Die Rache des Inquisitors. Alexander Hartung

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Die Rache des Inquisitors - Alexander Hartung

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sie auf, zog eine Decke um ihre Schultern und begab sich zum Fenster. Ihr Blick wurde von einer Bewegung angehalten. Zwei Personen standen vor dem Haus. Eine davon war ihr Onkel. Seine große, massige Gestalt und seine etwas gebeugte Haltung machten ihn unverkennbar.

      Der Mann neben ihm war kleiner und schmaler. Er trug einen weiten Mantel, und ein breiter Hut verdeckte sein Gesicht. Der Silhouette nach hatte er wohl einen buschigen Bart, aber es war zu dunkel, um mehr zu erkennen. Ihr Onkel schien mit seinem Besucher etwas zu besprechen. Kaum einer von ihnen machte eine Geste, aber ihre Köpfe waren dicht beieinander, als wären die Worte für niemand anderen bestimmt.

      Klara drehte sich kurz vom Fenster weg und zog einen Schemel zu sich, um besser an die Schließe des Fensters zu kommen. Sie stellte sich auf den Tritt und griff nach dem Riegel, doch als sie wieder aus dem Fenster blickte, waren ihr Onkel und die fremde Gestalt verschwunden. Sie lauschte, ob die Tür aufging oder eine Diele knarrte, aber alles blieb ruhig.

      Sie schüttelte verwirrt den Kopf. Wahrscheinlich hatte sie sich das nur eingebildet. Erst jetzt schien ihr die Kälte der Nacht bewusst zu werden. Sie zog die Decke enger um ihre Schultern und ging zu Bett. Noch während sie über diese seltsame Begegnung nachdachte, schlief sie ein.

      »Warum seid ihr so ungeduldig?«, fragte Baselius, zu Thomas gewandt.

      »Ich bewundere Eure Sorgfalt«, antwortete Thomas zögerlich, »aber ich verstehe nicht, warum wir nicht schon jetzt das Urteil sprechen. Eine Dorfbewohnerin und der Priester von Reheim haben sie schwer belastet. Die Angeklagte hat nicht abgeschworen, und das kann nur den Tod auf dem Scheiterhaufen bedeuten.«

      »Ein müder Geist kann kein Recht sprechen«, versuchte Baselius zu erklären. »Ich möchte, bevor ich ein Urteil fälle, noch einmal den Rat und die Hilfe Gottes erbitten. Ich danke Euch für Eure Unterstützung, aber ich bitte Euch, mich jetzt allein zu lassen. Wir werden morgen früh weitersprechen und dann eine Entscheidung treffen.«

      Thomas stand auf. »Sehr wohl, Prior. Gute Nacht.«

      Baselius wartete, bis die Tür sich geschlossen hatte. Er rieb sich müde übers Gesicht und atmete ruhig aus. Dann ließ er sich auf die Knie nieder und bekreuzigte sich. Er verstand den Einwand des jungen Mannes. Sie hatten die der Ketzerei verdächtigte Agnes Barand zu den Vorwürfen verhört, eine Zeugin vernommen und sogar den Priester von Reheim befragt. Was auch immer die alte Frau in der Vergangenheit für die Bürger dieses Dorfes getan hatte, die Anschuldigungen waren schwerwiegend. Sie hatte sich selbst unter der peinlichen Befragung geweigert, ihre Schuld einzugestehen, was sie in seinen Augen noch verdächtiger machte. Nur ein vom Teufel besessener Körper konnte solche Schmerzen ertragen. Es schien nur folgerichtig, sogleich den Tod auf dem Scheiterhaufen anzuordnen, aber er würde dieses Urteil nicht ohne Gottes Rat treffen.

      Baselius faltete die Hände und suchte die Einkehr im Gebet. Vielleicht hatte er etwas übersehen, daher hoffte er, dass die Ruhe des Gebets ihm helfen würde, seine Urteilskraft zu stärken.

      Die Sonne sandte ihre ersten Strahlen in das Zimmer. Klara öffnete müde die Augen. Als sie sah, wie hell es in ihrer Stube war, zog sie ihre Decke weg und sprang aus dem Bett. Sie lief nach unten und machte sich auf die Suche nach ihrem Onkel. Unten angekommen, sah sie Markus mit einem Stapel Holz zur Tür hereinkommen. Als er Klara erblickte, lächelte er. Polternd legte er das Holz neben den Kamin und fachte das Feuer an.

      »Wie hast du geschlafen?«, fragte er, während er ein Holzscheit auf die Glut legte.

      Klara schüttelte nur den Kopf und ging zu einem Eimer in der Ecke des Raumes. Sie nahm eine Holzkelle zur Hand und trank einen Schluck Wasser.

