... und hinter uns die Heimat. Klaus-Peter Enghardt
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу ... und hinter uns die Heimat - Klaus-Peter Enghardt страница 17
»Na, ein paar hinten drauf schadet bei den frechsten auf keinen Fall und schreckt die noch zögernden ab«, weissagte der junge Mann. »Zumindest war das während meiner Schulzeit so. Und die ist ja auch noch nicht so lange vorbei. Trinken Sie mit uns einen Kaffee? Da können wir weiter plaudern«, schlug der Hofsohn vor.
»Sehr gern, ich bringe nur meine Tasche und den Mantel weg«, erwiderte Katharina erfreut.
Wenig später saßen sie gemeinsam mit Wolfgangs Mutter am Küchentisch, doch mitten in der Unterhaltung fiel Marie Schimkus plötzlich ein, dass sie noch etwas zu erledigen hätte, und sie ließ die jungen Leute unter einem fadenscheinigen Vorwand allein.
Die Beiden waren gar nicht böse darüber und Wolfgang machte Katharina den Vorschlag, eine kleine Radpartie in die Umgebung zu machen. Die junge Frau hatte nichts dagegen einzuwenden. Wolfgang holte die Räder aus dem Schuppen hervor, befreite sie vom Staub und pumpte Luft in die vom langen Stehen müden Schläuche. Dann stiegen sie auf und radelten durch das Hoftor auf die Dorfstraße.
Gleich hinter der Kirche zweigte ein schmaler Weg ab, der aus dem Dorf hinaus führte. Büsche flankierten den Weg bis zum Ortsrand. Wolfgang fuhr vorne weg und Katharina folgte ihm.
Ihr war der Weg noch gar nicht aufgefallen, aber sie hatte in den vergangenen Wochen auch noch keine Zeit gefunden, das Dorf zu durchstreifen. Der Weg führte zwischen den Feldern sanft einen Hügel hinauf, doch er war länger, als Katharina das vom Fuße des Hügels eingeschätzt hatte. Ab und zu ragten am Wegesrand größere Steine aus dem Boden und an der höchsten Stelle des Hügels begann der Wald. Dort am Waldrand stand neben einem riesigen Findling eine Bank, von der aus man auf das Dorf schauen konnte. Dankbar sank Katharina darauf nieder, denn sie war das Fahrradfahren nicht gewohnt. Wolfgang setzte sich neben die Lehrerin und erklärte ihr die Landschaft. Im Vordergrund lag Loditten zu ihren Füßen, linker Hand erstreckte sich der Waldsee zwischen den Bäumen, im Hintergrund war das Gutshaus der Familie von Lübzow zu erkennen und wenn man den Kopf nach rechts drehte, sah man die Dächer und den Kirchturm von Pellen. Katharina schaute sich alles interessiert an und folgte den Ausführungen des Unterfeldwebels.
Bevor sie wieder aufbrachen, streckte der junge Mann Katharina die Hand entgegen und sagte: »Ich wäre für das »Du«, es klingt nicht so steif und schließlich wohnen wir ja unter einem Dach.«
Katharina wurde ganz seltsam zumute. Und weil sie annahm, dass sie errötete, drehte sie sich zur Seite und sagte betont burschikos: »Warum nicht, ich habe nichts dagegen.«
Auf der weiteren Fahrt führte der Weg in sanften Bögen und im leichten auf und ab durch den Wald bis an den See und verlief von dort aus dicht am Ufer um den See herum. Auch die Landschaft im weiteren Umkreis war eine typische Moränenlandschaft mit Hügeln und kleinen Seen.
Erneut legten die beiden eine Pause ein und Wolfgang erklärte, dass die Kinder der umliegenden Dörfer seit Generationen im Sommer in diesem See badeten.
Er hatte wie selbstverständlich seinen Arm um Katharinas Schulter gelegt und beide genossen die Stille des Sees und das leise Rauschen des Waldes. Dieser Moment hatte einen besonderen Zauber und Katharina hätte sich in jenem Augenblick nicht einmal gewehrt, wenn der junge Mann sie geküsst hätte, obwohl sie sonst nicht leichtsinnig war.
Es gab in ihrem Leben noch nicht viele Männer, denen sie einen Kuss erlaubt hatte, und »der Eine«, dem sie gar mehr gewährt hätte, war ihr bisher noch nicht begegnet.
Der Ausflug hätte noch Stunden dauern können, doch die Lehrerin hatte noch Vorbereitungen für den nächsten Schultag zu treffen.
