Regensburg am Schwarzen Meer. Daniel Weißbrodt

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Regensburg am Schwarzen Meer - Daniel Weißbrodt

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Donaukilometrierung beginnt in Sulina am Schwarzen Meer mit dem Kilometer 0 und folgt dem Fluss aufsteigend bis zu einer steinernen Tafel mit der Inschrift »Donau 2 779« am Zusammenfluss von Brigach und Breg bei Donaueschingen.

      Eigentlich ist das alles ziemlich gut eingerichtet, denke ich, beinahe wie eine Straße ist der Fluss ausgeschildert, Schleusen werden auf blauen Tafeln angekündigt und Bojen – links sind sie grün, rechts rot – markieren die Schiffsrinne. Nach einem kurzen Blick in das Buch weiß ich immer, wo ich bin, und ich stoppe die Zeit und rechne aus, dass ich mit fünf bis sechs Kilometern in der Stunde vorankomme.

      Links und rechts verbirgt ein mit kurzem Rasen bewachsener Damm das umliegende, flache Land und nur ab und an sehe ich die roten Ziegeldächer eines Dorfes oder die Spitze eines Kirchturms und links auf einem Hügel steht die Walhalla.

      Ein paar Kilometer weiter steht das Wasser ganz. Die Donau ist nun kein Fluss mehr, sondern ein See, breit und ruhig. Ich kann mich nicht mehr treiben lassen, ich muss paddeln, um voranzukommen und schaffe nicht viel mehr als drei bis vier Kilometer in der Stunde.

      Am blauen Himmel schweben nur noch ein paar kleine, weiße Wölkchen, die Sonne scheint und es ist warm geworden, Schweiß steht mir auf der Stirn und ich glaube, ich bekomme langsam einen leichten Sonnenbrand.

      Ein großes Schiff kommt mir entgegen, dick und breit und lang. Vor sich schiebt es eine weißschäumende Bugwelle her und es kommt schnell näher. Das Schiff fährt in knapp hundert Metern Entfernung an mir vorüber und ich sehe die Wellen auf mich zulaufen. Sie sind einen guten halben Meter hoch und ich drehe die Bootsspitze in Richtung Flussmitte, so dass ich direkt in sie hineinfahre. Das Boot schaukelt, es hebt und senkt sich, liegt aber stabil im Wasser. Kurz darauf brechen sich die Wellen am Ufer und kommen zurück. Erst nach ein paar Minuten hat sich das Wasser wieder beruhigt und langsam, denke ich, langsam lerne ich, wie alles funktioniert, mittlerweile kann ich mir tatsächlich sogar schon beinahe vorstellen, in den nächsten drei Wochen im Boot unterwegs zu sein, und es ist nicht mehr weit bis zur Staustufe Geisling, der ersten von insgesamt dreizehn Donauschleusen in Deutschland und Österreich.

      Die Skizze im Buch habe ich mir zwar immer wieder angesehen, verstehe sie aber nicht.

      Am Horizont taucht eine graue Betonmauer auf, die sich über die gesamte Flussbreite spannt, flankiert von Türmen und großen Gebäuden, und ich binde das Boot an der ersten der eisernen Leitern in der langen Kaimauer am linken Ufer fest, klettere hinauf und sehe auf einem kurzgeschnittenen Rasen ein Schild stehen. »Zur Schleusung über Sprechstelle melden. Weisung über Lautsprecher abwarten«, steht darauf, aber ich gehe erst einmal nach vorn. Dort steht ein Turm mit einer verglasten Kanzel, der aussieht wie ein Flughafentower, und über dem breiten Doppelflügeltor der Schleuse leuchtet eine rote Ampel. Hinter der Anlage ergießt sich das Wasser neben dem Schleusenbecken rauschend und donnernd über eine etwa fünf Meter hohe Staumauer.

      Ich gehe zurück und neben dem Schild hängt an einem Pfahl unter einem kleinen Dach ein altertümliches Telefon.

      Ich hebe den Hörer ab und es klingelt.

      »Grüß Gott!«, sagt eine Männerstimme.

      »Guten Tag!«, sage ich. »Ich möchte geschleust werden, mit meinem Paddelboot, geht das?«

      »Jaja, das geht«, antwortet der Mann. »In fünfzig Minuten kommt ein Frachter. Wenn die Ampel auf Grün schaltet, fährt zuerst das große Schiff in die Schleuse, danach rufe ich Sie aus und dann kommen Sie in die Kammer.«

      »Danke!«, sage ich und lege auf.

      Das scheint ja doch ganz einfach zu sein und gar nicht so kompliziert wie ich befürchtet hatte, und ich setze mich unter einen Baum in den Schatten und warte auf das Schiff.

