Regensburg am Schwarzen Meer. Daniel Weißbrodt

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Regensburg am Schwarzen Meer - Daniel Weißbrodt

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sind es genau einhundert Kilometer bis zur Schleuse Kachlet und bis zum Beginn des Rückstaus fließt das Wasser nun auf achtzig Kilometern frei. Zwischen Straubing und Vilshofen liegt das letzte, größere, unverbaute Stück Donau in Deutschland.

      In Straubing scheint eine flache, steinerne Rampe ein guter Anlegeplatz zu sein, aber seltsamerweise liegt die Rampe verkehrtherum im Fluss. Ich muss wenden und gegen die Strömung auf sie hinauffahren. Doch das geht ganz leicht und ich muss nur ein wenig schneller sein als die Strömung, schon lässt sich das Boot erstaunlich gut manövrieren und ich schlittere nicht mehr mit der Fließgeschwindigkeit über die Steine, sondern gleite ganz langsam und sacht ans Ufer. Nicht die Rampe liegt also verkehrt im Fluss, sondern ich bin bisher in die falsche Richtung an Land gefahren.

      Der Bootsrumpf sitzt auf, ich springe heraus und hole mir, zum ich weiß nicht wievielten Male, nasse Füße.

      Alle zwei bis drei Stunden fahre ich an Land und Wellen schwappen ans Ufer, das manchmal fest, manchmal sandig und manchmal schlammig ist, ich muss aussteigen und das Boot ein Stück weit an Land ziehen, ich stehe im Wasser und trocken bleiben die Füße beim Ein- und Aussteigen eigentlich nie.

      Ich gehe hinauf in die Stadt und auf der Straße hinterlasse ich die feuchten Abdrücke meiner Sandalen, die in der Sonne schnell wieder trocknen.

      In Straubing kaufe ich Sonnencreme und mache mich auf die Suche nach einem Sonnenhut. Am besten wäre ein ganz einfacher und billiger Strohhut, denke ich, aber ich weiß nicht, wo man so etwas bekommt.

      In einem Laden in der Innenstadt gibt es Herrenhüte aus Filz, Schiebermützen und Jägerhüte ab fünfzig Euro und in einer Drogerie eine Art gehäkelte Omahütchen mit schmaler Krempe, die aber nur fünf Euro kosten. Auf dem Wasser sieht mich ohnehin niemand, denke ich, nehme ein Hütchen und lasse mir eine Tüte geben.

      Dann gehe ich weiter und sehe ein Geschäft für billige Kleidung, eine Discounter-Kette. Dort gibt es Strohhüte für drei Euro und ich kaufe einen, werfe die Tüte mit dem Omahut schnell in den nächsten Papierkorb, gehe zurück zum Boot und fahre weiter.

      Es ist eigentlich ganz hübsch, denke ich, mit dem Boot unterwegs zu sein. Straubing ist ein schönes Städtchen, aber ich wäre nicht auf die Idee gekommen, extra hierher zu fahren, um es mir anzusehen. So aber, ich fahre am Tag nur dreißig oder vierzig Kilometer, halte ich in Orten, die ich, reiste ich anders, schneller, nie kennenlernen würde.

      Manchmal, wenn ich im Zug sitze und aus dem Fenster sehe, wünsche ich mir, auszusteigen und in die Städte und Dörfer zu gehen, die links und rechts der Strecke liegen. Wer wohnt denn da und wie lebt es sich dort? Doch kaum ist der Wunsch gedacht und formuliert, ist der Ort auch schon wieder verschwunden. Hier, auf dem Wasser und im Boot, ist es anders. Ich kann anhalten wo ich will und habe nicht das Gefühl, zu schnell zu reisen. Ich kann mir Zeit lassen und selbst wenn ich ungeduldig werde und möchte, dass es schneller vorwärts geht, muss ich mich dem Fluss beugen. Er ist ohnehin stärker als ich. Wasserwandern, Flusswandern ist tatsächlich ein sehr passender und guter Begriff für diese Art der langsamen und dabei keinesfalls langweiligen Fortbewegung. Ich fahre auf dem Fluss mit der Geschwindigkeit eines Fußgängers, schon mehr als eine Stunde bevor ich ankomme, sehe ich die Dörfer und Städte links und rechts des Ufers liegen, und nach zwei bis drei Stunden Fahrt tut mir ohnehin der Hintern weh, trotz des Kissens auf dem Sperrholzsitz, und ich muss eine Pause einlegen und irgendwo anhalten und aussteigen. Hier, am Oberlauf der deutschen Donau, liegen oft nicht mehr als fünf bis zehn Kilometer zwischen den Ortschaften und ich fahre ans Ufer und binde das Boot fest, spaziere durch einen Ort und kaufe mir eine Flasche Wasser und Brot, Obst und Gemüse oder setze mich in ein Café.

