Geschichten aus dem Neuen Testament - Lyrisch interpretiert. Arno Hildebrandt
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Dieses beschrieb Johannes nur;
bei andren davon keine Spur.
Was sich dort zugetragen hat,
berichte ich noch separat.
In Kapernaum – viel später dann –
hat Jesus Wunder auch getan.
Er heilte und trieb Teufel aus
und predigte in manchem Haus.
Als er in einem großen Saal 5
zu seinem Volke sprach einmal,
stand seine Mutter dort am Tor,
auch seine Brüder war’n davor.
Maria schickte einen Mann
in diesen Raum zu Jesus dann,
um ihm zu sagen, dass sie hier
ihn sprechen wollten vor der Tür.
Der ging zu ihm – und nicht alleine –
und sprach zu ihm: »Es stehen deine
Mutter und Brüder vor der Tür
dort draußen und fragen nach dir!«
Im Raum war es ganz still danach,
doch Jesus sah umher und sprach:
»Wer ist denn meine Mutter hier –
wer meine Brüder, sagt es mir!«
Er sah auf seine Jüngerschar,
welche sehr nahe bei ihm war
und sprach: »Hier sind sie allesamt –
Mutter und Brüder insgesamt!
Jeder, der Gottes Willen tut,
der ist für mich genauso gut
Bruder, Schwester und Mutter mein;
dies kann für mich hier jeder sein!«
Doch kein Evangelist notierte,
was nach der Szenerie passierte.
Ich fand – was dies Gescheh’n betrifft –
nirgendwo eine Niederschrift.
Mir drängten sich hier Fragen auf,
doch Antworten gibt’s nicht darauf.
Ich hab darüber nachgedacht,
was Jesus wohl danach gemacht.
Ist er zu ihr herausgekommen
und hat sie in den Arm genommen?
Fragte er seine Mutter nun:
»Sag mir, was kann ich für dich tun?«
Oder beachtete er nicht
die gottgewollte Sohnespflicht?
Hat er die Bitte ignoriert?
Da bin ich etwas irritiert!
Hiermit stelle ich fest – betroffen –
die Fragen bleiben leider offen.
Ab jetzt – und das vermiss ich sehr –
schrieb keiner von Maria mehr!
Erst als sie unterm Kreuze stand,
ich sie schriftlich erwähnt noch fand.
Was in der Zwischenzeit gewesen,
kann man im Bibeltext nicht lesen.
Johannes schrieb die Szenerie –
und ich interpretiere sie:
Als Jesus schon am Kreuze hing 5
und mancher dort zum Schauen ging,
stand an dem grauenvollen Ort
Maria – Jesu Mutter – dort.
Auch seine Tante stand daneben,
um Jesu Mutter Halt zu geben.
Maria – die aus Magdala –
stand ebenfalls verzweifelt da.
Was auffällt ist, dass offenbar
kein Jünger sonst zugegen war.
Wollten aus purer Angst die feigen
Jünger sich lieber dort nicht zeigen?
Nur einer bei Maria blieb.
Es heißt: Jesus hatte ihn lieb!
Als Jesus diesen dort gesehen
ganz nahe bei Maria stehen,
gab er von seinem Kreuz herab
die irdisch letzte Weisung ab.
Er sprach in fürsorglichem Ton:
»Weib, siehe, dieser ist dein Sohn!«
Und seinem Jünger zugewandt
er ebensolche Worte fand.
Er sprach: »Pass auf die Frau gut auf –
nimm sie als deine Mutter auf!«
Nach diesen Worten seines Herrn
tat der dies selbstverständlich gern.
So, wie’s Johannes niederschrieb,
hatte er diesen Jünger lieb;
den Namen gibt er nicht bekannt.
Doch für Maria –›Weib‹ genannt