Regensburg am Schwarzen Meer. Daniel Weißbrodt
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Die Frau ist etwa dreißig Jahre alt und hat halblanges, blondes Haar, sie steht frischgeduscht in einem sauberem Shirt und Jeans in einem hellen Treppenhaus mit Stufen aus polierten Steinplatten und ich komme mir vor als hätte ich, ungewaschen, unrasiert und durchnässt, wie ein Bettler an einer fremden Haustür geklingelt und als sei allein meine Frage eine ziemliche Unverschämtheit.
»Dürfte ich vielleicht im Haus übernachten?«, frage ich sie trotzdem. »Ich brauche auch nichts weiter, ich habe einen Schlafsack und eine Isomatte. Und selbstverständlich bezahle ich auch dafür.«
»Nein«, sagt sie, »das geht nicht«, schüttelt den Kopf und führt mich auf die Wiese hinter dem Haus. Es regnet, ich stehe auf dem kurzgeschnittenen Rasen und durch die gläserne Terrassentür kann ich in einen großen, leer stehenden Raum sehen. Ein Kanu hängt neben gerahmten Fotos, neben Urkunden und Wimpeln an der Wand und in einer Vitrine stehen Pokale. Da drinnen hätte sie mich doch schlafen lassen können, denke ich und baue das Zelt auf, mache mir eine Dose Gulasch warm und sitze, mit dem Rücken an die Hauswand gelehnt, auf dem schmalen, trockenen Streifen Terrasse und sehe dem Regen zu.
Hemd, Pullover und Hose sind trotz des Regencapes nass und auch in den Packsäcken werden die Sachen nach und nach ziemlich klamm. Ich lege mich in den feuchten Schlafsack, ich friere und höre den Regen rauschen.
ALS ICH AM MORGEN das Zelt abbaue und meine Sachen zusammenpacke, ist es trüb und kühl und ab und an regnet es. Am Nachmittag wird der Regen stärker und ich fahre bei Melk in einen Altarm hinein.
»Bootssteg nach 200 m, Bootshaus der Ruder-Union. Übernachtung auf Luftmatratzen möglich«, steht im Wasserwanderführer. Ich gehe hinauf zum Haus, vor dem schon ein Kajak auf der Wiese liegt. Daneben steht ein winziges, flaches Zelt und unter dem Dach sitzen auf der Terrasse eine Frau und ein Mann. Sie sind Ende vierzig und schneiden Gemüse in einen Kochtopf. Der Mann hat dichte, silberfarbene Locken, seine Füße stecken in Sandalen und ein T-Shirt, das über der kurzen Hose hängt, spannt ein wenig über seinem Bauch. Er sieht aus wie ein grau gewordener Weihnachtsengel. Die Frau hat kurze, blonde Haare, sie trägt Jeans und ein graues Sweatshirt.
»Hallo«, sage ich. »Bin ich hier richtig am Ruderklub? Ich würde gerne hier übernachten, wenn das möglich wäre.«
»Ja«, sagt der Mann. »Hier bist du genau richtig! So ein Scheißwetter«, lächelt er freundlich. »Da macht es wirklich keinen Spaß. Ich bin Bernd«, sagt er, reicht mir die Hand und deutet auf die Frau. »Sabine.«
Sie nickt nur kurz und er zeigt mir das Haus, die Duschen und den Raum, in dem ich übernachten kann.
»Wir schlafen im Zelt«, sagt er. »Du hast das Zimmer also ganz für dich allein.«
In dem holzgetäfelten Raum stehen auf steinernen Bodenplatten ein kleiner, schwarzer Ofen, ein Biertisch und zwei Bänke vor einem großen Fenster.
Ich hole die Sachen aus dem Boot, entlade es und ziehe es auf den Steg. Die zweite Spante von vorn sieht nicht gut aus. Einer der stählernen Haken sitzt nicht mehr in dem dafür vorgesehen Loch und das Holz ist gebrochen, aber ich habe nichts dabei, es zu reparieren. Durch das Verdeck ist viel Wasser hineingelaufen, so viel, dass ich tagsüber mit der Socke, mit der ich es während der Fahrt immer wieder aufgewischt habe, gar nicht mehr hinterhergekommen bin. Ich drehe das Boot um und ein Schwall Wasser läuft heraus. Es wird dem Holzgerüst guttun, denke ich, etwas abzutrocknen.
Im Haus spanne ich Leinen und hänge meine Sachen auf. Danach gehe ich über das Grundstück und suche unter den Bäumen nach Ästen und Zweigen. Nach einer halben Stunde lege ich ein Bündel Holz neben den Ofen, gehe wieder hinaus zu den beiden und setze mich zu ihnen.
