Das Erbe der Burgherrin. Sabine Müller

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Das Erbe der Burgherrin - Sabine Müller

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Arnold, „sieh, was ich hier habe!“

      Der Junge zog ganz aufgeregt den kleinen Zahn aus seinem Beutel und hielt ihn dem Vater hin.

      „Was ist denn das? Das ist ja ein Zahn! Komm lass dich ansehen! Zeig mir deine Zähne.“

      Arnold öffnete mit einem breiten Grinsen den Mund und zeigte seinem Vater die Zahnlücke.

      „Unser kleiner Junge wird zum Mann!“, rief Konrad erfreut.

      „Jetzt übertreib nur nicht,“ Mechthild lächelte, „sonst will er gleich nach Kirkel und Page werden.“

      „So lange dauert das auch nicht mehr.“

      Wehmütig wurde Mechthild bewusst, dass Konrad damit recht hatte. In spätestens zwei Jahren würde Arnold Page sein! Sie durfte gar nicht daran denken! Umso wichtiger war es jetzt, dass sie so viel Zeit wie möglich mit ihm verbrachte.

      „Vater, hier sieh meinen Speer! Ich habe ihn selbst geschnitzt. Er ist vorne ganz spitz. Beinahe hätte ich einen Fisch damit gefangen.“

      Während Arnold bei Konrad blieb und seinem Vater vorführte, wie er mit dem Speer Fische fangen konnte, verabschiedete sich Mechthild und ging zum Burgbrunnen, um sich ein wenig zu erfrischen. Sie bat eine Magd, einen Eimer mit frischem Wasser hochzuziehen und wusch sich Hände und Gesicht mit dem kühlen Nass.

      „Grüß dich Mechthild!“, ertönte eine Stimme vom Oberhof der Burg herunter. An den Zinnen, die den Oberhof begrenzten, stand Mechthilds Schwester Irmgard mit ihren Töchtern Jutta und Katharina und winkte herab.

      „Seid gegrüßt, ihr drei!“

      Mechthild machte sich lächelnd auf den Weg die Treppen hinauf. Irmgard war ein wenig fülliger als Mechthild, aber ansonsten glich sie ihrer Schwester wie aus dem Gesicht geschnitten, die gleichen haselnussbraunen Haare und dunklen Augen und die Grübchen in den Wangen, die sich beim Lächeln besonders abzeichneten. Ihre Tochter Jutta war fast ein Jahr älter als Arnold. Sie trug das lange glatte, blonde Haar ordentlich geflochten. Über ihr blaues Kleid hatte sie eine weiße, saubere Schürze gebunden. Wie so oft sahen ihre blauen Augen leicht tadelnd auf Mechthild herab, deren Garderobe bei ihrer Wanderung durch den Wald ein wenig gelitten hatte. Doch die kleine Katharina, die kaum fünf Jahre zählte, war ein richtiger Wildfang. Ihre braunen Locken ließen sich einfach nicht bändigen und ihr braunes Kleidchen wurde immer von ein paar Flecken geziert. Sie war das Gegenteil ihrer großen Schwester und strahlte Mechthild aus ihren grünen Augen an.

      „Warst du wieder im Wald, Tante Mechthild?“

      „Ja, ich habe einen Spaziergang mit Arnold gemacht. Wir waren drüben an der Merburg. Es war wunderschön! Wollt ihr nicht auch einmal mit uns kommen?“

      „Oh, ja!“, frohlockte Katharina begeistert.

      „Aber Tante, das ist doch viel zu gefährlich!“, rief Jutta entsetzt.

      „Wenn wir alle zusammen gehen und vielleicht noch Ritter Hanricus mitnehmen, wird das schon gehen,“ mischte sich Irmgard ein.

      „Können wir gleich morgen losziehen? Bitte, bitte!“, bettelte Katharina begeistert.

      „Wenn Konrad und Friedrich nichts dagegen haben.“

      „Lasst uns nun zum Rittersaal gehen. Die Abendmahlzeit wird bald aufgetragen.“

      Die Frauen und Kinder machten sich auf den Weg und nahmen an dem großen Herrentisch Platz. Es dauerte nicht lange, bis sich der Saal füllte. Konrads Mutter, Margareta, setzte sich auf ihren Platz in der Mitte der großen Tafel. Mit ihren zweiundsechzig Jahren war sie immer noch eine stattliche und würdevolle Frau. Sie trug ein schlichtes braunes Gewand und eine Kette mit einem goldenen Kreuz. Ihre grauen Haare hatte sie unter einer weißen Haube versteckt und ihr Gesicht wurde von Lachfältchen geziert. Die Grafen Konrad und Friedrich trafen mit ihren Rittern, Knappen und Knechten hungrig von ihren Übungen ein. Der kleine Arnold war immer noch an der Seite seines Vaters und redete mit ihm über Waffen. Auch das Gesinde fand sich ein und die Pagen begannen damit, das Essen aufzutragen.

