Meine Seele gehört dir. Lisa Lamp
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»Ein Versehen?«, echote Mrs. Bigelow und ihre Augen sprühten beinahe Funken, als uns ihr vernichtender Blick traf. »Soll das die Rache für die Einteilung in Englisch gewesen sein? Mir reicht es mit Ihnen beiden. Ich habe endgültig genug von Ihren ewigen Streitereien. Es wird Zeit, dass Sie lernen, wie es uns anderen geht, wenn Sie sich ständig bekriegen. Für heute sind Sie fertig. Geben Sie sich die Hand zur Wiedergutmachung und dann verschwinden Sie aus meinem Klassenzimmer«, brüllte sie aufgebracht.
Um nicht noch mehr Ärger zu bekommen, streckte ich Alejo wortlos die Hand entgegen, während ich zeitgleich versuchte, ihn mit meinen Blicken zu erdolchen. Ich wollte diese Angelegenheit schnell hinter mich bringen, doch als sich unsere Finger berührten, stand die Zeit plötzlich still. Ein Kribbeln zog sich durch meinen ganzen Arm und mir wurde schwindelig. Vor meinen Augen tanzten schwarze Flecken, mein Herz schlug so heftig, als würde ich einen Marathon laufen, der Druck in meinem Inneren nahm stetig zu und ich spürte eine Anspannung von meinem Haaransatz bis zu meinem kleinen Zeh.
Alejandro schien es ähnlich zu ergehen, denn er wollte panisch meine Hand von sich stoßen, aber genau wie ich hatte er keine Kontrolle über seine Gliedmaßen. Im Bruchteil einer Sekunde war der Spuk wieder vorbei und unsere Finger lösten sich voneinander, nachdem ich einen Stromschlag bekommen hatte. Meine verschwommene Sicht klärte sich und das Pochen in meiner Stirn verschwand. Einen Moment starrte Alejo mich noch an, bis er eilig den Raum verließ, während er abwesend auf seine Hand blickte. Auch ich packte meine Tasche zusammen und ging fassungslos aus dem Kunstsaal. Ich schlug den Weg in die Turnhalle ein, um Em von ihrer Sportstunde abzuholen, gleichzeitig marschierte Alejandro auf den Hof hinaus.
Den Rest des Tages sah ich ihn nicht wieder. Es war wie die Ruhe vor dem Sturm, doch das wusste ich nicht, als ich mit Emilia zu Mittag aß. Ich hatte keinen Schimmer, dass das unser letztes gemeinsames Essen sein würde. Woher hätte ich auch wissen sollen, dass dies der letzte Tag meines normalen Lebens sein würde?
Kapitel 5
Wir saßen schon seit einer gefühlten Ewigkeit im Speisesaal der Schule und betrachteten die Gesichter unserer Mitschüler, die ebenfalls gelangweilt wirkten. Der Vormittag hatte sich gezogen wie Kaugummi. Zwischendurch dachte ich sogar, dass die Stunden gar nicht mehr vergehen würden, und wollte aufstehen, um abzuhauen. Da gab es allerdings diese nervige Stimme in meinem Hinterkopf, die mir entschieden zu sehr nach meiner Mom klang. Sie redete mir ein, dass es wichtig für meine Zukunft wäre, zu wissen, wie Mr. Mayer sein Haus mithilfe des Satz des Pythagoras baute und wie viele Liter Wasser in ein Hallenbad passten. Obwohl niemand von uns Lust hatte und alle wirkten, als würden sie auf der Stelle einschlafen, hörte ich auf diese Stimme und blieb brav in dem Betonklotz namens Schule.
Ein Stoß in die rechte Seite ließ mich von meinem Essen, wenn der Kantinenfraß dieses Wort überhaupt verdient hatte, aufsehen. Manuel lachte schallend und konnte gar nicht mehr aufhören. Der Saft rann aus seiner Nase übers Gesicht, obwohl er gerade noch gegähnt hatte. Der Tonfall seiner Stimme klang falsch, weshalb ich seinem Finger, der ausgestreckt in Richtung Essensausgabe zeigte, folgte.
Manuel lachte, obwohl er die Situation nicht lustig fand. Das tat er nicht oft und wenn, musste ich mir meist Sorgen machen. Den anderen am Tisch fiel es nicht auf, aber ich erkannte den leichten Unterschied zu seinem normalen Gelächter. Er klang angestrengter, als müsste er es erzwingen. Und ich verstand sofort, warum.
Vor der Essensausgabe befand sich Sahra. Oder hieß sie Sandra? Vielleicht doch Sierra? Nein, ihr Name war Sindy, oder? Ist ja auch egal.
