... und hinter uns die Heimat. Klaus-Peter Enghardt
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Nun saß die junge Frau bereits wieder im Zug nach Berlin.
Es war Freitagmorgen und am Montag begann wieder der Unterricht. Katharina hatte die Verabschiedung von ihren Eltern tapfer hinter sich gebracht und freute sich sogar ein bisschen auf Loditten, das sie bereits als ihre zweite Heimat ansah. Der nächste Urlaub würde erst wieder in den Weihnachtsferien anstehen, doch da in Köln immer wieder mit Fliegerangriffen zu rechnen war, hätte sie es gern gesehen, dass ihre Eltern sie in ihrer neuen Heimat besuchten.
Die Versorgung auf dem Land war ungleich besser als in der leidgeprüften Riesenstadt Köln und außerdem könnten ihre Eltern bei ihr ein paar friedliche Tage verleben.
Die Antwort der Mutter stand beim Abschied immer noch aus, sie konnte sich einfach nicht entschließen, eine so weite Zugreise zu unternehmen. Nun hoffte Katharina auf die Überredungskünste ihres Vaters.
Der Besuch bei Tante Ida war sehr schön, sie war vom Besuch ihrer Nichte völlig überrascht worden. Ebenso wie bei ihrer Schwester kullerten auch bei Tante Ida die Freudentränen über die Wangen. Für sie war ihre Nichte fast wie ein eigenes Kind, das ihr der liebe Gott leider nicht geschenkt hatte.
Darüber war auch ihre Ehe zerbrochen, denn ihr Mann hatte sich so sehr Kinder gewünscht. Nun wohnte er seit Jahren zwei Straßen neben seiner geschiedenen Frau, doch er würde gern wieder mit ihr zusammen leben, allein Tante Idas Verletztheit und ihr Stolz hatten das bisher verhindert.
Katharina hatte auch ihren Onkel Herbert besucht, der vor Freude darüber sogar ein paar Tränchen vergoss.
Bereits in der Vergangenheit hatte Katharina den einsamen Mann heimlich besucht, doch weder ihren Eltern noch Tante Ida erzählte sie davon. Tante Ida wollte von ihrer Nichte alles über Ostpreußen wissen, denn als jung vermähltes Ehepaar hatten sie und ihr Mann einmal Urlaub im masurischen Seenland gemacht und sie hatte diesen schönen Urlaub nie vergessen.
Bereitwillig erzählte Katharina ihrer Tante all das, was sie ihr in ihren Briefen längst geschrieben hatte. Sie berichtete von ihrer Arbeit, von den Menschen und sehr ausgiebig von der Schönheit dieses Landstriches und über Tante Idas Antlitz hatte sich ein seliger Gesichtsausdruck in Erinnerung ihrer eigenen Erlebnisse gelegt.
Inzwischen fuhr der Zug in den Bahnhof von Berlin-Spandau ein.
Katharina hatte bereits in ihrem Urlaub beschlossen, der Witwe Kleinschmidt einen Besuch abzustatten.
Als die junge Lehrerin das Bahnhofsgebäude verließ, pfiff ihr ein kühler Wind entgegen. Es regnete und auf den Pfützen bildeten sich große Blasen, ein Zeichen dafür, dass der Regen nicht gleich aufhören würde. Katharina schlug ihren Mantelkragen hoch und wartete auf ein Taxi.
Völlig durchgefroren saß sie ein paar Minuten später in einem Wagen, der sie zu Frau Kleinschmidt fuhr.
Ein wenig unsicher betätigte die junge Frau die Klingel an der Tür. Wie wird Frau Kleinschmidt auf den überfallartigen Besuch reagieren. Kam der Besuch ungelegen oder würde die ältere Dame sich freuen? Nach wenigen Sekunden hörte sie die kräftige Stimme der Witwe. »Momentchen, ick komme ja schon. Eene alte Frau ist ja schließlich keen D-Zug.«
Katharina musste lächeln. Genauso hatte sie Frau Kleinschmidt in Erinnerung, resolut, laut, aber herzlich.
