Von Lüneburg bis Langensalza im Krieg 1866. Friedrich Freudenthal

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Von Lüneburg bis Langensalza im Krieg 1866 - Friedrich Freudenthal

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geboten werden kann. Ein Spaten, woran eine starke Schnur derart befestigt war, daß dieses friedliche Werkzeug der Agrikultur sich wie ein Gewehr über die Schulter hängen ließ, sowie ein Bündel Wäsche lagen nicht weit vom Sitze des Mannes in einem Winkel des Zimmers. Ein geöffnetes blauleinenes Tuch, welches der Mann vor sich auf dem Tische ausgebreitet hatte, enthielt allerlei in Zeitungspapier gewickelte Eßwaren, und seitwärts auf dem Tische stand ein Glas mit Schnaps und ein mit Bier gefüllter Krug. Wie der Fremde da so am Tischende saß, in der Linken ein großes Stück Speck nebst einem Schnitte Schwarzbrod haltend und mit der Rechten ein Messer handhabend, womit er abwechselnd bald vom Speck, bald vom Brod ein Stück heruntersäbelte, um es dem zermalmenden Gehege seines anscheinend ausgezeichneten Gebisses zu überliefern, machte er ganz den Eindruck eines kerngesunden Naturmenschen, der allen Einflüssen einer „verfeinernden Lebensrichtung“, allen Wirkungen eines „Bedürfnisse schaffenden, veredelnden Cultur-Fortschritts“ bis dahin in erfolgreichster Weise Widerstand geleistet hatte.

      Während wir noch mit den letzten Resten unserer Mahlzeit beschäftigt waren, hatte uns gegenüber an dem grünen Tische ein neu hinzugekommener Gast Platz genommen, der seiner Kleidung und seinem wohlgenährten, behäbigen Äußern nach ein Kaufmann oder wohlhabender Bürger sein mußte.

      Nachdem dieser neue Gast, der von dem Wirth mit „Herr Isermeyer“ angeredet wurde, bedächtig den Zucker in dem Glase Grog, welches er sich hatte bringen lassen, zerkleinert und einen Schluck des dampfenden Getränkes hinuntergeschlürft hatte, fing er mit meinem Vater ein Gespräch an. Als er durch geschickt gestellte Kreuz- und Querfragen, die mein Vater zwar zurückhaltend aber dennoch wahrheitsgemäß beantwortete, das Nöthige über Ziel und Zweck unserer Reise aus ihm herausgepreßt hatte, schien ein Schatten des Mißbehagens sein rundwulstiges, in der Mitte glattrasiertes, am Rande mit einem Kranz röthlicher Borsten verziertes Gesicht zu umdüstern. Er hielt eine Weile mit Fragen inne, nahm einen zweiten Schluck aus dem Grogglase und zupfte hastig an den Zipfeln seines gesteiften Leinenkragens, der auf beiden Seiten seines Halses in der Form eines ungleichseitigen Dreiecks hervorragte und jenes Halseinzwängungs-Werkzeug bildete, welches man Vatermörder zu nennen pflegt. „Unsinn!“ rief er dann plötzlich aus und warf meinem Vater einen vorwurfsvollen Blick zu ... „Soldat wollen Sie Ihren Sohn werden lassen? Freiwillig eintreten soll er? – Ne, so blau! Lassen Sie ihn meinetwegen alles in der Welt werden, aber nur nicht Soldat. Schicken Sie ihn doch nach Amerika, da kann er sein Glück machen, in einem freien Lande, wo der Eine nicht mehr gilt, wie der Andere, wo es keinen Adel, keine Pfaffen und keine sonstigen Dickköpfe giebt. Soldat! Hä – als ob wir solche Brodfresser, die uns das beste Mark aus den Knochen saugen, nicht schon genug im Lande hätten!“

      Mein Vater, der in Folge dieses grimmigen Ausfalls eine Weile ganz verblüfft war, entgegnete dann, als er sich etwas gesammelt hatte, in bescheidenen Worten, daß es Soldaten doch auch geben müsse und er es für einen ganz ehrenwerthen Beruf halte, seinem König und Vaterland als Soldat zu dienen.

      „König und Vaterland!“ rief Herr Isermeyer und fuhr mit einem rothseidenen Taschentuch einige Male hastig über die nur noch spärlich von Haaren bestandene obere Fläche seines Schädels. „Wir haben viel zu viel Potentaten und Vaterländer im lieben Deutschland. Gründlich aufräumen müssen wir in der Bude, daß diese erbärmliche Kleinstaaterei aufhört und so etwas nicht wieder vorkommen kann, wie die Geschichte mit dem Neuen Katechismus. Der Adel und die Pfaffen regieren in unserem Lande und der König giebt ihnen in Allem nach. Wohin wäre es mit uns gekommen, wenn wir nicht Männer, wie Bauerschmidt, gehabt hätten, die sich für unsern lutherischen Glauben aufopferten – katholisch hätte man uns gemacht, so wahr wie ich hier sitze! Sehen Sie, so liegt die Sache in Wahrheit. Man kann aber nicht verlangen, daß Sie, mein guter Mann, das wissen, denn was werden Sie in Ihrem Dorfe von der höheren Politik gewahr.“

