ihm der neue Sprachname auch etwas fragwürdig vorkommen. Er war ein talentierter Publizist und Schriftsteller; in den zwanziger Jahren führte das Wiener Burgtheater ein Stück von ihm auf. Sollte er jetzt sagen, er schreibe in ,Unterrichtssprache‘? Mancher Österreicher vermutete damals, Fischer habe eine Anordnung der Besatzungsmächte ausgeführt. Der sowjetischen folgte er gern; erst viele Jahre später überwarf er sich mit Moskau. Doch es ist ungewiß, ob sich die Siegermächte, die gewiß Österreich so weit wie möglich von Deutschland entfernenwollten, auf ein solches Umbenennen der Sprache einließen. Im Dezember 1945,nach der ersten Parlamentswahl, aus der die Kommunisten etwas armselig hervorgegangen waren, trat an die Stelle des Unterrichts-Staatssekretärs Fischer derUnterrichtsminister Felix Hurdes von der bürgerlichen Volkspartei. Anfang 1949bekam das Fach Deutsch auch an den technischen und gewerblichen Lehranstalten den neuen Namen. Der Katholik Hurdes also in den Fußstapfen desBolschewiken Fischer – oder auch er am Leitseil der Besatzungsmächte? Hurdes,der Konzentrationslagerhaft hinter sich hatte, war ein eifriger, sogar eifernderGegner alles Deutschen in seinem Land. Die Mehrheit der Österreicher schriebnun die unpopuläre ,Unterrichtssprache‘ allein ihm zu. Bald ging beißender Spottum: Hurdestanisch lernten die Kinder in der Schule, aus Österreich solle offenbarHurdestan werden. Mit einem Erlaß vom 12. August 1952 wurde aus der ,Unterrichtssprache‘ die ,deutsche Unterrichtssprache‘. Da in Österreich Schulen mitdeutscher, kroatischer, slowenischer und ungarischer Unterrichtssprache geführtwürden, ergäben sich häufig Anfragen über die eindeutige Bezeichnung desGegenstandes ,Unterrichtssprache‘. (…) Das war die amtliche Darstellung. Wasdie Regierung wirklich bewog, ,die Angelegenheit zu ordnen‘, scheint ihre Einsicht gewesen zu sein, daß die Bevölkerung über die Parteigrenzen hinweg dienamenlose ,Unterrichtssprache‘ leid war. Hurdes war damals schon mehr als einhalbes Jahr nicht mehr im Ministeramt. Mit seinen christlich-sozialen solidaristischen Ideen war er, der gleich nach dem Krieg als Generalsekretär zur Führungder Volkspartei gehört hatte, an deren Rand geraten. Es war seinNachfolger Ernst Kolb, der im August 1952 halb auf den alten Sprachnamen eingeschwenkt war. Im August 1955 schaffte der Nach-Nachfolger Drimmel die,Unterrichtssprache‘ ganz ab. Auf dem Jahreszeugnis eines Wiener Realschülersvom Sommer 1956 sind von der Fachbezeichnung ,Deutsche Unterrichtssprache‘das zweite Wort und der letzte Buchstabe des ersten mit schwarzer Tinte gestrichen, säuberlich mit dem Lineal. Erst ein Jahr darauf gab es überall neue,bereinigte Zeugnisformulare. Dabei ist es geblieben. Dieser Verlauf verfestigte inÖsterreich die Ansicht, Hurdes sei der Betreiber der ,Unterrichtssprache‘ gewesen. An Fischers Erlaß wollte sich niemand mehr erinnern. Und wenig Beachtungfand, daß Drimmel seinen Schlußstrich durch die ,Unterrichtssprache‘ zog, alsÖsterreich mit dem Staatsvertrag von 1955 Souveränität, also Freiheit von derEinmischung der Siegermächte erlangt hatte. In der Verfassung hatte allerdingsdie ganze Zeit gestanden, daß, die deutsche Sprache die Staatssprache der Republik Österreich‘ ist. Wer auch immer Österreich die ,Unterrichtssprache‘verordnet hat – wie mag er sich das Weitere vorgestellt haben? Sollten bald dieErwachsenen sagen, ihre Muttersprache heiße ,Unterrichtssprache‘? Sollte dermonoglotte österreichische Außenminister Figl dem sowjetischen Außenministerlaunig gestehen, er verstehe nur ,Unterrichtssprache‘? Sollte er ausländische Botschafter dafür loben, daß sie sich schon so gut in ,Unterrichtssprache‘zurechtfänden? Vielleicht war die Idee, wenn man den Schülern eintrichtere, sielernten ,Unterrichtssprache‘, würden sie später vor ,Deutsch‘ als Namen ihrerSprache zurückscheuen. Das wäre ein grotesker Irrtum gewesen.“
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