      Nach einer knappen Stunde kommt der Frachter und legt an der rechten Kaimauer an, ich stehe auf und sehe zur Ampel. Das Tor zur Schleusenkammer öffnet sich und die Ampel schaltet auf Grün, das Schiff fährt hinein und ich klettere die Leiter hinunter, steige ins Boot und mache die Leinen los.

      »Das Ruderboot jetzt bitte in die Schleusenkammer einfahren!«, ertönt es aus einem Lautsprecher und ich paddle los. In der Kammer halte ich mich an einer in die Mauer eingelassenen Eisenleiter fest und hinter uns schließt sich quietschend und rumpelnd das schwarzstählerne Tor.

      Das Schiff neben mir ist die »Doria«. Unter der Brücke liegen die Kabinen, in den Fenstern hängen Spitzengardinen, stehen Blumentöpfe und kleine Gartenzwerge aus Ton. Die »Doria« sieht beinahe so aus wie ein stählernes, weißgestrichenes, schwimmendes Einfamilienhäuschen und auf dem flachen Dach steht ein frischgeputzter, silberfarbener Mercedes.

      Nach einer Weile beginnt der Wasserspiegel zu fallen. Langsam und Zentimeter für Zentimeter und Meter für Meter sinken wir immer tiefer. Die Mauer neben mir ist nach einer halben Stunde etwa fünf Meter hoch, nass und mit Algen bewachsen, und die Leiter, an der ich mich festhalte, ist glitschig. Aus kleinen Vertiefungen in der Wand tropft Wasser.

      Das vordere Tor öffnet sich und wieder schaltet eine Ampel von Rot auf Grün. Hinter der »Doria« schäumt grünlichweiß das Wasser auf und sie fährt hinaus. Nach einer Weile, als sich das Wasser wieder beruhigt hat, folge ich ihr. Der Fluss fließt nun wieder, über etliche Kilometer steht dichter Auwald an beiden Ufern und als er sich lichtet, kann ich am linken Horizont schon hellblau die Berge des Bayerischen Waldes erkennen.

      In einer Bucht mit Kiesstrand und einem schmalen Streifen Wiese, umgeben von Wald, baue ich das Zelt auf und zünde ein kleines Feuer an. Es ist ganz still, nur ein paar wenige Vögel zwitschern und das Feuer knackt leise. Ich sitze auf einem Stein und sehe über den Fluss und auf das gegenüberliegende Ufer, wo die Bäume in der Abendsonne leuchten. Ein Schwarm kleiner Fische steht im klaren Wasser in Ufernähe, ein Biber schwimmt an der Bucht vorbei, er scheint mich nicht zu bemerken und aus der Ferne ist leise das Motorengeräusch eines flussaufwärts fahrenden Lastkahns zu hören, das langsam näher kommt.

      Am Bug der »Phoenix«, der Name steht in lateinischen und in kyrillischen Buchstaben an der weißen Schiffswand, hängt die deutsche, am Heck die weiß-grün-rote bulgarische Flagge. Vor das Schiff ist, wie ein Anhänger an einen LKW, ein Schubleichter gekoppelt, ein voll beladener Lastkahn ohne Brücke und Motor, eine schwimmende Wanne aus rostrotem Stahlblech.

      Ich sitze am Ufer und habe Muskelkater in den Armen und den Händen. Die Finger, die den ganzen Tag das Paddel gehalten haben, krümmen sich auch jetzt am Abend noch und es fällt ein wenig schwer, sie gerade auszustrecken.

      Ich habe einen Sonnenbrand und morgen, denke ich, morgen werde ich mir in Straubing Sonnencreme und einen Hut kaufen, mache mir ein paar Notizen und schreibe die Erlebnisse der ersten beiden Tage in meine Kladde.

      IN DER STAUSTUFE STRAUBING, lese ich am Morgen im Wasserwanderführer, wird nur die Großschifffahrt geschleust, für Kanufahrer gäbe es stattdessen eine »leicht bedienbare Bootsgasse«, was immer das auch sein mag. Aber ich kann die Skizze im Buch schon etwas besser verstehen als gestern und fahre zur Bootsgasse neben der Schleuse.

      Eine Öffnung ist mit einem Brett versperrt, neben dem Brett hängt an einem Pfosten eine Kette wie an einer altertümlichen Klospülung und auf einem Schild steht »Bootsgasse. Bitte ziehen«. Ich ziehe an der Kette, das Brett senkt sich und macht den Blick frei auf eine vielleicht zwanzig Meter lange, steile Rinne, etwa zweieinhalb Meter breit, durch die nun Wasser fließt. Die Bootsgasse.

      So muss ich wenigstens nicht darauf warten, dass ein großes Schiff kommt, mit dem ich geschleust werden kann, denke ich und fahre vorsichtig hinein. Der Bug senkt sich, das Boot gleitet durch den Kanal und Wasser spritzt mir ins Gesicht, es ist ein bisschen

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