      Mein Vater fühlte sich nicht sicher genug auf dem Gebiete der „höheren Politik“ und des „Kathechismusstreites“, um auf diese Worte etwas erwidern zu können. Da auch Herr Isermeyer nicht weiter sprach, es vielmehr damit genug sein ließ, sich triumphierend im Kreise umzuschauen, so entstand für eine Weile völlige Stille im Zimmer, die nur durch das Geräusch des zuklappenden Taschenmessers unterbrochen wurde, dessen der Fremde, welcher am Ende des Tisches saß, sich beim Essen bedient hatte. Der Mann zog jetzt bedächtiger Miene einen zusammengeschnürten Lederbeutel aus der Tasche und händigte dem Wirth den Betrag für die genossenen Getränke ein, sodann hing er den Spaten über die Schulter, ergriff sein Bündel und machte sich reisefertig. Bevor er jedoch die Gaststube verließ, trat er an Herrn Isermeyer heran. „Dröf ick ok mal en Word spreken, Herr?“ frug er, die rechte Hand auf den Tisch stemmend und sich etwas vornüberbeugend.

      „Gewiß, min leewe Mann“, sagte Herr Isermeyer hastig – „Herr Wirth, bringen Se düssen Mann en Glas Grock.“

      „Dank veelmals, ick drink kenen Grock. ... Ick woll man blos seggen, ick verstah von Ihr Politik nicks, Herr, ick bin ok von Dörpen, von’n Kaspel Snewern*) * Schneverdingen) bin ick to Hus, awer ick woll man seggen: wi in us’ Hannoverland, meen ick, hebbt noch grad keen Oewerlast un könnt us öwer use Regierung nich beklagen, denn wat Se dor seggt hebbt, Herr, von „kathol’sch wer’n“ dat is ja luter dumm Tüg, dat löwt Se ja sülwst nich. Dat sünd Redensarten, de ward in de Weld settet, üm den gemeenen Mann uptorutschen; dat is achtundveertig ok so wäsen, as de Askaten ’rümreist sünd un Reden hölen un as dat heten hett, Stüern und Afgawen bruk Nüms mehr to betahlen un de Jagd wör free un de König schöll wegjagt wer’n. Süh, ick woll man seggen, ick bin man en ’ringen Mann, awer mi is dat in de School lehrt worr’n, dat wie usen König in Ehren holen un en treu bliewen schöllt, wenn Noth an den Mann tritt, süh, un ick hev minen König ehrlich deent, hev bi de Gardejägers stahn un wer hier wat up den König seggen will, de kriggt dat mit mi to dohn! Verdammt in de Eck! ...“ Hier schlug der Mann vom Kirchspiel Schneverdingen dermaßen mit der Faust auf den Tisch, daß die darauf stehenden Gläser und Schüsseln klirrend in die Höhe fuhren.

      „Mak keen Morach, Hinnerk,“ sagte der Wirth, der bislang theilnahmslos hinter der Toonbank gestanden hatte, jetzt aber hervortrat und dem Aufgeregten die Hand auf die Schulter legte und ihn durch gütliches Zureden zu besänftigen suchte. „Man kennt Di ja gar nich wedder, Minsch, Du deihst ja doch süß keen Kind wat. De Sak is dat ja gar nich werth, dat Du dorüm so upbegehren deihst.“

      „Wat?! de Sak is dat nich werth?! – De Herr will use Regierung slecht maken un up den König schimpen, wat so’n hartensgooden Mann is! Dat schöll mi nich grillen?! Ick hev öft noog up Posten stahn vör’n Slott in Herrenhusen, un wenn de König Middags mit sienen Adjedanten in den Garden spazieren güng, denn is de mehrmals an mi ’rankamen un hett mi fragt, wo ich to Hus hör, ob min Oellern noch lewwn und so wieder – jüst as wenn ick mit minesglieken snack, so hett de Mann to mi spraken un Mannigeen, de süß keen Recht sinnen könn, de hett et bi den König in Hannover funnen, dat weet ick ut egen Erfahrung – un denn will de Herr hier seggen, den König sien Soldaten de sugt de Uennerdanen dat Mark ut’n Knaken! Süht de Herr mit sien Sweelpans danah ut, as wenn em een dat Mark ut’n Knaken sagen hett, woll ick man seggen – wat?! Verdammt in de Eck! ...“ Wieder fuhr mit einem fürchterlichen Krach die Faust des ehemaligen Gardejägers auf den Tisch hernieder und diesmal in einer so gefährlichen Nähe des Herrn Isermeyer, daß dieser erschrocken in die Höhe fuhr und Hut und Stock ergriff. Mit größter Schnelligkeit war er bestrebt, die offene Thür zu erreichen. Auf der Schwelle drehte er sich um und drohte seinem Gegner mit dem winzigen Rohrstöckchen, welches er in der Hand trug. „Wenn ick mi nich to gebildet höl,“ rief er mit wüthendem Blick, „denn woll ick Ihnen mal up annere Wies’ tor Antword kamen!“

      Der Mann aus der Heide wollte auf den Drohenden los, aber der Wirth trat dazwischen und so gewann Herr Isermeyer genügend Zeit, sich in Sicherheit zu bringen und sich gleichzeitig dadurch der Versuchung zu entziehen, gegen die Grundsätze zu sündigen, deren Befolgung die höhere Bildung ihm zur Pflicht machte.

      Damit war dieser Zwischenfall erledigt. Die Aufregung des entrüsteten Heidebewohners legte sich sehr

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