Blondie stand mit ihrem Tablett unschuldig schauend in einer Menschentraube und hustete, um ihr Lachen zu kaschieren. Ihr gegenüber entdeckte ich Isabella, die mit dem gleichen entsetzten Gesichtsausdruck ihren Körper hinabblickte wie ich. Ihre Pupillen waren geweitet und mein Mund klappte auf. Ihre seidigen Haarspitzen und die viel zu teuer aussehenden Klamotten waren mit Ketchup, Salz und Pommes beschmiert.
Eine langbeinige Blondine wie Sindy, ja das war der Name, würde nie in ihrem Leben Junkfood anfassen, geschweige denn essen, weshalb niemand ihr die Entschuldigung, dass es ein Versehen war, abkaufte. Auch das Grinsen ihrer Freundin, die hinter ihr stand und ihr den Rücken stärkte, ließ sie nicht glaubwürdiger erscheinen, obwohl sie sich bedauernd bei Ella entschuldigte.
Auf die zwei Blondinen achtete ich jedoch gar nicht. Automatisch schwenkten meine Augen auf Schneeweißchen und meine Wange fing wieder an, leicht zu kribbeln. Ella hatte elegante lange Finger, aber hinter ihrem Schlag lag eine Wucht, die mich umgehauen hatte. So viel Feuer hätte ich ihr bei dem zierlichen Körper und den geröteten Wangen, die sie jedes Mal bekam, wenn ich vor ihr stand, gar nicht zugetraut. Auch wenn das mit Sicherheit der falsche Zeitpunkt war, schoss mir bei ihrem Anblick das Blut in die Lendengegend. Mein Schwanz begann unangenehm zu pochen, während ich mich fragte, was sie mit ihren anmutigen Händen sonst noch machen konnte.
Sie sah einfach fantastisch aus, selbst mit der fassungslosen Miene, den Tränen in den Augen und dem Gezupfe an ihrer Kleidung, um die Essensreste loszuwerden. Am liebsten wäre ich aufgesprungen, um ihr zu helfen oder ihr zu sagen, dass sie nicht auf die beleidigenden Sprüche der umstehenden Typen hören sollte, die sich über die Situation köstlich amüsierten.
Doch ich konnte nicht. Einerseits wegen der riesigen Beule in meinem Schritt, die ich nur ignorieren konnte, weil ich meine Fingerspitzen im Holz des Tisches vergrub. Andererseits, weil ich der Schule so nur mehr Gesprächsstoff geboten hätte, um über Ella lästern zu können.
Ellas Freundin, deren Namen ich mir nicht merken konnte, kicherte kurz, bevor sie gespielt bestürzt zu Ella lief und sie am Arm in Richtung Mädchentoiletten zog. Ob Ella wusste, dass ihre Begleiterin die Busenfreundin von Sindy war und sich über sie lustig machte, wenn sie nicht dabei war?
Ich blickte den beiden nach, bis sie hinter der Tür zur Schulkantine verschwanden. Ein seltsamer Stich breitete sich in meiner Brust aus. Eifersucht. Auf Ellas Freundin. Sie konnte ihr helfen, konnte Zeit mit ihr verbringen und sie in der Öffentlichkeit anfassen. Alles, was ich nicht konnte, ohne dass die anderen Latinos es mitbekamen und weitertratschten.
Sindy verbeugte sich vor ihren Freunden und grinste dümmlich, sobald Ella außer Sichtweite war. Als der Blick der Schulzicke meinen traf, leckte sie sich lasziv über die Lippen und zwinkerte mir zu. Widerlich! Gab es irgendjemanden an dieser Schule, der noch nicht über sie drüber gerutscht war?
Die Blondine ließ sich feiern wie eine Heldin und mir wurde schlecht. Ich biss die Zähne zusammen und verstärkte den Druck auf meine Nägel, die sich in den Tisch krallten. Keuchend vor Anstrengung riss ich mich zusammen, um nicht aufzuspringen und meine Schale versalzener Pommes über Sindys Kopf zu leeren. Ob sie dann spontan an den Kohlehydraten verenden würde, weil sie sonst nie mit ihnen in Berührung kam?
»Alles klar, Mann?«
Manuel sah mich fragend an, aber ich schüttelte nur nichtssagend den Kopf. Auf ihn konnte ich immer zählen, doch ich wollte nicht reden. Ella spukte mir schon den ganzen Tag im Kopf herum. Da musste ich nicht auch noch meine Mittagspause damit verbringen, über sie zu sprechen oder mir ihre zarten Lippen vorzustellen, wie sie die meinen streiften.
Als schlussendlich die Schulglocke das unangenehme Mittagessen auflöste, hatte ich noch immer Hunger, weil ich den Burger, der vor mir lag, nicht mehr herunterbekam. In meinem Magen rumorte es und ich hatte das Gefühl, mich augenblicklich übergeben zu müssen. Deshalb war ich unheimlich froh, aus der stickigen Cafeteria hinauszukommen, die mit ihren senffarbenen Wänden die Übelkeit verstärkte.
Schnell lief ich den Gang entlang und herrschte eine Gruppe Schüler