... und hinter uns die Heimat. Klaus-Peter Enghardt
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Frau Kleinschmidt hatte sich schon lange nicht mehr so wohl gefühlt und Katharina gab sich alle Mühe der Frau so viel Arbeit wie möglich abzunehmen.
Auch der Samstag verging wie im Flug, und da die junge Frau am nächsten Tag den Frühzug nehmen wollte, wurde dieser Abend auch nicht so lang.
Der Abschied am nächsten Morgen war sehr emotional.
Frau Kleinschmidt nahm Katharina in ihre Arme und küsste sie auf beide Wangen. »Pass off dir uff, meene Kleene und bleib’ schön jesund. Vielleicht komm’ ick dir mal besuchen, wenn ick im Frühjahr zu meene Schwester nach Elbing fahre. Ick will doch ma sehen, wie du so lebst.«
»Da würde ich mich aber sehr freuen, Mutter Kleinschmidt«, antwortete Katharina begeistert. »Du wirst sehen, dass es in Loditten sehr schön ist und sehr ruhig.«
Das »Du« und die Anrede »Mutter Kleinschmidt« hatte die Witwe der jungen Frau am Abend angeboten und Katharina hatte das Angebot gerührt angenommen.
»Na ja, Ruhe werd’ ick lange jenuch haben, wenn ick doot bin«, sagte die großstadterprobte Frau. »Aba ma frische Landluft schnappen, würde ick schon jerne.«
»Ich freue mich schon darauf«, sagte Katharina ehrlich, umarmte die Frau noch einmal und stieg in das bestellte Taxi.
Auf der Zugfahrt nach Heiligenbeil hatte Katharina viel Zeit zum Nachdenken.
Sie dachte an ihre Eltern, an Frau Schimkus, die sie ja am Abend wiedersehen würde, und an Mutter Kleinschmidt, doch sie dachte auch an die Kinder in ihrer Klasse und an den unseligen Krieg, der schon so viel Leid über die Menschen gebracht hatte. Hoffentlich würden alle Menschen, die sie liebte diesen Krieg gesund überstehen.
Mit diesen Gedanken war die junge Lehrerin eingeschlafen und erwachte erst, als auf dem Bahnhof Schlobitten eine Durchsage die Reisenden zum unverzüglichen Einsteigen aufforderte. Der Lautsprecher befand sich unmittelbar neben dem Fenster, hinter dem die junge Frau mit ihrem Kopf an die Lehne ihrer Sitzbank gesunken war. Katharina war es ein wenig peinlich, eingeschlafen zu sein und von den Mitreisenden gemustert zu werden. Sie orientierte sich, auf welcher Station sie sich befand und erkannte, dass der Zug bis Heiligenbeil nur noch eine dreiviertel Stunde benötigte.
Sie schaute aus dem Fenster und konnte bereits den Herbst erkennen, der die Blätter der Bäume bunt färbte. Bald wird es kalt werden, dachte sie.
Der Winter soll in Ostpreußen härter sein als im Westen Deutschlands. Sie war darauf gespannt.
Vor dem Bahnhof in Zinten standen zwei Taxis. Eines davon konnte sich Katharina sichern. Bereits ein paar Minuten später hatte sie Loditten erreicht. Der jungen Frau war es zumute, als käme sie nach Hause.
DAS LEBEN IN LODITTEN
Als sie die Haustür öffnete, hörte sie ihre Wirtin mit einem Mann sprechen. Das erstaunte Katharina, denn es war das erste Mal, seit sie in dem Haus wohnte, dass Frau Schimkus Männerbesuch hatte.
Die Lehrerin stellte ihr Gepäck im Hausflur ab, um ihre Wirtin und deren Gast erst einmal zu begrüßen, ehe sie ihr Gepäck auf ihr Zimmer brachte. Sie klopfte aus Höflichkeit an der Küchentür an und betrat dann den Raum. Ihre Wirtin saß am Tisch und lächelte Katharina mit einer glücklichen Ausstrahlung entgegen.
Mit dem Rücken zum Küchenausgang saß ein Mann in Uniform, der sich beim »Guten Abend« der jungen Frau umdrehte und Katharina mit tiefgründigen blauen Augen anlächelte.
Die junge Lehrerin musterte den Fremden mit versteckter Neugier und als der Mann ihr in die Augen schaute, durchflutete die junge Frau ein nicht gekanntes Gefühl.
