Chris Owen - Die Wiedergeburt. Matthias Kluger

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Chris Owen - Die Wiedergeburt - Matthias Kluger

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Güte vermittelte, ließ sie unversehens lächeln. »Wie schön er ist«, sagte sie warmherzig und die bedingungslose Liebe der Mutter schwang in ihren Worten mit. Sandra streckte die Hand aus.

      »Entzückend stämmig«, lächelte Janette.

      »Wie soll er denn heißen?«, fragte Dr. Sisley.

      »So wie sein Vater – Chris.«

      Sandra blickte erschöpft zur Seite und spürte die freudige Anspannung, als die Hebamme ihr den 3.470 Gramm schweren Jungen auf den Bauch legte. »Gibt es irgendwelche gesundheitlichen …« Sandra hob fragend den Kopf, während die Hände zärtlich auf dem Säugling ruhten.

      »Nein, keine. Wir sprechen hier von menschlichem Albinismus. Er ist etwas ganz Besonderes!«

      Freudentränen liefen über Sandras Wangen.

      »Wir werden Sie anschließend aufs Zimmer bringen. Dann haben Sie Zeit, zu schlafen. Es wird Ihnen guttun.«

      »Und mein Sohn?«

      »Keine Angst. Er ist bestens versorgt. Sobald Sie aufgewacht sind, wird er Ihnen gebracht.«

      »Wenn du wach bist, werden auch wir da sein«, versicherte Janette ihrer Schwägerin. »Ich fahre jetzt gleich zu Marc und wir werden alle informieren, dass das neue Familienmitglied auf der Welt ist.« Janette streichelte Sandra über die verschwitzte Stirn.

      Während seine Mutter in ihrem Zimmer schlief, lag Chris in einem der gläsernen Bettchen der Babystation. Aufmerksam wanderten seine roten Augen von einer Seite zur anderen. Intensiv betrachtete er die Säuglinge, welche neben ihm in ihren durchsichtigen Säuglingsbetten lagen.

       Kapitel 17: Zwischenlandung Brüssel

       Brüssel, 2016

      Mit einem heftigen Ruck, der durch die ganze Maschine ging, setzte die Boeing 767-300 auf der Landebahn des Flughafens Brüssel-Zaventem, zwölf Kilometer vom Zentrum Brüssels entfernt, auf. Die Passagiere wurden gebeten, sitzen zu bleiben, bis das Flugzeug die endgültige Parkposition eingenommen hatte. Anschließend drängten 147 Fluggäste durch den engen Kabinengang nach draußen.

      Als Tafari die Ankunftshalle musterte, überlegte er, den Aufenthalt zu nutzen, um Brüssel zu erkunden. Es war kurz vor halb drei Uhr nachmittags und so blieben ihm hierfür gute vier Stunden, bis er wieder am Flughafen sein musste und die Maschine um 19:30 Uhr zum Weiterflug Richtung New York abheben würde.

      Tafari staunte über die Größe des Flughafengebäudes, welches in mehrere Stockwerke unterteilt war. Er befand sich im Ankunftsbereich des unteren Geschosses. Farbige Hinweistafeln markierten den Weg, um den Bahnhof, die Taxistände oder Bushaltestellen zu finden. Mittels einer Rolltreppe gelangte er in den oberen Flughafenkomplex, der neben Läden und Boutiquen auch Schnellrestaurants sowie Cafés beherbergte. Für Tafari war dies Stadt genug und er beschloss, die Wartezeit hier zu verbringen.

      Staunend schlenderte er von Schaufenster zu Schaufenster, überwältigt von der Fülle an ausgelegten Waren wie Kleidung, Bücher, Schuhe etc. Noch mehr faszinierten ihn die Preise der angebotenen Artikel und er grübelte, wie viel die westliche Welt wohl verdienen mochte, um sich Derartiges leisten zu können. Tausende Personen um ihn herum bewegten sich wie Ameisen im Fluss hektischen Treibens.

