360° um die Welt. Wolfgang Machreich

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360° um die Welt - Wolfgang Machreich

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Einwohner: 31.576.400, mehr als dreimal so viele wie Schweden

      Ausgedörrt

      Usbekistan ist ein wunderbares Land, gelegen an der geschichtsträchtigen Seidenstraße, gesegnet mit den Weltkulturerbe-Städten Samarkand, Buchara, Chiwa und mit wunderbaren Menschen, denen eine sehr menschliche Eigenschaft nachgesagt wird: Im muslimischen Usbekistan soll ungewöhnlich viel Wein getrunken werden. Aber die Usbeken können sich auf Urvater Noah berufen, der auch im Islam höchste Wertschätzung genießt. Mit seiner Arche rettete Noah zuerst die Menschheit vor der Sintflut, um sie danach als erster Winzer für künftige frohe wie schwere Zeiten zu wappnen. Nicht umsonst bedeutet der Name Noah „Tröster“.

      Trost wird wie andernorts auch in Usbekistan reichlich gebraucht: Der Agrarstaat ist mit Abstand der bevölkerungsreichste in Zentralasien. Im autoritär regierten Land werden Menschenrechte und bürgerliche Freiheiten mit Füßen getreten, grassieren Armut und Korruption. Ein idealer Nährboden für Radikalisierung, der Usbekistan unter den zentralasiatischen Republiken zum wichtigsten Rekrutierungsgebiet für Dschihadisten macht, meldet die „International Crisis Group“. Die Politik-NGO schätzt die Zahl von Aktivisten aus Zentralasien für den Islamischen Staat auf bis zu 4000. Seit den 1990er-Jahren terrorisiert die radikale Islamische Bewegung von Usbekistan (IMU) mit Bombenanschlägen ihr Land, aber auch Ziele in Afghanistan und Indien. 2015 schwor die IMU offiziell dem IS die Gefolgschaft. Usbekische Sicherheitskräfte verfolgen sie mit großer Härte.

      Weltkulturerbe-Städte Buchara ...

      Härte als Politikprinzip übernahm der usbekische Präsident Schawkat Mirsijojew von seinem Vorgänger Islam Karimow, dem er lange als Ministerpräsident diente. Menschenrechtler werfen Mirsijojew auch den jährlichen Zwangseinsatz von Studenten, Lehrern und anderen Staatsbediensteten bei der Baumwollernte vor. Das sogenannte „weiße Gold“ ist Kulturgut und eine der Haupteinnahmequellen für den Wüstenstaat zugleich.

      … und Samarkand

      Damit zusammenhängend, ist dem studierten Bewässerungsingenieur im Präsidentenamt die Achillesferse Usbekistans bestens bewusst: Als direkte Folge der riesigen Baumwollplantagen leidet das Land unter extremem Wassermangel. In Usbekistan liegen drei Viertel des vertrocknenden Aralsees. Einst das viertgrößte Binnengewässer der Erde, bis sowjetische Planwirtschaftler begannen seine Zuflüsse abzuleiten, um damit die Baumwollplantagen zu bewässern. Der Aralsee verlor neunzig Prozent seiner Wassermenge und zerfiel in mehrere kleine Teile – eine Umweltkatastrophe, „beispiellos in unserer Zeit“. Anstatt einer Kehrtwende hält die usbekische Führung jedoch am einträglichen Baumwollanbau fest und will zudem am versteppenden Seeboden nach Erdöl und Gas bohren. Den Musiker Murat Sydykow aus Aralsk inspirierte das Schicksal des Sees zu traurigen Weisen. „Wenn der See nach Aralsk zurückkommt“, versprach er einmal, „dann schreibe ich eine Symphonie und lasse sie von einem Orchester am Seeufer aufführen.“ Bis dahin werden aber noch viele Gläser mit Wein gefüllt werden müssen – zum Trost.

       Berühmt, berüchtigt, beneidet für:

      Im Bamiyan-Tal, auf 2500 Meter Höhe, lebten bis zum 10. Jahrhundert Tausende buddhistische Mönche. Nach der Taliban-Sprengung der beiden riesigen Buddha-Statuen 2001 ist es das Symbol für den Krieg und die Zerstörung in Afghanistan.

