Ausbeutung - made in Germany. Frank Mehler

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Ausbeutung - made in Germany - Frank Mehler

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2. Tag: In der Nacht hatte ich einen bösen Traum gehabt. Töpfe mit Armen und Beinen bedrängten mich. Teller tanzten um mich herum, und auch Tassen mit grinsenden Mündern, die in einem fort so ein ätzendes Lied aus der Spülküche sangen. Das klang wie: Spül, spül, spül …, als Spüler ist es cool. Hier ein Klecks und da ein Klecks, Sabber kratzen ist ganz nett, spül, spül, spül …, als Spüler ist es cool …

      Und auch jetzt, wo ich wieder in der Spülküche stehe, will mir der Ohrwurm nicht wirklich aus dem Kopf gehen. Egal …, sage ich mir, damit muss ich leben. Ich denke daran, dass es ja nur vorübergehend ist, und nicht für die nächsten 20 Jahre. Ich denke einfach nur positiv.

      Der junge Koch hat sich bei mir mit Florian vorgestellt, kurz Flori. Ich brauche nun nicht mehr so förmlich Sie zu ihm zu sagen, er fühle sich noch nicht ganz so alt wie die werten Kolleginnen, wie er vorhin zu mir meinte. Er brachte mir ein Mineralwasser mit, das ich jetzt trinke. Anscheinend wollte er nur ein bisschen auf kumpelhaft erscheinen.

      Gegen Mittag werde ich dann mit Geschirr wieder voll eingedeckt. Ich halte mich ran und komme dennoch mit dem Abräumen, dem Abkratzen der Teller und dem Auflegen auf das Maschinendurchlaufband kaum hinterher. Mir fallen fast schon die Teller aus der Hand, den letzten konnte ich gerade noch so retten. Ein ganzer Wagen voll mit Sondergeschirr wird zu mir hereingeschoben – Geschirr vom hauseigenen Konferenzservice oder irgendeiner anderen Sonderveranstaltung.

      »Sie müssen heute schneller arbeiten!«, drängelt eine der Damen aus der Küche.

      »Ja, ich mache ja schon!«, rufe ich zurück.

      »Es kommt gleich noch ein Wagen voll …«

      Scheiße! denke ich. Wie soll ich da bloß mit dem Abräumen hinterherkommen? Ich versuche, systematisch ranzugehen. Ich spüle einfach nur weiter.

      Zwei Stunden später dann: Die Sache ist nun definitiv klar – ich stehe mittendrin im Spülküchenmodder! Das ganze Grobe vom Mittagsgeschäft kommt zu mir herein: Pfannen und Töpfe, zwei angebrannte Töpfe, Schneidebretter und haufenweise verkrustete Auflaufschalen. Ich kratze beflissen die Speisereste ab und sehe ziemlich befleckt bei der Arbeit aus. Mir fällt ein, dass eine Gummischürze gleich um die Ecke am Haken hängt. Fix ziehe ich mir diese über.

      Zum Feierabend bin ich richtig geschafft, ich habe wohl mindestens 150 Prozent über dem Durchschnitt gegeben. Geredet hat großartig keiner mit mir. Auch hat sich niemand bedankt, dass ich sogar 10 Minuten länger gespült habe. Sicherlich hatte auch keiner Zeit dazu gehabt.

      3. Tag: Voll im Bilde schaue ich über Töpfe, Pfannen und Schüsseln hinweg. Alles Mögliche wird heute gebracht. Teller stapeln sich meterhoch und eigentlich ist der Ablauf im Spülbereich so ziemlich immer derselbe. Quasi bin ich nun so gut wie eingearbeitet – kurz und schmerzlos im Schnellverfahren. War auch nicht sonderlich schwer gewesen, zumindest was das Geistige anbetrifft. Aber noch etwas merke ich laut Dienstplan und vom Hören und Sagen: Ich bin weiß Gott nicht der erste Zeitarbeiter in dieser Küche. Das betrifft insbesondere das Spül- und Reinigungspersonal!

      In der zweiten Arbeitswoche: Ich spüle und spüle und bilde mir ein, weil ich nicht sitze, nicht gelangweilt umher stehe und weniger Pause mache, als mir zusteht, dass ich mich normalerweise ganz gut eingebracht habe. Zwar muss mir nach wie vor im dicksten Mittagsgeschäft mit unter die Arme gegriffen werden, doch allein bei 300 Essern ist es einfach nicht zu packen. Nebenher liebäugle ich mit den Töpfen und Pfannen und denke an meine alten Kochzeiten zurück; ich hoffe ein wenig, oder eben ich gebe die Hoffnung noch nicht ganz auf.