»Scheißwetter«, sagt Bernd, »willst du ein Bier?«
Ich nicke und er geht ins Haus.
»Der Klub ist prima«, sagt er und zwinkert mir zu, als er mit zwei Büchsen in der Hand wiederkommt. »Wir sind heute Mittag hier angekommen und haben die Nummer angerufen, die an der Tür steht. Zehn Minuten später hat uns die Gabi aufgeschlossen. Wir können so lange bleiben wie wir wollen, und der Kühlschrank ist voll mit Bier. Kostet nur einen Euro, einzuwerfen in die Kasse des Vertrauens. Wir kommen aus Oldenburg«, sagt er, »und fahren mit dem Kajak durch die Wachau, von Melk nach Krems. Dann geht es weiter nach Wien. Das sind genau hundert Kilometer und wir haben eine Woche dafür eingeplant.«
»Die Wachau ist die schönste Ecke in Österreich«, sagt Sabine, »Weltkulturerbe. Wir machen immer solche Touren mit unserem Boot«, und sie deutet hinüber zu dem modernen, hellblauen Hartschalenkajak, das neben dem Zelt im Gras liegt.
Ich ziehe das Regencape über und gehe trotz des Wetters hinauf zur großen, barocken Benediktinerabtei, die auf einem Felsen am Ufer steht, spaziere durch den Garten und sehe über die Donau. Der Blick von hier oben ist ein ganz anderer als der aus dem Boot. Große Strudel gurgeln, die Wellen fließen schnell und scheinen geradezu zu drängeln und zu drängen, zu schieben und zu schubsen, als könnte jede von ihnen es kaum erwarten voranzukommen, und als wollte jeder Tropfen der erste sein auf dem langen Weg zum Meer.
Danach gehe ich zurück zum Bootshaus. Das Holz ist nass, aber mit ein paar alten Zeitungen, die in der Ecke liegen, geht es irgendwann, und nach einer Weile brennt im Ofen ein Feuer. Es wird warm und die Hemden, Socken und Unterhosen, die Pullover und der Schlafsack beginnen zu trocknen. Es wurde auch höchste Zeit, denke ich, alles einmal aufhängen zu können. Die Sachen sind schon seit Tagen klamm und feucht, der Strohhut schimmelt bereits und hat viele, kleine, schwarzgrüne Punkte auf der Krempe.
Gleichförmig trommeln die Tropfen auf das Dach und laufen an den beschlagenen Fensterscheiben hinunter. Ich sitze neben dem Ofen, ich habe noch immer einen leichten Muskelkater und meine Handflächen werden hart und schwielig.
Am Abend mache ich mir ein paar Notizen, aber der Stift erscheint mir winzig und filigran und ich befürchte beinahe ihn zu zerbrechen, wenn ich nicht vorsichtig genug bin. Seit zehn Tagen sind meine Hände nun schon das glatte und feste Holz des Paddels gewöhnt, zwei Meter lang und drei Zentimeter stark, gewöhnt daran zuzupacken und es durch das Wasser zu ziehen mit ganzer Kraft.
AM MORGEN HAT DER REGEN aufgehört, Sabine sitzt unter dem Dach auf der Terrasse, liest und nickt nur kurz zum Gruß, als sie mich sieht, und aus dem Zelt höre ich ein lautes Schnarchen.
Ich gehe hinunter zum Ufer und im Altarm ist das Wasser erneut um einen halben Meter gestiegen. Die Treppe und der Steg zum schwimmenden Ponton liegen halb unter Wasser. Der Fluss ist trüb, braun und schlammig und ich kann die steinernen Stufen nicht mehr erkennen, ziehe die Schuhe aus und taste mich barfuß hinüber. Das funktioniert und ich gehe zurück zum Haus und packe meine Sachen zusammen. Es ist tatsächlich alles getrocknet über Nacht.
Bernd schaut gerade aus dem Zelt, als ich mit den Packsäcken aus der Tür komme.
»Guten Morgen«, sage ich. »Heute haben wir Glück. Es regnet nicht mehr!«
Er reibt sich die Augen und sieht zum Himmel.
»Ja, das sieht gut aus«, sagt er fröhlich. »Dann kann ich ja auch aufstehen.«
Mit den Säcken in der Hand balanciere ich barfuß, langsam und vorsichtig durch das knietiefe Wasser, gehe zurück und hole nach und nach alles auf den Ponton. Das Boot ist abgetrocknet über Nacht, alles Wasser ist herausgelaufen und die Bootshaut innen nur noch ein wenig feucht. Ich fahre weiter und links breiten sich Weinstöcke terrassenförmig wie asiatische Reisfelder an den Hängen aus und