Ein wohliger Schauer rieselte von ihrem Nacken aus ihren Rücken hinab und setzte sich dort fest. Das offene Lächeln des jungen Mannes und seine Ausstrahlung erreichten Katharinas Herz. Das war ihr vorher so noch nie geschehen.
Mühsam beherrscht, begrüßte sie zuerst Marie Schimkus und nahm danach die ausgestreckte Hand des jungen Unterfeldwebels entgegen, der unverkennbar der Sohn ihrer Wirtin war. Sein Händedruck war fest, doch nicht hart und seine Stimme klang wohltuend warm. Wieder lief Katharina ein angenehmer Schauer über den Rücken, während der Mann ihre Hand hielt. Er lud sie ein, am Tisch Platz zu nehmen, doch Katharina bat erst einmal darum ihren Mantel ablegen zu dürfen, um sich nach der langen Reise den Staub abzuwaschen.
Ehe sie ihren Koffer in die Hand nehmen konnte, stand bereits der Sohn ihrer Wirtin neben ihr. Keinen Widerspruch duldend sagte er: »Warten Sie, ich helfe Ihnen«, und trug ihr Gepäck nach oben bis zu ihrer Zimmertür. Mit einem Lächeln sagte er: »Wir sehen uns später«, und ging wieder zu seiner Mutter in die Küche.
Bevor Katharina ebenfalls nach unten ging, machte sie sich erst einmal frisch, legte ein dezentes Parfüm auf, schaute schließlich in ihren Wandspiegel, ob ihr Äußeres auch wirklich vorzeigbar war und sie sah im Spiegel eine hübsche junge Frau mit geröteten Wangen. Sie fühlte sich wie ein Backfisch vor dem ersten Rendezvous, dabei kannte sie den jungen Unterfeldwebel doch überhaupt noch nicht.
Etwas unsicher setzte sie sich ein wenig später an den Küchentisch. Auf Bitten von Frau Schimkus erzählte sie, wie sie die zwei Wochen in Köln verlebt hatte, berichtete auch von den grauenvollen Zerstörungen in ihrer Stadt und über die Sorgen um ihre Eltern, die sich weigerten, auf das weniger bombardierte Umland auszuweichen und zu Verwandten zu ziehen. Doch sie erzählte natürlich auch von den schönen Erlebnissen im Kölner Zoo, dem Kinobesuch mit ihrer Mutter oder den Beisammensein mit ihren Freundinnen.
Immer wenn ihr Blick den des jungen Mannes traf, schaute sie schnell weg, um nicht verräterisch zu erröten.
Frau Schimkus schaute unauffällig abwechselnd von ihrer Mieterin auf ihren Sohn und um ihren Mund legte sich ein feines Lächeln.
Katharina fühlte sich wohl in der Gesellschaft der beiden und bedauerte es, als sie sich zurückziehen musste, sie hatte noch einige Vorbereitungen für den ersten Schultag nach den Herbstferien zu treffen.
Wie sie an jenem Abend jedoch erfahren hatte, dauerte der Urlaub des jungen Mannes noch knapp zwei Wochen.
Die Lehrerin freute sich auf den ersten Schultag nach den Ferien, ihre Freude wurde allerdings durch die Streiche einiger Lümmel in ihrer Klasse getrübt, doch Katharina verzieh die Ungezogenheiten mit dem Argument, dass die Ferien die Jungs wieder ein wenig übermütiger gemacht hatten.
Sie wollte in den kommenden Tagen versuchen, die Rüpel wieder ins ruhigere Fahrwasser zu bringen.
In der ersten großen Hofpause berichtete sie Herrn Graudenz von den Missetaten ihrer Lorbasse und ihr Kollege wiederholte seinen Rat, den ärgsten Störenfrieden als Bestrafung ein paar Hiebe mit dem Rohrstock überzuziehen. »Sie werden sehen, das hilft eine Weile«, wusste er aus eigener Erfahrung zu berichten. Die Lehrerin konnte sich trotzdem nicht zu so einem Penter entschließen.
An jenem Tag verließ sie das Schulhaus pünktlicher als sonst und eilte nach Hause. Sie musste sich eingestehen, dass sie sich darauf freute, den Sohn ihrer Vermieterin zu sehen.
Als Katharina durch das Hoftor trat, hackte er im Hof Holz. Anerkennend konnte sie dabei seine Oberarmmuskeln bewundern, da er die Ärmel seines Hemdes hochgekrempelt hatte.
»Na, haben Sie Ihre Schäfchen wieder ein wenig klüger