Schwarzer Kokon. Matthias Kluger
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Читать онлайн книгу Schwarzer Kokon - Matthias Kluger страница 10
»Papa?«, fragte Veronika, doch sie erhielt keine Antwort. Insgeheim hoffte sie, dass Mr. Baine hinter ihr stand.
»Rate weiter«, bat eine sich verstellende Männerstimme.
»Scott, Jake, Elijah?«, zählte Veronika auf, obwohl sie etwas enttäuscht bereits ahnte, dass es nicht Mr. Baines, sondern Thomas’ Hände waren, die sie spürte.
»Du bist und bleibst ein Biest!« Lachend drehte er Veronika zu sich herum, setzte sich und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
»Hallo, mein Jüngling, wie geht es dir?« Veronika blinzelte Thomas übermütig an. Seine Haut hatte sich zum Glück von der lästigen Akne befreit.
»Mir geht es blendend, jetzt, da ich dich endlich gefunden habe. Warum sehen wir uns so selten – nur einmal im Jahr zum Sommerball?«
»Du bist selbst daran schuld! Würdest du mich öfter besuchen, müsste ich mich nicht mit Mutter auf Tea Partys langweilen.«
»Das lässt sich doch ändern. Wir fangen gleich damit an, denn ich werde heute Nacht nicht von deiner Seite weichen.«
In diesem Augenblick sah Veronika Mr. Baine auf sie zukommen. »Da wirst du mit unserem Gastgeber reden müssen. Er hat darauf bestanden, mit mir den Ball zu eröffnen.«
Thomas stand höflich auf und begrüßte Baine. »Mr. Baine, mein Kompliment für dieses schöne Fest. Wie ich soeben erfahren habe, wollen Sie mir meine Freundin für den Eröffnungstanz entführen.«
Die forsche Formulierung von Thomas, seine Freundin zu sein, verärgerte Veronika ein wenig.
»Keine Sorge, mein liebster Thomas, Miss Turner ist bei mir in den besten Händen. Darf ich bitten.« Er reichte Veronika seinen Arm, den sie mit einem Knicks sowie einem zu Thomas gerichteten Augenzwinkern ergriff.
»Sie haben mir gar nicht verraten, dass Sie in festen Händen sind«, kam Clexton auf dem Tanzparkett sofort zum Punkt. Doch ehe Veronika darauf antworten konnte, begannen die Musiker mit dem Eröffnungstanz.
Clexton stieß Veronika sanft von sich und sie bewegten sich entgegengesetzt nach hinten, um nach einer Drehung wieder einander zuzutanzen. Fest ergriff Clexton Veronikas Taille, als sie sich gemeinsam im Takt der Musik drehten.
»Vielleicht scheint manches nicht so wie auf den ersten Blick«, begann Veronika mit Clexton zu flirten.
»Wie scheint es denn?«, fragte Clexton ernst, während er Veronikas Hüfte etwas fester umschloss.
»Mir scheint, Sie haben mich gerade gut im Griff«, antwortete Veronika schnippisch in Anspielung auf Clextons Hand an ihrer Taille.
Lächelnd flüsterte Clexton in ihr Ohr: »Daran könnte ich mich gewöhnen.«
Veronika wurde es sichtlich warm. Clextons direkte Art war ganz und gar die eines erfahrenen, erwachsenen Mannes. Ganz anders als die Burschen sonst um sie herum. In diesem Augenblick wurde ihr bewusst, dass sie sich mehr für diesen Mann interessierte, als sie zugeben wollte. Verwirrt von diesem Gefühl blickte sie in die Reihen der Zuschauer, die sich rund um die Tanzfläche eingefunden hatten. Ihr Blick fiel auf Thomas, der sie sichtlich beleidigt aus der Menge heraus beobachtete.
Als die Kapelle das zweite Musikstück spielte und sich die Tanzfläche zu füllen begann, tänzelte Veronika mit Clexton an der Hand seitlich zur Bank, auf der sie vor wenigen Minuten noch mit Thomas gesessen hatte.
