Schwarzer Kokon. Matthias Kluger
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»So, jetzt ist es Zeit, bevor dein Vater noch in der Türe steht und schimpft. Oder willst du im Schlafanzug auf dem Ball tanzen?« Sie wedelte Veronika mit der linken Hand zu.
Satt und glücklich sprang Veronika von ihrem Schemel, gab der kleinen Dicken noch einen flüchtigen Kuss auf die pralle Wange, dann huschte sie barfuß in Richtung ihres Zimmers im oberen Stockwerk.
Der jährliche Sommerball wurde jedes Jahr von einem anderen Plantagenbesitzer auf dessen Gut organisiert. Dieses Jahr war das Fest auf dem Anwesen von Mr. Baine, einem der begehrtesten Junggesellen des Tals.
Übermut
Washington D. C., 2001
Marc saß an einem langen Tresen, auf einem jener Barhocker der fünfziger Jahre mit knallroter Sitzfläche. Und seine hellblonden, kurzen Haare waren in der Menge an Gästen von Weitem zu erkennen. Er war groß, sportlich und Center seines Footballteams an der Georgetown University, die ihren Namen dem Sitz im noblen Washingtoner Stadtteil Georgetown verdankte. Eigentlich sollte er vormittags im Hörsaal der Universität sitzen und den Vorträgen seiner Professoren lauschen. Doch wie so oft zog er es vor, mit seinen beiden engsten Kommilitonen Patrick und Abel, die wie er siebzehn waren, in der dem Universitätsgelände nahe gelegenen Bar Marie Inn abzuhängen. Das Marie Inn war wegen der umfangreichen Frühstückskarte sowie der Möglichkeit, Billard und Darts zu spielen, beliebt bei den Studenten und vielfach schon vormittags gut besucht.
Abel, von kleiner, zierlicher Statur, entstammte einer reichen jüdischen Familie, die über Generationen im Bankengeschäft ein Vermögen verdient hatte. Trotz strengen jüdischen Glaubens seiner Familie vermied er es, tagsüber die Kippa, die jüdische Kopfbedeckung, zu tragen. Er hatte die feste Überzeugung, seine Chancen beim anderen Geschlecht würden sich hierdurch mindern. So saß er, mit dünnem, schwarzem Haar und seiner zu groß geratenen Nickelbrille auf der schlanken Nase, ebenfalls auf einem Hocker rechts neben Marc. Er musterte seinen Freund von der Seite.
»Hey, wenn du so weiter trinkst, erlebst du das Mittagsläuten nicht mehr!« Dabei tippte Abel auf das halbvolle Glas Whiskey.
»Kennst du den Unterschied zwischen arm und reich?«, entgegnete Marc. Ohne auf die Antwort seines Freundes zu warten, fuhr Marc fort: »Arme stehen um diese Zeit an der öffentlichen Suppenküche an oder liegen noch benommen vom billigen Fusel der Nacht unter einer Brücke. Ohne Chance, was zu ändern. Reiche dagegen«, er grinste, »Reiche haben das Privileg eines vollgefressenen Magens und können sich schon tagsüber mit Drinks zuschütten. Ich kann doch nichts dafür, dazu auserwählt zu sein – oder?« Er hob sein Glas und trank einen kräftigen Schluck.
»Wenn du meinst, aber wolltest du nicht heute Nachmittag zum Training auf dem Campus erscheinen?« Abel wusste zu gut, dass Marc ganz und gar in seinem Sport aufging. Seine Qualität als Center des Football Teams war auch der Grund, warum der Principal der Georgetown University Marc viel durchgehen ließ. Denn als Student zählte Marc nicht gerade zur Elite – seine Noten waren meist mangelhaft.
In Marcs Kopf drehte sich alles. Der Alkohol seiner zu schnell getrunkenen fünf Whiskeys bahnte sich den Weg ins Blut und von dort aus ins Gehirn. »Du hast recht, lass uns ne Runde Billard spielen und dann an die frische Luft.«
Nun drehte sich auch Patrick zu den beiden, der links von Marc saß, während er dem Gespräch der Freunde am Rande lauschte. Seit sie an der Bar Platz genommen hatten, war er einzig auf eine schöne Brünette, die an einem der Tische gegenüber mit ihrer Freundin saß, fixiert, die wiederum versuchte, das dämliche Grinsen Patricks zu ignorieren. »Los, komm«, seufzte Patrick, zupfte Marc am Ärmel und machte Anstalten, ihn mit in Richtung Hinterzimmer zu den Billardtischen zu bewegen. So rutschten die Freunde allesamt gelangweilt von ihren Barhockern und sichtlich wankend folgte Marc den beiden.
