360° um die Welt. Wolfgang Machreich

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360° um die Welt - Wolfgang Machreich

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Die 800.000 Arbeiterinnen und Arbeiter in den Teeplantagen spüren von den Profiten jedoch nichts. Rund 400 Rupien, umgerechnet 2,50 Euro, bekommen sie abhängig von der Pflückmenge pro Tag. Die Plantagenarbeiter stammen von Indern ab. Als die britischen Kolonialherren den Tee einführten, brachten sie Arbeitskräfte aus Südindien in die Kolonie Ceylon. Dort mussten die Migranten in Schuldknechtschaft arbeiten. Seit 1948 ist Sri Lanka unabhängig. Aber in den Teeplantagen hat sich kaum etwas geändert. „Strahlend schönes, königlich leuchtendes Land“, lautet die Übersetzung von Sri Lanka, das früher Ceylon hieß. Diese schwarze Seite der Teeinsel ist jedoch bei Teeliebhabern auf der ganzen Welt nur wenig bekannt.

      „Ihre Vorfahren lebten während der britischen Herrschaft wie Sklaven, und diese Bedingungen herrschen leider noch immer“, zitiert eine „dpa“-Reportage den Gewerkschaftsführer S.P. Anthonymuttu. Der Rest des Landes habe sich verändert, aber die Plantagen nicht, lautete sein bitteres Resümee. Dies sei keine Sklaverei, aber durchaus eine extreme Abhängigkeit, machte Basil Fernando von der Asiatischen Menschenrechtskommission eine kleine Einschränkung: „Die Menschen gehören praktisch zur Plantage, sie kennen die Welt außerhalb nicht.“ Die Plantagenarbeiter stellten aber auch seiner Meinung nach eine der am meisten vernachlässigten Gruppen auf der Insel. Wenn Teepflücker die Plantage auf der Suche nach besserer Arbeit verlassen wollen, verlieren sie ihre Unterkünfte. Also bleiben die meisten. Hinzu kommt ein sprachliches Problem: Die Teearbeiter sind überwiegend Tamilen, sprechen Tamilisch statt dem vorherrschenden Singhalesisch.

      Von 1983 bis 2009 kämpften die „Befreiungstiger von Tamil Eelam“ für einen unabhängigen tamilischen Staat im Norden der Insel. 100.000 Menschen starben während dieses Bürgerkriegs. Die Ursachen des Konflikts, vor allem die Vormachtstellung der singhalesischen Mehrheit, sind jedoch bis heute nicht beseitigt. Dazu kommt der Konfliktstoff Religion, angeheizt durch buddhistische Nationalisten. Ihre Zielscheiben sind Christen und vor allem Muslime.

      Tee-Ernte

      Seit dem Ende des Bürgerkriegs im Mai 2009 wurden in Sri Lanka jedoch keine Terroranschläge mehr verübt – bis zum 21. April 2019: An diesem Ostersonntag sprengten sich Selbstmordattentäter in drei überfüllten katholischen Kirchen des Landes in die Luft. Mit 320 Toten und mehr als 500 Verletzten zählten diese Attentate zu den mörderischsten seit 9/11. Der „Islamische Staat“ reklamierte die Anschläge für sich, verübt wurden sie von Einheimischen. Bleibt zu hoffen, dass die nach den Attentaten gemachte Analyse in der „ZEIT“ nicht Recht behält: „Es ist gut möglich, dass die wenigen Jahre des Friedens in Sri Lanka an diesem Ostersonntag zu Ende gegangen sind.“

      Adam's Peak

       Berühmt, berüchtigt, beneidet für:

      Mit dem Holi-Fest begrüßt Indien den Frühling. Das „Fest der Farben“ findet zu Ehren des Hindu-Gottes Krishna statt. Ob jung oder alt, hohe oder niedrige Kaste, reich oder arm zählt nicht, man bewirft sich mit buntem Staub, tanzt und ist fröhlich.