Fläche: 652.864 Quadratkilometer, etwas größer als Frankreich
Einwohner: 34.124.811, gut die Hälfte von Frankreich

      Schach

      Afghanistan ist ein wundervolles Land mit wundervollen Menschen. Doch wer glaubt das noch? Nach so vielen Jahren Krieg? Nach so vielen Toten? Wer kann sie noch zählen, die Kriegsjahre, die Toten? Präsident Ashraf Ghani rechnete im Januar 2019 vor, dass seit Beginn seiner Amtszeit Ende 2014 über 45.000 Polizisten und Soldaten getötet wurden. „Vergangenen Sommer hatten wir teils 200 bis 300 Tote am Tag“, sagte der afghanische Außenminister Rangin Dadfar Spanta: „Wir können uns das nicht mehr leisten, keine Seite des Konflikts.“ Einer der Toten war sein Neffe, erzählte der Außenminister der dpa-Korrespondentin Veronika Eschbacher: 17 Jahre jung. Um in die Polizei einzutreten, fälschte er seine Geburtsurkunde. Nach einwöchiger Ausbildung kam er auf einen Kontrollposten. Vier Tage dauerte sein Einsatz, dann stürmten Taliban-Kämpfer den Posten, sechs Tote. Sein Neffe war das 13. Familienmitglied, das Spanta seit 15 Jahren Krieg verloren hat.

      Afghanistan, Schachbrett der Weltpolitik

      Zerstörte Buddha-Statuen im Bamiyan-Tal

      „Dieses Buch könnte leicht einen falschen Eindruck erwecken“, schrieb der österreichische Reiseschriftsteller Herbert Tichy, in „Afghanistan. Tor nach Indien“, erschienen 1940: „Es behandelt die Geschichte und Politik des Landes und nicht das gewöhnliche Leben. Geschichte ist Krieg, Grausamkeit und Heldentum, das alltägliche Afghanistan aber ist jenes kleine Dorf, das in einem tief eingeschnittenen Tal dahin träumt. Hohe Berge umgeben es, sie sind kahl und vegetationslos, die Natur aber hat sie mit den herrlichsten Farbtönen gemalt. (…) In den Pappeln, die der Ortschaft während der Tageshitze Schatten und Kühle spenden, rauscht leise der Wind – das ist Afghanistan, das wirkliche Afghanistan.“ 1935 durchquerte Tichy Afghanistan allein mit dem Motorrad. Und seine Unterscheidung zwischen dem Afghanistan der großen Politik und dem des kleinen alltäglichen Lebens stimmt; gleichzeitig beeinflusst eines das andere. Nicht umsonst nannten seine Journalisten-Kollegen Afghanistan damals schon das „Land des plötzlichen Todes“.

      Afghanistan-Kenner Ulrich Ladurner schreibt in seinem Buch „Eine Nacht in Kabul“: „Die Geschichte hatte den Afghanen diese Lektionen erteilt. Ihr Land war immer die Bühne für ein größeres Stück gewesen. Es war das Schachbrett, auf dem die Giganten der Welt ihre Kräfte maßen.“ Und welcher Schachzug ist der nächste? Irritierend sei die Anbiederung der Nicht-Taliban an die Taliban gewesen, berichtete Außenminister Spanta: „Ich hatte das Gefühl, dass jeder versuchte, sich als süßer Freund und Verbündeter der Taliban darzustellen.“ Auch von internationaler Seite gebe es einen wahren Wettlauf, wer sich mit den Taliban trifft. Heißt das: Zurück an den Start? Der König ist tot, es lebe der König! „Er mag ein Hurensohn sein, aber er ist unser Hurensohn!“ Wie der nächste Schachzug auch ausfällt, es wird für die Zukunft das gelten, was Ladurner über die Vergangenheit schrieb: „Wer Streit hatte, der trug ihn häufig hier aus, auf dem Rücken der Afghanen.“

       Berühmt, berüchtigt, beneidet für:

      In den Hochgebirgsregionen gibt es noch letzte Bestände des legendären Marco-Polo-Schafs.

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