten wir doch das Wichtigste vergessen«, sagt sie. »Sie müssen diese Stundenzettel hier führen, damit Sie pünktlich Ihr Geld bekommen, und eine schöne rote Mappe für Ihre Unterlagen bekommen Sie außerdem mit dazu. Schauen Sie bitte kurz!«
Sie hält mir ein Musterbeispiel unter die Nase. Idiotensicher, denke ich.
»Wie Sie ja sehen, ist es eigentlich ganz einfach: Ihr Name hier oben, die Anschrift des Vertragspartners, Datum und Uhrzeit von wann bis wann gearbeitet wurde. Und natürlich die Unterschrift des Vertragspartners nicht vergessen. Die Stundenzettel müssen dann wöchentlich abgegeben werden, das gilt auch für den letzten Tag des laufenden Monats. Aber dies steht alles noch einmal ausführlich hier hinten drauf.« Sie schiebt die Stundenzettel in die Mappe und reicht diese mir. »So, Herr Frank, und jetzt kann ich Ihnen nur noch einen guten Start in den neuen Job wünschen.« Lächelnd streckt sie mir ihre Hand entgegen.
Ich greife zu. »Danke!«, sage ich. »Das kann ich wirklich gebrauchen …«
»Gut. Dann einen schönen Tag noch …«
»Ebenfalls …«
Ich versuche, den Strahlemann zu mimen. Ich bin optimistisch. Nur eben – sie hat sich bereits abgewandt.
Ich verlasse das Büro und sehe draußen zwei weitere Kandidaten sitzen. Ein junger Schwarzafrikaner und das Gesicht, das ich schon zuvor gesehen hab. Im Gesamtbild wirkt er ein wenig abgefackt und er sieht auch nicht mehr so freudestrahlend aus, als er kurz zur Tür bei der Personalerin reingeschaut hat.
Im Treppenhaus kommt mir ein weiterer Mann entgegen, der offensichtlich gleichermaßen auf dem Weg ins Personalbüro ist. Ich erkenne das an seiner halb geöffneten Tasche, aus der eine knittrige Kochhose lugt. Fast bin ich mit den Gedanken selbst schon in der Küche angekommen. Aber dennoch komme ich mir irgendwie überrumpelt vor.
Der 1. Tag: Es ist kalt und noch ziemlich dämmerig. Windig ist es und es schneit. Aber das wirklich Ätzende ist, dass die Uhr heute Morgen so verdammt schnell laufen will. Ich sehe zu, dass ich flinke Füße bekomme.
Von wegen die Arbeitsstelle ist gleich um die Ecke vom Bahnhof, und alles kein Problem mit dem Bus, wenn nur einer fahren würde. Außerdem fährt der Bus nur stündlich, wie ich an der Haltestelle dem Fahrplan entnehmen kann, und leider ist es auch so, dass, wenn der Zug ankommt, der Bus dann quasi schon weg ist. Tolles Timing! sage ich mir. Eben ideal für Rentner.
Ich bin seit gut 2 Stunden unterwegs – extra früh aufgestanden