Auf dem Nachhauseweg beschlossen die Ausflügler, weitere Fahrradtouren zu unternehmen. Gleich für den nächsten Samstag war sogar ein Kinobesuch im »Alhambra« in Königsberg geplant. Darauf freute sich Katharina ganz besonders, denn sie ging gern ins Kino und dem Alhambra ging ein legendärer Ruf als modernes Lichtspielhaus voraus.
Die nun folgenden Schultage verliefen für Katharina unspektakulär. Die größten Laukse schwänzten die Schule oder halfen zu Hause auf dem Feld. Die junge Lehrerin nahm sich vor, in den kommenden Tagen deren Eltern aufzusuchen.
Als sie das Arbeitsmaterial für die Mathematikstunde aus dem Lehrerschrank nehmen wollte, stand in der Schrankecke ein Rohrstock. Den hatte sicher ihr Kollege für sie hineingestellt und sie musste augenblicklich lächeln. »Na ja, ich kann ihn ja als Zeigestock benutzen«, dachte sie amüsiert.
Am Samstag fuhr sie mit Wolfgang nach Königsberg.
Der Soldat war ein unterhaltsamer Begleiter, der sich noch dazu gut in Königsberg auskannte.
Das »Alhambra« erreichten sie vom Bahnhof aus mit der Straßenbahnlinie vier, es befand sich am Steindamm, Ecke Wagnerstraße.
Das Gebäude, in dem sich das Kino befand, war ein riesiges Büro- und Geschäftshaus, in dem sich auf mehreren Etagen verschiedene Gastronomiebetriebe befanden und natürlich dieses Kino, das dem Gebäude seinen Namen verlieh, der weithin bekannt war. Bis zum Film blieb ihnen noch ein wenig Zeit und so suchten sie eines der Lokale im Haus auf und tranken Kaffee.
Katharina hatte sich den Film »Wiener Blut« ausgesucht, eine Operettenverfilmung nach Johann Strauß. Es lief zwar auch der Film »Der große König«, ein Monumentalfilm über die Schlachten »Friedrichs des Großen« im Siebenjährigen Krieg um 1760, der allerdings ein von Joseph Goebbels in Auftrag gegebener Propagandafilm war, in dem der Heldentod glorifiziert wurde.
Katharina hielt es für unangebracht sich mit Wolfgang so einen Film anzuschauen. Er hatte an der Front täglich den Tod vor Augen und außerdem wollte sie die Zweisamkeit im Kino nicht mit einem Film über Tod und Leid zerstören.
Wolfgang hatte zwei Plätze in einer der hintersten Reihen gekauft. Da die Sitzreihen anstiegen, konnte Katharina jedoch sehr gut sehen.
Während des Films nahm er, wie selbstverständlich, ihre Hand und ließ sie bis zum Ende der Vorstellung nicht mehr los. Auch als die beiden das Kino verließen und zur Straßenbahnhaltestelle gingen, hielten sie sich an den Händen. Katharina war sehr glücklich, denn sie musste sich eingestehen, dass sie sich in Wolfgang verliebt hatte und auch er schien sie zu mögen.
Als sie in Zinten aus dem Zug stiegen, riefen sie sich kein Taxi, sondern liefen die Strecke bis nach Loditten zu Fuß. Wolfgang hatte den Arm um Katharina gelegt und sie schmiegte sich beim Gehen an ihn.
Ein Stück hinter der Stadt verließ das Pärchen die Straße und Wolfgang führte Katharina einen Waldweg entlang dem Dorf zu. Dieser Weg war eine Abkürzung, er war aber so schmal, dass man auf ihm nicht mit einem Auto oder einem Pferdefuhrwerk fahren konnte und auch eng nebeneinander gehen musste.
Beide genossen den lauen Abend und der Mond beleuchtete mit fahlem Licht den Weg der Spaziergänger.
An einer Schneise wurden Wolfgangs Schritte langsamer, schließlich blieb er stehen. Er zog Katharina zu sich heran, ohne von ihr Widerstand zu spüren, beugte sich zu ihr hinab und küsste sanft ihre Lippen. Katharina hatte ihre Augen geschlossen und wünschte sich, dass dieser Augenblick ewig dauern möge. Nach einer Weile setzten sie ihren Weg fort, der nun allerdings immer wieder von weiteren Küssen unterbrochen wurde.
Als das Pärchen zu Hause ankam war es bereits nach dreiundzwanzig Uhr, aber Mutter Schimkus saß noch immer am Küchentisch und stickte an einer Tischdecke.