      Sein Blick fiel auf eines der großen englischsprachigen Werbeplakate. Eine wunderschöne Frau strahlte neben der Werbebotschaft, dass sie gesund abgenommen habe – dank des Produktes, welches sie lächelnd in Händen hielt. Belustigt schüttelte Tafari den Kopf, während er darüber sann, mit welchen Themen die Menschheit in diesem Land konfrontiert war. Er nahm sich fest vor, dies in den Vortrag für New York einfließen zu lassen. In seinem Dorf würde keiner, nicht einmal der Ältestenrat, auf diese Idee kommen – nein, man wusste überhaupt nicht, dass es Diätprodukte gab. Die zentrale Aufgabe der Dorfgemeinschaft bestand darin, Wasser zur Verfügung zu stellen, um nicht zu verdursten, beziehungsweise die Felder für das Wachsen des Korns zu versorgen. Das machte die Gemeinde reich – und glücklich.

      Durch den Geräuschpegel der Lautsprecherdurchsagen wie auch der wirr durcheinanderredenden Menschen in Sprachen, die er nicht verstand, gelangte sein Geist wieder ins Hier und Jetzt. Als er erneut ein Werbeschild sah, hatte er endlich etwas vor Augen, das ihn an Burkina Faso erinnerte: McDonald’s! Zufrieden, dieses Lokal zu kennen, ging er hinein, bestellte zwei Hamburger, Pommes und Cola. Gesättigt, ausgestattet mit einem Stapel Servietten, die er heimlich in der Jackentasche verschwinden ließ, wagte er sich wieder in das Getümmel der vielen Reisenden.

      Nach wie vor zwickte es in seiner Nase und es ärgerte ihn, dass er tatsächlich einen Schnupfen bekam. Immer wieder unterdrückte er den aufkeimenden Niesreiz, schniefte in die Papierservietten, bis er schließlich in einer Drogerie drei Packungen Papiertaschentücher kaufte, welche vorerst reichen sollten.

      Eines der Päckchen war aufgebraucht, als er zwei Stunden später an Gate 2 anstand, um in seine Maschine zu kommen. Kurzer Check des Flugtickets und schon lief er über die Gangway der mobilen Fluggastbrücke zur Einstiegsluke der Boeing. Dann saß er aufs Neue neben dem Bullauge seines Platzes – gespannt auf den Weiterflug Richtung New York. Dieses Mal war die Maschine bis auf den letzten Sitzplatz gefüllt.

       Kapitel 18: Zu Hause

       Washington, D. C.,12. Juli 2016

      Marc holte seine Schwägerin aus der Klinik ab. Vorsichtig platzierten sie zu zweit den Säugling in den dafür vorgesehenen Kindersitz, der auf dem ledernen Beifahrerplatz verankert war.

      »Ich würde gern vorne bei Chris sitzen«, schmollte Sandra, als sie hinten im Wagen einstieg.

      »Dann musst du fahren oder eben so lange durchhalten, bis wir zu Hause sind.«

      Zwischen Fahrer- und Beifahrersitz vorgebeugt, betrachtete Sandra ihren Sohn, der mit dem Gesicht gegen die Fahrtrichtung ihr zugewandt saß. »Schau mal, er lächelt mich an«, freute sich Sandra und blickte in die wachen, roten Augen des Babys.

      »Er wird froh sein, so eine tolle Mutter zu haben. Zweifellos überlegt er gerade, wie er dich die nächsten Monate drangsalieren kann.« Marc lachte.

      »Ach du, er ist bestimmt auf sein Schwesterchen gespannt und wie sein Zimmer aussieht«, orakelte Sandra.

      »Klar doch – und wie die Redskins dieses Jahr den Super Bowl gewinnen«, ergänzte Marc.

      Als sie die Auffahrt zu Sandras Villa hochfuhren, sah sie schon von Weitem das Transparent, welches über der Eingangstür gespannt hing: »WELCOME HOME, CHRIS«

      »Ihr seid ja süß«, gluckste Sandra.

      »Sie kommen«, rief Fredrik, nahm Olivia, die Meira trug, bei der Hand und folgte den anderen – Rachel, Elias im Rollstuhl, Janette und Lea – nach draußen.

      »Hey, das volle Empfangskomitee«, staunte Sandra, als sie das neue Familienmitglied vom Sicherheitsgurt erlöste. »Schau mal, Chris, da wohnen wir und das hier ist deine buckelige Verwandtschaft«, scherzte sie.

      »Ich werde dir was geben, von wegen buckelig«, erwiderte Rachel, um sich dann im Flüsterton an ihren Enkel zu wenden: »Ich habe schon den Willkommenskuchen vorbereitet.«

      Chris

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