Fläche: 3.287.469 Quadratkilometer, ein Drittel von China
Einwohner: 1.339.180.000, fast genauso viele wie China

      Wenn Igel kuscheln

      Indien ist ein wunderbares Land mit wunderbaren Menschen, denen es bei ihrem Zusammenleben so geht wie allen Menschen, nämlich so wie Igeln in einer kalten Nacht: Um der Wärme willen drängen sie sich aneinander, stechen sich und rücken wieder voneinander weg. Diese Bewegung wird solange wiederholt, bis die optimale Position erreicht, die maximale Wärme bei minimalen Schmerzen garantiert ist. Diese in Arthur Schopenhauers Igel-Parabel beschriebene Balance zwischen Nähe und Distanz variiert von Kultur zu Kultur, schreiben Sudhir und Katharina Kakar in ihrem Buch „Die Inder – Porträt einer Gesellschaft“ (C.H.Beck). Anders als in der europäischen Gesellschaft, stellen der Psychoanalytiker und die Religionswissenschafterin fest, ist für Inderinnen und Inder „die optimale Position mit der Hinnahme größerer Schmerzen verbunden, um mehr Wärme zu erlangen“.

      Holi-Fest zu Ehren Krishnas

      Die Betonung der Verbundenheit allen Seins bestimmt den indischen Menschen, lautet das Fazit des auf Goa lebenden Autorenehepaars Kakar. In einem „ZEIT“-Interview erklärte Sudhir Kakar diese Verbundenheit: „In Indien wird der Körper nicht als geschlossenes System verstanden wie in Europa, wo alles Wichtige innerlich geschieht, der Körper also eine Festung ist, die gelegentlich Zugbrücken nach außen herunterlässt. Der indische Körper aber ist offen zu einer natürlichen, sozialen, spirituellen und kosmischen Umwelt hin.“ Dem Einwand, sie würden mit ihrem „Gesamtbild“ der Vielfalt von über einer Milliarde Menschen, mit zig Sprachen und Identitäten nicht gerecht, entgegnen Kakars damit, dass Indisch-Sein eine „Familienähnlichkeit“ darstelle, von der Indiens erster Premier Nehru meinte: „Die Einheit Indiens war für mich nicht nur ein politisches Programm, sie war eine emotionale Erfahrung, die mich überwältigte.“

      Diese Einheit wird aktuell von Gewaltexzessen gegen religiöse Minderheiten und Frauen erschüttert. Für den indischen Jesuiten Francis D'Sa ist das Verrat am Geist Mahatma Gandhis: „Wie wir Christen Jesus vergessen haben, hat Indien Gandhi vergessen“, sagte er bei einem Treffen in Salzburg: „Soviel Gewalt! Würde Gandhi noch leben, er würde sagen: Ich bin kein Inder mehr! Diese alte Kultur hat mit einem Mal das Bekenntnis an die Gewaltlosigkeit aufgegeben. Natürlich ist das jetzt extrem formuliert, denn die Mehrheit der Inder ist nach wie vor für den Frieden. Doch die Extremisten in allen Lagern sind um so viele mehr und um so vieles stärker geworden.“

      Und wie gelingt es in Indien und überall den Geist Gandhis neu zu beleben? D'Sa: „Kulturen müssen sich begegnen, damit sie bestehen können, damit sie sich weiter entwickeln können. Die Zeit, in der Kulturen wie Öl und Wasser gelebt haben, ist vorbei. Jede Kultur muss sich heute mit den Nachbarkulturen abgeben. Das geschieht nicht. In keiner Kultur in Indien geschieht das. Niemand hat etwas zu verlieren, wenn man mit den anderen in Dialog tritt. Der Weg des Friedens ist der Weg des Dialogs, der Weg der Verständigung, der Weg des Brückenbauens.“

      Auch in Indien gilt: Der Weg des Friedens ist der Weg des Dialogs.

       Berühmt, berüchtigt, beneidet für:

      Der Yssykköl im Tian-Shan-Gebirge ist nach dem Titicacasee der zweitgrößte Gebirgssee der Erde. Das „Herz des Tian Shan“ liegt auf 1607 Meter und gefriert trotz Temperaturen von minus zwanzig Grad im Winter nie. Der See besitzt mehrere Zuflüsse, aber keinen Abfluss.

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Fläche: 199.900 Quadratkilometer, doppelt so groß wie Ungarn
Einwohner: