... und hinter uns die Heimat. Klaus-Peter Enghardt
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Mit einem Blick auf die Küchenuhr sagte sie erschrocken: »Erbarmung, nun ist es schon so spät geworden. Ich hatte ganz und gar die Zeit vergessen. Nun huckt euch mal noch ein bisschen her, ich räume das Feld.«
Den höflichen Einwand des Pärchens, doch zu bleiben, lehnte sie diskret ab und ging in ihr Zimmer. Sie konnte sich gut vorstellen, dass die Zwei noch ein bisschen allein sein wollten.
Obwohl sie nicht übermäßig neugierig war, konnte sie doch lange nicht einschlafen und hörte Wolfgang und Katharina in der Küche leise sprechen. Nur manchmal wurde das Gespräch für einige Zeit unterbrochen, dann lächelte Marie Schimkus, denn sie ahnte warum. Ach, wenn doch dieser Krieg nur schon vorbei wäre. So eine Frau, wie Katharina hätte sie ihrem Sohn sehr gegönnt.
Die kurze Zeit des Urlaubs war vergangen und Wolfgang hatte sein Gepäck bereits neben seinem Bett stehen. Nur noch eine Nacht und dann musste er sich von seiner Mutter und von Katharina verabschieden.
Am Morgen saßen alle drei ziemlich schweigsam am Frühstückstisch, nur ab und zu flogen ein paar Worte hin und her. »Pass’ auf dich auf, sei nicht leichtsinnig, rauche nicht so viel, schreibe mal öfter!« Alles Ermahnungen, die er nach jedem Urlaub hörte. Katharina schaute auf die Küchenuhr. Sie musste in die Schule.
»Ich werde mal ein bisschen Holz für den Küchenofen aus dem Stall holen«, sagte Marie Schimkus plötzlich und stand auf, um eilig die Küche zu verlassen. Sofort flog Katharina in Wolfgangs Arme und küsste ihn stürmisch. »Bleib gesund«, flüsterte sie, »und schreibe mir so oft es geht. Wann wirst du denn wieder auf Urlaub kommen?«, wollte sie wissen.
»Wenn ich Glück habe, bekomme ich vielleicht Weihnachtsurlaub. Es sei denn, dass ich versetzt werde, dann werden die Neuen natürlich nicht berücksichtigt. Aber ich denke, dass ich bei meiner Einheit bleibe«, sagte Wolfgang und küsste Katharina auf die Augen, aus denen nun doch ein paar Tränen kullerten.
Während der zwei Wochen hatte sich das Mädchen unsterblich in den jungen Mann verliebt und nun kam zur Angst um ihre Eltern auch noch die Angst um ihren Liebsten.
Katharina wäre gern noch geblieben, aber ihr Pflichtbewusstsein gebot ihr, pünktlich zum Unterricht zu erscheinen. »Auf Wiedersehen Wolfgang!« Es klang so unpersönlich, da setzte sie noch ein zärtliches: »Ich hab’ dich lieb« dazu. Ein letzter Kuss, und die Lehrerin floh mehr aus dem Haus, als dass sie lief. Vor der Schule wischte sie sich mit dem Taschentuch die Tränen ab und putzte sich ihr rotes Näschen.
Als sie nach der Schule nach Hause kam, war Wolfgang fort und Frau Schimkus sehr still. Beide umarmten sich, weinten leise, und hofften, Wolfgang gesund wiederzusehen.
Am Abend sprachen die Frauen über Wolfgang und Frau Schimkus fragte Katharina, ob sie sich vorstellen könnte, eines Tages in Ostpreußen zu leben.
Obwohl die junge Lehrerin ihre Eltern über 1000 Kilometer entfernt wusste, wäre sie für ihre Liebe tatsächlich nach Ostpreußen gezogen, verriet sie ihrer Wirtin. Die Frau war so gerührt, dass sie Katharina erneut umarmte und ihr das »Du« anbot.
Ab sofort sagte Katharina zu ihr »Marie«.
Am nächsten Tag machte die Lehrerin mit den Jüngsten in ihrer Klasse Schreibübungen. Die Kinder mussten einfache Worte von der Tafel in ihre Hefte übertragen, die älteren Schüler eine Geschichte in ihren Büchern lesen, die sie danach in Kurzform selbst wiedergeben sollten. Inzwischen wollte sich Katharina den Pflanzen auf den Fensterbrettern widmen. Ihr Blick ging über die Köpfe ihrer Schüler hinweg.
Die Erstklässler schrieben mit konzentrierten Minen die Buchstaben von der Tafel ab, Wort für Wort.