      »Ich bin gleich so weit«, sagte sie müde. »Ich ziehe mich schnell an, und dann können wir zur Versammlung.«

      »Wenigstens da habe ich eine gute Nachricht«, sagte Markus lächelnd und wandte sich wieder dem Kamin zu. »Die Urteilsverkündung wurde verschoben. Ein Freund von mir ist heute Morgen zu mir gekommen und hat mir die Neuigkeit mitgeteilt. Anscheinend haben sich die Inquisitoren noch nicht entschieden, ob sie den Zeugenaussagen glauben sollen.«

      Für einen Moment fasste Klara wieder Mut. Sie hatte geglaubt, dass das Todesurteil über Agnes schon gesprochen war.

      »Glaubst du, es gibt noch Hoffnung für Agnes?«, fragte sie hoffnungsvoll.

      »Ich weiß es nicht«, antwortete Markus und stand vom Kamin auf. Dann nahm er Klara in seine kräftigen Arme und drückte sie fest an sich.

      »Lass uns das Vieh versorgen«, sagte er und ließ Klara los. Er nahm einen großen Weidenkorb. Klara griff nach dem Eimer mit Hühnerfutter und folgte nur einen Schritt dahinter. Ein Lächeln war in ihr Gesicht zurückgekehrt, und sie machte sich an die Arbeit.

      Agnes’ Zelle war dunkel und zugig. Nur am frühen Morgen gab es eine kurze Zeit, in der das Licht seinen Weg hineinfand. Ihre Augen waren noch immer verbunden, aber selbst durch das Tuch konnte sie die veränderte Helligkeit wahrnehmen, als sie aufwachte.

      Sie war froh, dass diese Nacht endlich vorbei war. Was immer die Inquisitoren mit ihr vorhatten, es konnte kaum schlimmer sein, als gefesselt mit gebrochenen Knochen in einer kalten Zelle zu liegen. Sie versuchte, sich ein wenig aufzurichten, aber ein scharfer Schmerz fuhr in ihre Schulter, daher begab sie sich in ihre alte Position zurück.

      Ihre Kehle war ausgetrocknet und ihre Zunge angeschwollen. Ihr Bauch schmerzte vor Hunger, und ihr Körper zitterte. Für einen Moment drohte sie sich der Verzweiflung über ihre Lage hinzugeben. Tränen schossen ihr in die Augen, und sie begann zu weinen. Doch mehr als vor Schmerzen und vor dem Tod fürchtete sie sich vor der Angst, der lähmenden Furcht, die einem den Verstand raubt. Sie atmete tief durch und versuchte, an die schönen Momente in ihrem Leben zu denken.

      Als ihre Zelle geöffnet wurde, war Agnes im Herzen längst weit, weit weg. Sie zogen sie auf die Beine und führten sie vor das Gefängnis. Der Wind streichelte sanft ihre Wange, als wollte er ihr Mut zusprechen und die Leiden der vergangenen Tage mildern. Er brachte den erdigen Geruch des Waldes mit sich, von dem Ort, der so lange ihre Heimat gewesen war.

      Es war Mittag, als Klara von ihrer Arbeit ins Haus zurückkehrte. Sie war noch immer wie betäubt. Klara hatte gehofft, bei der Arbeit das Erlebte zumindest für kurze Zeit vergessen zu können, aber das Bild der gefolterten Agnes wich nicht mehr aus ihrem Kopf. Warum hatte man sie nur so gequält? Welcher unvorstellbaren Taten hatte man sie verdächtigt, dass man sie so behandelte?

      Klara hängte ihren Umhang an einen Haken und stellte den Korb mit Futter auf den Boden. Früher hatte sie sich gerne um die Tiere gekümmert, aber auch ihre Nähe hatte ihr heute keinen Trost schenken können. Die Angst vor der kommenden Verhandlung ließ sie keinen klaren Gedanken mehr fassen.

      Sie öffnete die Tür zur Kammer, um etwas Brot herauszuholen, aber als sie den sanften Duft der Kamille roch, die sie dort zum Trocknen aufgehängt hatte, suchten sie die Erinnerungen an die unbeschwerte Zeit in Agnes’ Hütte heim. Klara schlug die Hände vors Gesicht und versuchte, ihre Tränen zu bändigen. Sie weinte um ihre Mentorin, die gefoltert und allein in einer kalten Zelle lag und einem grausamen Tod auf dem Scheiterhaufen entgegensah.

      Ein Poltern am Eingang ließ sie aufschrecken. Markus war von der Arbeit gekommen. Er stellte eine große Schaufel an die Wand und rieb sich vergnügt die Hände, als freute er sich auf das Essen. Klara griff nach einem Brot und einem Käse und beeilte sich, an den Tisch zu kommen. Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, als sie sich setzten. Markus schnitt zwei Stück Käse und zwei große Brotscheiben ab. Ohne ein weiteres Wort begannen sie zu essen. Klara biss nur wenig von ihrem Käse ab und schaute dann ihrem Onkel beim Essen zu. Wie immer vergaß er

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