Prothesengötter. Frank Hebben

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Prothesengötter - Frank Hebben

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es nur an die richtigen Leute verhökern.«

      Céline schob seinen Arm beiseite. »Na und? Ich hol jetzt mein Geld und hau –«

      So hastig hatte Ska sein Messer gezogen, dass Céline es erst bemerkte, als sie auf einem Bein stand, das andere angewinkelt. »Was denn?«, zischte sie. »Erst lässt du mich flicken, jetzt willst du mich abstechen?« Wütend griff sie nach ihrer Tasche.

      Ska ließ die Waffe sinken. »Mann, Céline, diese Chance kriegst du nie wieder. Wir beide nicht.«

      »Du redest Mist«, sagte sie und hinkte zur Tür. »Da spiel ich nicht mit.«

      »Céline, warte! Hey, du schuldest mir was!«

      Die Tür schloss sich; öffnete sich wieder. Céline humpelte zurück ins Zimmer. »Okay, Ska, du hast fünf Minuten, mir zu erklären, wie du’s anstellen willst.«

      Konzentriert verfolgte Ska ihre Bewegungen, von der Tür zum Stuhl, auf dem sie Platz nahm. Sein Gesicht war ernst, die Lippen schmale Striche. »Ich kenne Leute, mit denen ich solche Sachen abziehen kann, Einbrüche, kleinere Überfälle.«

      »Mit wem?«, fragte Céline; sie streckte das verletzte Bein aus.

      »Techniker vom goldenen Viertel, Schutzwehr.«

      »Schutzwehr?« Sie erwiderte seinen Blick.

      »Na Typen, die schießen können«, erklärte Ska. »Wenn’s schiefgeht.«

      »Das habe ich heute schon mal gehört. Bringt Unglück, das zu sagen.« Céline atmete tief durch. »Also … ich weiß nicht.«

      Langsam knöpfte Ska seinen Mantel zu, während er herüber kam und ihr Gesicht in die Hand nahm, ihr Kinn anhob. »Es wird laufen, ich habe Kontakte und ein Fahrzeug, kann einen Mittler für uns finden.«

      »Nur Sprüche«, sagte Céline. Sie zog die Hand von ihrer Wange; er ließ sie fallen.

      »Céline«, sagte Ska ernst und ging in die Hocke. »Vertrau mir, okay?«

      Sie sahen einander an, musterten die Augen des anderen, dann beugte sich der Punk vor und küsste Céline auf die Stirn, auf die Nase und den Mund; ihre Zungen glitten ineinander. Er nahm ihre Hand. Als sie sich voneinander lösten, lächelte er.

      »Ska?«

      »Hm?«

      »Verarsch mich nicht, bitte.«

      Mit zwei Fingern kämmte er ihr das halblange schwarze Haar hinters Ohr, küsste sie. »Versprochen, echt!«

      Céline nickte. »Du solltest ein paar Anrufe machen.«

      Januskopf mit Stacheldraht

      Ein Stück Marmor fehlt am Ohr

      Links das Lachen

      Rechts das Brüllen

      Welche Maske ist die echte?

      Sie saßen in einem Auto, das an vielen Stellen zerschweißt war; der Motor stockte, sobald das Gas zurückgenommen wurde. Vier Plätze für vier Leute: Ska steuerte, Céline saß neben ihm und verfolgte, wie Industrielichter wässrig am Fenster vorbeischweiften; Nieselregen, monoton quietschten die Wischblätter über die Windschutzscheibe.

      Auf der Rücksitzbank zwei Typen: ein Fettsack mit tätowierten Armen, geflügelte Cherubim; der andere ein Mexikaner, maisgelbe Haut und eine Sonnenbrille, die er bis jetzt nicht abgenommen hatte. Alle schwiegen, bis Céline sich umdrehte und fragte: »Wie lange braucht ihr dafür?«

      »Kommt drauf an, wie schnell ich die Schleuse zu den OP-Sälen aufkriege.« Der Tätowierte zeigte auf einen pinkfarbenen Koffer. »Die anderen Codes kriegen wir von dir?«

      »Ja«, sagte Céline und nickte. »In zwei Stunden fängt die Putzkolonne an, bei Nova aufzuräumen, wenig später muss ich beim Flamen sein.«

      »Bleib cool«. Ska legte ihr eine Hand aufs Knie. »Bis dahin ist alles längst gelaufen.«

      Der Wagen beschleunigte, und neue Industrieanlagen tauchten auf, größer und moderner; Chromrohre, Schornsteine abseits der Straße. Vor einem Flachbau bremste Ska das Fahrzeug und stellte es an einem Neonschild ab: Nova Medicals. Das Eingangstor war hundert Meter entfernt. »Wo sitzen die Nachtwächter?«

      »In diesem Verschlag da.«

      »Wie viele?«

      »Zwei.« Céline griff in ihre Handtasche und holte einen Zettel hervor. »Das sind die Codes und die Wegbeschreibung, falls die Verbindung abreißt.«

      »Danke«, sagte Ska. Er nahm das Papier und reichte es nach hinten weiter.

      Der Tätowierte studierte die Angaben, nickte. »Und du willst echt nicht mitkommen?«, fragte er. »Ne vierte Waffe könnten wir gebrauchen.«

      »Mit dem Bein hält sie nur auf«, erklärte Ska, öffnete die Tür und stieg aus. »Gib ihr das Headset. Wenn’s Stunk gibt, soll sie uns am Tor abholen.« Er steckte den Kopf ins Fenster. »Du kannst doch fahren?«

      »Klar«, log Céline. »Für irgendwas muss ich ja gut sein, was?« Sie zwang sich zu einem Lächeln.

      »Arriba!« Ruppig schob der Mexikaner seinen Sitz nach vorn und schälte sich aus dem Fahrzeug. Der Tätowierte folgte ihm; als er draußen stand, hievte er seinen Koffer auf die Motorhaube, um das Equipment zu verteilen: Headsets und drei Lautmasker, Geräte, die konträre Schallwellen erzeugten.

      Ska bückte sich, befestigte den Masker am Fußknöchel. »Und die Kameras?«

      »Dieser Zauberkasten hier verschafft uns zwanzig Minuten«, antwortete der Tätowierte. Er zeigte ihm eine schwarze Box. »Macht hübsche Übertragungsschleifen.«

      »Okay, dann los.«

      »Hier.« Der Tätowierte gab Céline das Headset. »Einfach aufsetzen.«

      »Viel Glück«, sagte sie, kaum hörbar. Zögernd wechselte sie den Sitzplatz und legte beide Hände ans Lenkrad.

      Ska beugte den Kopf runter, lächelte, dann gab er Céline einen Kuss auf die Stirn. »Wird schon schiefgehen, Mädel.«

      Auf grünem Filz die Karten

      Schwerter, Tod und Teufel

      Der Gehängte

      Und die Liebenden

      Manchmal Glück

      Meist Nacht und Kälte

      Ein Schuss schreckte Céline aus ihren Gedanken; zwölf Minuten waren vergangen, seit Ska und seine Kumpane über den Zaun geklettert und reingelaufen waren, an den Wächtern vorbei, den Kameras, den Lichtern. Neue Schüsse dröhnten aus dem Headset, sie hörte den Tätowierten schreien. Skas Stimme hing dazwischen, Céline verstand nicht, was er sagte. »Was ist da los?«, rief sie ins Mikrofon. »Ska?«

      Da waren andere Stimmen, genauso verworren, drei oder vier. Wieder Schüsse, Gewehrsalven.

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