Als sie am Tisch der brünetten Schönheit vorbeikamen, verlangsamte Patrick seinen Gang, zupfte aus einer Laune heraus am linken Ohrläppchen des Mädchens und beugte sich zu ihr: »Heute Abend um acht hier ein Date?«
Das Mädchen sah ihn böse an, stieß seine Hand von sich und zischte: »Blödmann, verpiss dich.«
Lachend, der erteilten Abfuhr wegen, gingen sie weiter zum Hinterzimmer. Dieses war durch eine schwenkbare Holztür mit gläsern milchigem Bullauge vom Rest der Bar getrennt. Ein strenges Rauchverbot in den Bars schrieb separate Bereiche vor. So hatte der Besitzer den hinteren Raum für Raucher eingerichtet. Im Vergleich zum vorderen, im Stil der Fünfziger möblierten Barbereich, erweckte das Spielzimmer einen relativ heruntergekommen Eindruck. Eine Menge junger Leute saßen plaudernd an Bistrotischen oder standen, sich am Bier festhaltend. Schwaden gelben Zigarettendunstes durchzogen den Raum und vermischten sich mit Gerüchen aus Alkohol und gebratenem Speck. Gerade war ein Billardtisch seitlich der Wand frei geworden und die drei Jungs bewegten sich zielstrebig darauf zu. Das defekte Neonlicht über dem Tisch flackerte in unregelmäßigem Takt. Jeder nahm sich einen Queue aus der Halterung an der Wand, während Abel alle Kugeln für den ersten Anstoß auf dem mit grünem Stoff überzogenen Tisch zurechtlegte.
Ohne zu fragen, übernahm Patrick mit der weißen Kugel in der Hand den Anstoß; dies war das ungeschriebene Recht des besten Billardspielers unter den dreien. Krachend traf die Weiße den Rest der Spielbälle, während der Blick aller die erste Kugel suchte, die ihr Ziel in einem der Löcher des Tisches fand.
Währenddessen öffnete sich die Schwenktür und das brünette Mädchen von eben kam, gefolgt von ihrer Freundin sowie zwei groß gewachsenen Jungs in schwarzen Lederjacken, herein. Sie blickte sich um, deutete mit ihrem Zeigefinger auf die drei ins Spiel Vertieften und flüsterte einem der Männer etwas ins Ohr.
Sogleich bahnten sich die beiden ›Lederjacken‹ den Weg zum Billardtisch, während die Brünette mit ihrer Freundin am Eingang stehen blieb. Der Größere der beiden stupste Patrick von hinten an dessen Schulter. Leicht stolpernd drehte sich Patrick um, derweil Abel, als Kleinster in der Runde, einen Schritt zur Seite trat. Marc, vom Alkohol noch benebelt, brauchte etwas länger, um die angespannte Situation zu begreifen.
»Hey, du College-Bübchen, hast du meine Freundin angegrapscht?«
»Moment, Moment, ruhig Blut, Brauner«, entgegnete Patrick und überlegte kurz, welche ›Freundin‹ wohl gemeint war. Dann entdeckte er die beiden Mädchen grinsend am Eingang stehen. »Ich wusste ja nicht, dass sie ›deine‹ Freundin ist, darüber hinaus habe ich sie keineswegs begrapscht. Was hältst du davon, wenn ich euch allen einen Drink spendiere und wir vergessen das Ganze?«
»Ihr College-Jungs glaubt wohl, was Besseres zu sein, und habt dann nicht mal Eier in der Hose.« Der Große wandte sich triumphierend zu seinem Kumpel. In seinem Blick war zu sehen, dass er Streit suchte.
Du kommst mir gerade richtig! Nicht mal Eier in der Hose? Was für ein Idiot, dachte Marc. Bekannt dafür, keinem Streit aus dem Weg zu gehen, trat Marc vor Patrick, bis er dem Wortführer der beiden Halbstarken direkt gegenüberstand. Sie waren zu dritt, auch wenn Abel bestimmt keine große Hilfe in dieser Situation sein würde. Sein Gegenüber hatte ungefähr die gleiche Größe, ebenso wie Marc erweckte dieser nicht den Eindruck, zum ersten Mal in solch einer Situation zu sein.
»Wir wollen doch jetzt keinen Zoff«, ermahnte Marc. »Nimm das Angebot meines Freundes lieber an, sonst brauchst du noch einen Strohhalm für den Drink.«
Allen war klar, dass Marcs Auftreten keineswegs zur Entspannung der Situation beitrug, doch sein Alkoholpegel