Die älteren Schüler lasen in ihren Büchern. Beruhigt widmete sich die Lehrerin ihren Pflanzen. Zuerst wollte sie dem Gummibaum ein wenig Wasser geben, der nur ab und zu gegossen werden brauchte.
Als sie ihn jedoch mit der kleinen Gießkanne benetzte, war da nicht etwa nur Wasser in der Kanne, sondern das Wasser war mit blauer Tinte vermischt. Ehe die Lehrerin das Unfassbare bemerkt hatte, war ein Teil der Tinte bereits über die Blätter in den Topf gelaufen. Vor Schreck und Fassungslosigkeit über so eine Frechheit, konnte sie ein paar Sekunden keinen klaren Gedanken fassen. Mühsam beherrscht nahm sie dann aber den Blumentopf und verließ den Klassenraum, um die Pflanze an der Pumpe im Hof zu wässern und eventuell den Schaden zu verringern.
Beim Verlassen der Klasse huschte ihr Blick über die Köpfe der älteren Schüler und sie konnte in einigen Gesichtern ein schadenfrohes Grinsen erkennen. Die Lehrerin nahm sich vor, dass sie sich diese Burschen bis zu ihrer Rückkehr gut merken würde. Noch an der Pumpe konnte sie diese Ungeheuerlichkeit nicht begreifen. Was hatten die Pflanzen denn den Schülern getan? Diesmal würde sie durchgreifen müssen, sonst tanzten ihr die Rabauken bald gänzlich auf dem Kopf herum und lieferten den Mitschülern ein schlechtes Beispiel. Sie würde jedoch dem Missetäter und eventuellen Helfershelfern die Möglichkeit geben, sich selbst zu stellen.
Betont beherrscht kehrte sie mit der Grünpflanze in den Klassenraum zurück. Als sie über die Köpfe der Kinder schaute, sah sie nur hochkonzentrierte Schüler, die ihre Nasen tief über Bücher oder Hefte hielten und sich nicht trauten, aufzublicken. In diese Konzentration hinein fragte sie mit nicht allzu lauter, aber umso strengerer Stimme: »Wer war das?«, und zeigte dabei demonstrativ auf die Grünpflanze.
Sie ließ diese Frage einige Sekunden im Raum stehen und fragte dann schärfer: »Wer war das? Jetzt kann der Unhold Mut beweisen. Wehrlose Pflanzen zu ruinieren bedarf es keinen Mut. Also, wer war der Übeltäter?«
Die Nasen senkten sich noch tiefer über die Lehrmittel.
»Also gut, wenn sich der Lauks nicht selbst meldet, werde ich es herausfinden, das wird gar nicht so schwer werden. Ich denke, dass es niemand aus der unteren Klasse war. Diese Schüler können an die Wand treten. Den Mädchen traue ich so eine Tat auch nicht zu, die können auch zur Seite gehen.« Nach einem abschätzenden Blick auf den Rest der Klasse zählte die Lehrerin die Anzahl der verbliebenen Schüler.
»Nun haben wir also noch achtzehn Verdächtige. Merkt ihr etwas? Der Ring zieht sich immer enger zu«, sagte die Lehrerin streng. »Also, letzte Chance. Wer war es?«
Kein Schüler meldete sich, aber einige rutschten nervös auf ihren Bänken hin und her. Katharina schaute jeden einzelnen Jungen durchdringend an und pokerte: »Hans, du kannst zur Wand gehen, Robert auch. Martin und Friedrich können auch mitgehen.«
Ihre Blicke schienen die Schüler zu durchbohren und erzeugten immer größere Nervosität unter ihnen.
Sie wandte sich an den Klassensprecher: »Ulrich, weißt du wer es war?« Der Schüler schüttelte wenig glaubhaft den Kopf.
»Das glaube ich dir zwar nicht und es ist schlimm genug, dass du als Klassensprecher mich anschwindelst, aber dir traue ich die Tat ebenfalls nicht zu, gehe also mit zur Wand. Und darüber, ob ich dich noch als Klassensprecher akzeptieren werde, werden wir später reden.«
Mit hängendem Kopf trat Ulrich zur Seite, er schämte sich, seine Lehrerin angelogen zu haben, die immer fair zu den Kindern war.
Schüler für Schüler wurde von der Lehrerin aussortiert, bis nur noch ein Kern von sieben Jungs übrig geblieben war.
Die Spannung war deutlich zu spüren. Keiner der Übriggebliebenen wagte, der Lehrerin ins Gesicht zu schauen, also folgerte Katharina, dass alle sieben zumindest Mitwisser waren und dass sich unter ihnen der Täter befand.
Die Lehrerin