»Ihre Gegenwart stimmt mich sehr glücklich, liebste Veronika, doch bin ich verunsichert …« Clextons und Veronikas Wangen berührten sich leicht – und dies nicht nur der lauten Musik wegen.
»Oh, Mr. Baine, wenn es Ihnen unangenehm ist und ich Sie verunsichere …« Veronika rutschte verspielt ein wenig zur Seite. Clexton umfasste wieder ihre Taille und zog sie zu sich heran. »Mr. Baine, was sollen die Gäste denken?« protestierte Veronika.
»Welche Gäste, hier und jetzt gibt es nur Sie und mich.«
Um Veronika war es geschehen! Sie verbrachten den ganzen weiteren Abend zusammen und verabredeten sich fürs Wochenende zu einem Ausritt.
Ein Jahr später, im Sommer 1729, feierte Veronika Baine, ehemals Turner, Hochzeit im gleichen Garten, in dem sie sich auf dem Sommerball Clexton Baine verschrieben hatte.
Das Verhängnis
Charleston, South Carolina, 1732
Wieder einmal wach, lag Clexton in seinem Bett und vernahm das ruhige, tiefe Atmen seiner schlafenden Frau Veronika. Er lauschte auf Jos, konnte aber aus der kleinen Wiege, die direkt vor dem Ehebett stand, nichts hören. Es muss Mitternacht sein, dachte Clexton, unterdessen er nach einem Schluck Gin gierte.
Wie so oft, wenn er nachts wach lag, grübelte er über Veronika nach. Zu Beginn ihrer Ehe hatte er ein großes Verlangen nach ihrem Körper und es verging kaum ein Tag, an dem er sie nicht nahm. Veronika, im Bett eine heißblütige junge Frau, umschlang mit ihren langen Beinen seinen Rücken, wenn er unter lautem Stöhnen in ihrem Schoß kam.
Bereits ein Jahr nach ihrer Hochzeit war Veronika schwanger und gebar 1731 ihren gemeinsamen Sohn. Obwohl sich Veronika nach der Geburt sehr schnell erholte, sie auch in kurzer Zeit ihre schlanke Figur wiedererlangte, verlor Clexton jegliche Lust an ihr. Unerklärlich, aber das Bild der stillenden Mutter, mit Jos saugend an ihrer reichlich mit Milch gefüllten Brust, war für ihn abstoßend. Veronikas Versuche, ihn zu verführen, scheiterten; Clexton reagierte stets genervt und abweisend, bis auch die Bemühungen seiner Frau nachließen. Es war, als hätte Clexton keinerlei Verlangen nach Befriedigung – er schien sprichwörtlich lustlos.
Doch vor sechs Wochen wurde eine junge Sklavin zu ihnen gebracht. Eine Haushälterin war ausgefallen, woraufhin Veronika Tumelo darum bat, diese zu ersetzen. Veronika saß gerade neben Clexton beim Tee, als Tumelo mit Zola zur Treppe der Veranda kam.
»Kommt doch bitte hoch«, ermutigte Veronika die beiden.
»Ich habe dich schon gesehen. Wie lange bist du schon bei uns?«
»Seit vier Jahren, Ma’am, mit meiner Mutter«, antwortete Zola schüchtern, ohne es zu wagen, Madam oder gar Mr. Baine anzusehen.
»Du wohnst mit deiner Mutter in den Hütten?«
Zola nickte.
»Sei nicht so schüchtern, Zola«, lächelte Veronika beruhigend. »Tumelo hat sich für dich eingesetzt, daher werden wir es versuchen. Lass dich von ihm einweisen.« Und an Tumelo gewandt: »Gib ihr bitte das Eckzimmer wie auch frische Kleidung.«
Zola platzte innerlich vor Freude.
Bereits im zarten Alter von dreizehn Jahren war sie mit ihrer Mutter aus der Goldküste, dem späteren Ghana, mit einem voll beladenen Schiff der Sklavenhändler angekommen. Sie und ihre Mutter hatten großes Glück, da sie beim Verkauf nicht getrennt wurden und so auf der Plantage von Clexton Baine landeten.