      Seit ich unterwegs bin, habe ich den ganzen Tag über Hunger, ich könnte permanent essen und in einem kleinen Laden kaufe ich mir eine Tüte Haselnusskerne und eine mit Rosinen, lege sie neben den Sitz und greife während der Fahrt immer wieder hinein.

      Am Abend ziehe ich das Boot an Land, binde die Leinen an einen Baum und steige das Ufer hinauf. Hinter dem Damm liegen Wiesen und Felder und in der Ferne ein paar Dörfer. Ich hole die Packsäcke und baue das Zelt auf, als ein Mann zu mir kommt. Er ist etwa fünfzig Jahre alt, er trägt eine Jeanslatzhose über einem karierten Holzfällerhemd und ausgetretene Gummistiefel.

      »Ist das Ihr Land, auf dem ich zelte?«, frage ich ihn.

      Er nickt und geht ein paar Schritte in Richtung Fluss, betrachtet das Boot, das am Ufer liegt, und nickt erneut.

      »Dees basst scho«, sagt der Mann. »Vor zwanzg Johr war da Fluuß no saudreggad! Do is da beim Fischn des Scheißbabbierl an da Schnur hänga bliebm.«

      »Da ist es jetzt besser«, sage ich.

      »Unsaoans hamats zwengdem Wassergebührn naufbrummt, damit de z’Straubing jazd a anständige Kläranlag ham. Saudeia is da Scheißdreeg seither. Ois is so deia wordn«, sagt er. »Des geht nimma lang guad! 20 000 Mark ham mia doomois zoihn miaßn, dass uns an Kanalisation ogschlossn ham. Aba an Grabn hama trotzdem soiba aushebm miaßn. Zwoahundert Metta ham mei Nachbar und i ausgrabn!«

      Er macht eine wegwerfende Handbewegung, dann deutet er auf den Fluss und grinst.

      »Mia han aba trotzdem drin gschwumma«, sagt er. »Trotz an Dreeg. Der hod uns ned scheniert. Des san fast dreihundert Metta und i bi jedn Tag auf d’Nacht oamoi durche gschwumma. Oamoi hi und wieda retour. Jedn Tag.«

      Dann geht er.

      Der beinahe volle Mond geht groß und orangerot hinter einem Hügel auf und spiegelt sich im schwarzglänzenden Wasser der Donau. Ein Feuer zünde ich nicht an. Es sieht zwar schön und romantisch aus, aber hinterher stinken die Klamotten doch wieder nur tagelang nach kaltem Rauch.

      SEIT FÜNF TAGEN bin ich auf dem Fluss unterwegs und am Nachmittag sehe ich am südöstlichen Horizont eine Brücke, die sich über die Donau spannt, am Ufer stehen Kirchtürme und mehrgeschossige Häuser. Passau liegt bunt und glänzend in der Sonne, die Fassaden der Häuser leuchten gelb und rot und ockerfarben, an Kaimauern liegen weiße Ausflugsschiffe und Angler stehen am Ufer.

      Ich halte nicht in Passau, die Stadt ist mir zu groß und zu unübersichtlich. In den kleineren Orten und in den Dörfern gibt es meist bessere Anlegestellen für mein Boot und der Weg zum nächsten Laden ist auch einfacher zu finden. Immer auf den Kirchturm zu und dort ist dann meistens auch ein Geschäft und eine Kneipe oder ein kleines Café.

      Hinter Passau mündet von rechts der Inn in den Fluss. Das grünbraune Wasser der Donau und das kalkgrautrübe aus den Alpen fließen eine Weile nebeneinander her, dann vermischen sie sich. Das Land wird bergig, hohe Kuppen fallen steil zum Ufer ab und ich suche ein Schild, das die Grenze markiert. Ab dem Kilometer 2 223 ist das rechte Ufer österreichisch, aber ich sehe kein Schild und fahre über die erste der vielen Grenzen, die die Donau passiert, ohne erkennen zu können, wo sie verläuft. Einerseits bin ich ein bisschen enttäuscht, andererseits finde ich es ganz großartig, dass es keine Kontrollen mehr gibt und ich einfach von einem Land in das andere wechseln kann, ohne dass sich irgendeine Behörde dafür interessiert.

      In Erlau spielen ein paar Männer Fußball und neben dem Sportplatz baue ich das Zelt auf. Als ich fertig bin, ist auch das Spiel zuende, die Männer gehen vom Platz hinüber zum Vereinshaus und ich frage einen der Fußballer, der vor dem Haus steht, ob ich vielleicht bei ihnen duschen könnte.

      »Wasserwanderer?«, fragt er und ich nicke.

      »Dahinein«, sagt er und deutet auf die Tür.

      Eine Dusche! Heißes Wasser! Seife! Das abfließende Wasser unter meinen Füßen ist graubraun. Ich schließe die Augen, lasse das Wasser

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