Als die Witwe die Tür öffnete, starrte sie Katharina erst einmal ein paar Sekunden ungläubig an, doch dann brach es aus ihr heraus. »Na det is ja vielleicht ne Überraschung. Komm rin, meene Kleene. Bist ja janz nass und durchjefroren. Haste wieder zur ollen Kleinschmidten jefunden? Da freu ick mir aba, dass du mir nich vajessen hast.«
Ehe Katharina wusste, wie ihr geschah, nahm die Frau sie in die Arme und drückte sie an ihre gewaltige Brust. Die junge Frau war von der ehrlichen Freude gerührt. »Ick koch uns jleich Kaffe, ick hab noch eenen janz juten, direkt aus Holland. Jib mal deinen Koffa her.«
Katharina wusste, dass bei Frau Kleinschmidt Widerworte keinen Sinn hatten und überließ ihr den Koffer.
Als der Kaffee in den Tassen duftete, fragte die Pensionswirtin interessiert: »Wie lange kannste bleiben?«
»Eigentlich hätte ich direkt weiterfahren müssen, aber wenn ich morgen früh fahre, komme ich auch noch zurecht«, antwortete Katharina.
»Wann beginnt denn dein Unterricht?«, bohrte Frau Kleinschmidt weiter.
»Am Montag«, erwiderte die junge Frau kurz.
»Na siehste, da kannste am Sonntag mit dem Frühzug fahren und bist am Nachmittag da, und wir können uns zwee jemütliche Tage machen«, schlug die Frau vor.
»Hoffentlich klappt das mit dem Zug auch, ich möchte keinen Ärger bekommen«, gab Katharina zu bedenken.
»Ach wat, warum soll det nich klappen? Und wenn nich, ist det ooch keen Beenbruch. Du lässt dir dann eben die Zugverspätungen vom Bahnhofsvorsteher schriftlich bestätijen. Zur Not haben deine Rangen eenen Ferientag mehr. Außerdem ist die Bahn of der Strecke von Berlin nach Königsberg bisher immer pünktlich jewesen, meent meene Schwester wenigstens. Wat sachste nu dazu?«
Katharina überlegte einen Augenblick und erklärte sich schließlich einverstanden.
Sie baute einfach auf die Pünktlichkeit der Deutschen Reichsbahn. Außerdem musste sie diesmal nicht bis Königsberg reisen, sondern konnte gleich ab Heiligenbeil nach Zinten fahren. Allerdings müsste sie sich von dort ein Taxi nehmen, aber dieser kleine finanzielle Mehraufwand war ihr das Angebot der Witwe wert. Lächelnd sagte sie: »Also gut. Ich schaue mal in mein Kursbuch, wann von Heiligenbeil ein Zug nach Zinten fährt.«
Die junge Frau kramte ihr dünnes Kursbuch hervor, in dem alle Verbindungen auf den ostpreußischen Bahnstrecken, so wie die wichtigsten Fernverbindungen verzeichnet waren und verkündete nach einem Blick auf die Strecke Heiligenbeil – Preußisch Eylau: »Von Heiligenbeil nach Zinten fahren am Nachmittag zwei Züge. Einer um vierzehn Uhr fünfunddreißig, den werde ich wohl nicht schaffen, der zweite Zug fährt um achtzehn Uhr sieben und ist kurz vor neunzehn Uhr in Zinten, den schaffe ich aber. Wenn ich dann gleich ein Taxi bekomme, bin ich pünktlich genug zu Hause.«
»Prima, meene Kleene, da machen wir beede et uns bei mir so richtich jemütlich«, freute sich Frau Kleinschmidt ehrlich.
Sie war so in Katharina vernarrt und hätte sich die junge Frau als Nichte oder gar als Tochter vorstellen können.
Bei dem Gedanken daran dachte sie auch an ihre eigene Tochter, die seit langem keine Zeit mehr für ihre Mutter gefunden hatte und mit der sie nur ab und zu einmal telefonierte, und plötzlich traten Tränen in ihre Augen. Verlegen wandte sie sich ab, zog ein Taschentuch aus ihrer Schürzentasche und schnäuzte sich.
Katharina bemerkte die Stimmungsveränderung der Frau, steckte aber ihr Näschen in die Kaffeetasse und nahm einen Schluck. Sie wollte die Frau nicht noch verlegener machen, als sie ohnehin bereits war.
Nach wenigen Sekunden hatte sich Frau Kleinschmidt wieder beruhigt und sagte in ihrer unvergleichlichen Art:
»Ach, ick olle Doofe, ick habe so lieben Besuch und heule hier rum. Nu erzähle aber ma wat von dir.«
Katharina kam dem Wunsch sehr gern nach und die beiden Frauen verbrachten einen angenehmen Nachmittag. Am Abend machte Frau Kleinschmidt sogar eine Flasche Rotwein auf. Stunden später fiel Katharina nach