Geschichten aus dem Neuen Testament - Lyrisch interpretiert. Arno Hildebrandt
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und fragte: »Sprich, wie soll das gehen,
denn nie hat mich ein Mann genommen!
Woher soll denn das Kindlein kommen?
Kein Mann hatte mich je verführt;
ich selbst hab nie den Drang verspürt!«
Der Engel antwortete ihr:
»Genau das ist es – glaube mir –
was Gott dem Herrn an dir gefällt;
darum hat er dich auserwählt!
Weil du nichts von Empfängnis weißt,
schickt Gott zu dir den Heil’gen Geist.
Durch ihn empfängst du völlig rein
und wirst auch dann noch Jungfrau sein!
Das bei Gott alles möglich ist,
spürst du, wenn du bald schwanger bist.
Das Kind, das du gebierst auf Erden,
wird Gottes Sohn genannt dann werden!
Was Gott beschließt, das wird auch wahr!
Elisabeth wird ja sogar
– trotz dass sie jetzt schon ziemlich alt –
den ersten Sohn gebären bald.
Deiner Verwandten Austragfrist
jetzt nur sechs Monate noch ist.«
Maria ward es völlig klar,
da sie folgsam erzogen war,
dass sie – wer weiß schon, was sie fühlte –
die Weisung Gottes auch erfüllte.
Sie sprach: »Ich bin nur Gottes Magd,
so werde wahr, was du gesagt.«
1 Protevangelium 10 / 2 Lukas 1, 26 – 38
* * *
Marias Schwangerschaft
und ihr Besuch bei Elisabeth
Maria wurde in der Tat 1
– wie Gabriel verkündet hat –
in kurzer Zeit auch schwanger schon.
In ihrem Leib wuchs Gottes Sohn!
Sie hatte Gott dafür gedankt –
doch, ihr Gefühl hat auch geschwankt.
Sie fragte sich: »Wird’s mir gelingen,
dies alles Josef beizubringen?«
Maria aber brauchte dann
jemand, mit dem man reden kann
über das Schwangerschaftsgeschehen
und wie es weiter würde gehen.
Nachdenkend, mit wem so was geht,
dachte sie an Elisabeth,
mit einem Sohn in ihrem Bauch.
Mit ihr wollte sie reden auch.
Maria ging mit frohem Sinn
eilend zu deren Wohnort hin.
Dort grüßte sie Elisabeth
und fragte höflich, wie’s ihr geht.
Als diese ihren Gruß vernahm,
es unvermittelt dazu kam,
dass dieses Kindlein in ihr drinnen
vor Freude hüpfte wie von Sinnen.
Elisabeth selbst fand das toll;
sie ward des heil’gen Geistes voll
und rief: »Du bist gebenedeit
unter den Frauen aller Zeit,
ebenso deines Leibes Frucht!
Wie schön ist’s, dass ihr uns besucht.
Du bist die Mutter unsres Herrn,
darum empfangen wir dich gern!«
Maria hat darauf gesagt:
»Ich selbst bin ja nur Gottes Magd.
Doch wird man preisen mich und loben,
weil Gott mich gnädig hat erhoben.«
Laut dem, was Lukas niederschrieb,
Maria dort noch länger blieb;
drei Monate hielt sie’s dort aus,
danach ging sie wieder nach Haus.
Maria hatte so für Wochen
mal ihr Alleinsein unterbrochen.
Diese Gespräche taten gut
und gaben ihr auch frischen Mut.
Doch sicher ist – so meine ich –
die zwei Frauen verstanden sich;
und die zwei Söhne scheinbar auch,
welche noch in der Mütter Bauch.
1 Lukas 1, 39 – 45
* * *
Josefs Heimkehr
Als sie im sechsten Monat dann, 1
kam auch zurück ihr Bräutigam.
Dass mit Maria was geschehen,
war selbstverständlich schon zu sehen.
Josef hatte es gleich entdeckt
und hat sich fürchterlich erschreckt.
Voll Kummer schlug er selber sich
und weinte danach bitterlich.