      »Also, junger Mann«, kommt die stellvertretende Küchenchefin zur Sache, »das muss hier jetzt alles ein bisschen schneller gehen!«

      Kühlen Blickes lädt sie ihre schmutzigen Mitbringsel ab, und ich schaue sie erstaunt an. Dabei dachte ich schon, aber ich habe wohl falsch gedacht.

      »Wissen Sie, eigentlich müssen Sie hinten noch die Kühlhäuser wischen und letzten Freitag haben Sie auch die Friteuse nicht sauber gemacht. Das Trockenlager wurde nicht gereinigt, das Getränkelager, und in den oberen Fettabzügen über der Kochstraße und der Ausgabe befinden sich spezielle Gittereinsätze, die müssen ebenso mit durchgelassen werden …«

      »Nun ja«, sage ich, »Sie haben mir bisher auch nicht gesagt, dass dies zu meinen Aufgaben gehört.«

      »Na schön, dann wissen Sie es eben jetzt!«

      »Hm!«, mache ich. »Soll ich nun erst einmal die Kühlhäuser wischen?«

      »Ja, ich bitte darum …, und vergessen Sie nicht, die Regale mit Desinfektionsmittel abzuwischen. Die Rollwagen können Sie solange in den Flur hinausschieben.«

      »Okay, wie Sie wünschen …«

      Ich bin bedient. Nein. Ich hätte es mir irgendwie denken können.

      Im Kühlhaus gebe ich mir ganze Mühe. Doch entdecke ich auch Dreck, der gewiss nicht von den letzten paar Tagen herstammt. Es sind die Ecken in den Regalen und besonders die dunklen Ecken hinter den Regalen, wo sich der Dreck festgesetzt hat. Weil ich mich in der Sache gut auskenne und über die Wirklichkeit in Verbindung mit Oberflächlichkeit Bescheid weiß, ist mir auf jeden Fall klar: Ich bin ihr neues Aschenputtel, das jetzt hier ran muss.

      Ich kratze den Keim aus den Ritzen und schrubbe ganz beflissen über die Fliesen, wische dann nach, und selbstverständlich spare ich mir jede kleinliche Bemerkung. Es steht einem Leiharbeiter nicht zu, die Betriebswirtschaft des Entleihers zu kritisieren.

      2 Tage später: »Wenn Sie hier mit dem Besteck fertig sind, können Sie noch die zwei Kühltruhen im hinteren Lagerraum reinigen. Abgetaut sind sie schon, und bitte auch dort das Desinfizieren nicht vergessen. Na ja, Sie wissen ja ungefähr …«

      Ich nicke nur und trockne die restlichen Bestecke ab. Ich kann es kaum erwarten, mich auf meine neue Aufgabe zu stürzen.

      Überrascht bin ich nicht, als ich in die zwei Kühltruhen blicke. Der blanke Keim grinst mich an, und ich sage mir: Na ja, sonst müsste ich sie wohl auch nicht sauber machen. Nur frage ich mich genauso, was das dann für eine fleißige Spülkraft sein muss, die ich hier gerade vertrete. Und wieso hat die aufgeblasene Köchin es ausgerechnet auf mich abgesehen? Aber nach gut einer Woche brauche ich als Spülmann mir keine großen Illusionen mehr zu machen: Arbeitsmäßig bin ich nun die unterste Schiene und selbst die drei fest angestellten Küchenhilfen im Haus sind besser dran als ich. Vermutlich weil sie immer so fleißig waren, und ich offenbar im Leben nicht richtig aufgepasst habe, was aus mir wird, und wo ich dann lande, absolut freiwillig zum Leiharbeiter geworden bin, und deshalb dürfen mich jetzt sogar die Küchenhilfen kommandieren. Nichtsdestotrotz behalte ich all den geistigen Dreck für mich. Ich schlucke quasi den Spül- und Putzmannfrust hinunter. Es ist leider so: Ich darf beim Auftraggeber laut Leihvertrag keinesfalls etwas bemängeln.

      Eine Unterschrift bitte! Ich lege meinen Stundenzettel vor. Alles darauf ist fein säuberlich ausgefüllt. Noch nicht einmal die 10 Minuten weniger Pause tagtäglich habe ich abgezogen. Es sollte ein letztes Entgegenkommen meinerseits sein.

      »32, 5 Stunden wären es dann diese Woche«, sage ich.

      Die stellvertretende Chefin schaut nach und rümpft die Nase. Es zeugt von nicht wirklicher Zufriedenheit.

      »Also, wissen Sie«, sagt sie, »ich weiß nicht, ob es mir nur so vorkommt, aber irgendwie seid ihr Zeitarbeiter alle ein bisschen langsam oder vielleicht nicht richtig bei der Sache. Ist das so eine Art Berufskrankheit

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