Im Kreuzfeuer. Christian Wehrschütz

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Im Kreuzfeuer - Christian Wehrschütz

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richtig beginnen konnte die Transformation der Sozialistischen Partei Serbiens (SPS) erst nach Miloševićs Tod. Die Anrede „Genosse“ tauchte in den Wahlkämpfen wieder auf, und Arme, Pensionisten sowie „soziale Gerechtigkeit“ wurden als Zielgruppen und Themen entdeckt. Die SPS will nun eine moderne Linkspartei sein und in die Sozialistische Internationale aufgenommen werden. Wie groß die Chancen für eine rasche Aufnahme sind, ist offen, denn vor allem in den sozialdemokratischen Parteien des ehemaligen Jugoslawien regt sich massiver Widerstand. Mittelfristig ist die Aufnahme wohl wahrscheinlich, weil die Sozialisten gemeinsam mit den pro-europäischen Kräften in Serbien nun eine Regierung gebildet haben. Dieses Kabinett hat zum ersten Mal die berechtigte Chance, volle vier Jahre zu halten, und Serbien nahe an die EU heranzuführen.

      Die europäische Perspektive und die Chance der SPS nun international „salonfähig“ zu werden dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Sozialisten bisher jede Bereitschaft vermissen ließen, mit der Aufarbeitung ihrer Vergangenheit zu beginnen. Im Gegenteil: Im Wahlkampf für die Parlamentswahl im Frühsommer 2008, wurde Milošević weiter als Werbeträger jedenfalls für die eigenen Funktionäre eingesetzt. Nicht zu erwarten ist eine Vergangenheitsbewältigung – sollte sie nicht von außen eingefordert werden – auch wegen der personellen Kontinuität der Führung. So war der SPS-Vorsitzende, der 1966 geborene Ivica Dačić, von 1992 bis 2000 Pressesprecher der Milošević-Sozialisten, und die sozialistische Parlamentspräsidentin war unter Milošević in führenden Parteifunktionen tätig. Prüfstein für den Grad der sozialistischen Transformationsbereitschaft in der Tagespolitik wird nicht die weitere Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal sein, die Serbien auf dem Weg Richtung EU zum Abschluss bringen muss, weil nur mehr zwei mutmaßliche Kriegsverbrecher zu verhaften sind. Vielmehr geht es um die Frage, wie die SPS die Milošević-Erblast aufarbeitet; ein umfassender Bruch mit der Ära Milošević wird jedoch sehr schwierig sein und viel Zeit brauchen.

      Doch für seine dauerhafte Stabilisierung bedarf Serbien entweder der Transformation oder der Marginalisierung der Serbischen Radikalen Partei (SRS), deren Vorsitzender Vojislav Šešelj sich seit Februar 2003 wegen des Vorwurfs der Kriegsverbrechen vor dem Haager Tribunal verantworten muss. Im Herbst 2008 kam es zum Bruch zwischen Šešelj und seinem langjährigen Weggefährten und Stellvertreter Tomislav Nikolić. Auslöser war die gegensätzliche Haltung zur EU-Integration Serbiens. Nikolić folgte ein beträchtlicher Teil des Parlamentsklubs der SRS, wobei nun diese „Dissidenten“ die SNS, die Serbische Fortschrittspartei, gründeten; sie will eine nationalkonservative Kraft sein. Hat die SNS Erfolg – und darauf deuten Lokalwahlen in einigen serbischen Gemeinden hin – könnte das die Transformation des serbischen Parteiensystems beschleunigen und damit dem Land größere Stabilität verleihen. Erst wenn die SRS zu einer Randerscheinung und aus der SNS eine serbische HDZ geworden sein wird, kann dieser Prozess als abgeschlossen betrachtet werden. Doch sowohl im Fall der kroatischen HDZ als auch im Fall der serbischen Sozialisten konnte die Reform dieser Parteien erst nach dem Tod ihrer „Überväter“ Franjo Tuđman und Slobodan Milošević durchgeführt werden. Erleichtert wurde die Transformation der HDZ noch durch den Umstand, dass Franjo Tuđman „rechtzeitig“ starb und so einer möglichen Anklage durch das Haager Tribunal entging.

      „Für die Kroaten war der Jugoslawismus eine großserbische Falle, eine politische Perversität, eine balkanische Verschwörung gegen die katholische Kirche, das kroatische Staatsrecht, die westliche Kultur und gegen das Verständnis über Ordnung und Gesetzlichkeit. Die Gesetzlichkeit, wie sie das kroatische Volk, obwohl oft gedemütigt, in der Habsburger Monarchie kannte, stellte dennoch eine der mustergültigsten Verwaltungen und eine beispielhafte Justiz in Europa dar. Um einen jugoslawischen Staat zu bilden, musste man auch ein jugoslawisches Volk schaffen, und eine jugoslawische Sprache haben … Doch die Sprache nannten die einen Serbisch, die anderen Kroatisch. Wenn man noch die wechselseitige, jahrhundertelange Unduldsamkeit, den religiösen Unterschied, die kulturelle Mentalität berücksichtigt, dann konnte eine derartige Nivellierung und Vermischung nicht für durchführbar erachtet werden in einer derart unerwarteten staatlichen Verbindung, die niemals und durch nichts vorbereitet oder gar vorhergesehen war.“

      Diese Darstellung trifft für die Schaffung des „Staates der Südslawen“ nach dem Ersten Weltkrieg mit großer Sicherheit zu. Trotzdem, und aller wechselseitigen Gräueltaten während und nach dem Zweiten Weltkrieg zum Trotz, sind die staatsbildenden Völker des ehemaligen Jugoslawien Nachbarn, lebten mehr als 70 Jahre in einem Staat und weisen zum Teil eine große sprachliche Nähe auf. Diese Vorteile haben slowenische und in weiterer Folge auch kroatische Firmen erkannt, die in immer stärkerem Ausmaß im ehemaligen Jugoslawien investieren. Diese Investitionen werden wohl keine Einbahnstraße bleiben, wenn auch die anderen Staaten größere Reformerfolge vorweisen können. Daraus wird kein neues Jugoslawien entstehen, denn diese Idee ist ebenso tot wie Tito. Seine abschließende historische Bewertung durch „seine“ ehemaligen Völker steht zwangsweise noch; zu groß sind die Probleme des Alltags, zu gering ist der historische Abstand, und Tito und sein Staat sind derzeit offensichtlich kaum Gegenstand seriöser historischer Forschung. Offen bleibt daher, wie die massenhaften Verbrechen dereinst bewertet werden, die Titos Kommunisten während des Zweiten Weltkriegs und danach begangen haben. Dabei geht es nicht um die Frage der Verbrechen

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