      „Hab ich einen Hunger!“, rief Graf Friedrich, Konrads Vetter, als der deftige Fleischeintopf seinen Duft verbreitete. Friedrich war nur wenige Jahre älter als Konrad, sein dunkelblondes Haupthaar begann sich zu lichten, doch dafür wuchs sein Bart umso dichter und sein grünes Wams spannte sich über seinem Bauch. Genau wie Konrad trug er den Titel „Graf von Homburg“. Gemeinsam und gleichberechtigt regierten sie über die kleine Grafschaft im Westrich.

      „Das Frühlingswetter macht wohl Appetit“, lächelte Irmgard über ihren Mann.

      Die Pagen füllten die Holzschalen mit Eintopf und die irdenen Becher mit verdünntem Wein. Altgräfin Margareta, die viele Jahre als Äbtissin einem Kloster vorgestanden hatte, erhob sich und sprach einen Segensspruch. Dann langten alle zu. Vor wenigen Jahren hatte in der Gegend eine Hungersnot geherrscht, doch die mageren Jahre waren endlich vorüber und das Essen reichte für alle.

      „Morgen wollen wir wieder eine Wanderung zur Ruine der Merburg machen und Irmgard und die Mädchen wollen uns begleiten. Wir nehmen Ritter Hanricus zum Schutz mit, wenn du ihn entbehren kannst“, wandte sich Mechthild an Konrad.

      „Oh, das geht leider nicht, Mechthild. Morgen reite ich nach Kirkel und ich hätte gerne, dass du mich begleitest. Magdalena geht es nicht so gut.“ Magdalena, die von allen nur Leni genannt wurde, war Konrads Ziehmutter. Sie hatte ihn als Säugling im Wald gefunden, nachdem sein Vetter Walther veranlasst hatte, dass man ihn aussetzte und für tot erklären ließ.

      „Oh, ich verstehe. Dann müssen wir unsere Wanderung verschieben.“ Jutta atmete erleichtert auf. Sie ging nicht gerne durch den Wald. Die Bäume jagten ihr immer ein wenig Angst ein. Katharina hingegen verzichtete nur ungern auf das kleine Abenteuer.

      „Magdalena geht es schlecht?“, mischte sich Margareta ein.

      „Ja, Thea hat einen Boten geschickt. Sie hat so starke Schmerzen und kann kaum noch aufstehen.“

      „Das tut mir leid. Richtet ihr die besten Grüße und Wünsche von mir aus. Ich werde für sie beten.“

      Kapitel 3

      Nahe der Burg Malberg ritten zwei Männer durch den Wald. Sie saßen auf braunen Stuten und trugen schwarze Waffenröcke über ihren Kettenhemden und darunter dunkelbraune, enge Beinlinge. Der eine hatte krauses, dunkles Haar, der andere helles glattes. Gemeinsam waren ihnen ihre gekräuselten Bärte, die von grauen Strähnen durchzogen wurden. Auf einer Lichtung stießen die Ritter Hartmut und Wolfgang auf eine kleine Horde von Räubern.

      „Wir dachten schon, ihr würdet gar nicht mehr kommen!“

      Ein grobschlächtiger Kerl mit einer langen Narbe auf der rechten Gesichtshälfte, dunkelbraunen zotteligen Haaren und einem zerschlissenen braunen Wams trat den beiden Rittern entgegen.

      „Aber Sveti! Wie kannst du so etwas von uns denken? Wir mussten nur dem Goldhändler noch gut zureden, damit er uns genug für den Rosenkranz gibt. Er wollte schon aufmucken.“

      „Ich hoffe, es langt für unseren vereinbarten Anteil!“

      „Ja, diesen Beutel bekommt ihr jetzt, den Rest später, wenn unsere Wege sich trennen.“ Hartmut hielt dem Räuberhauptmann einen prall gefüllten Lederbeutel entgegen. Dessen Augen begannen

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