Rasse, Klasse, Nation. Immanuel Wallerstein

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Rasse, Klasse, Nation - Immanuel Wallerstein

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einer imaginären Überwindung des Grabens, der die Intellektuellen von der Masse trennt, und als solche untrennbar mit dem Fatalismus verbunden, der die Massen in ihrer sogenannten natürlichen Infantilität festhält.

      Hiermit können wir zur Frage des »Neo-Rassismus« zurückkehren. Wie ich bereits gesagt habe, liegt die Schwierigkeit nicht so sehr darin, die Tatsache das Rassismus zu erkennen – hierfür bietet die Praxis ein hinreichend sicheres Kriterium, jedenfalls wenn wir uns nicht von den Verleugnungen ablenken lassen wollen, die die Praxis des Rassismus insbesondere von Seiten eines großen Teils der »politischen Klasse« erfährt, die damit nur ihr geheimes Einverständnis oder ihre interessierte Blindheit zum Ausdruck bringt. Die Frage ist vielmehr, wie wir erkennen können, in welchem Maße eine relativ neue Sprache als Ausdruck einer neuen Artikulation zu begreifen ist, in der sich in einer auf Dauer angelegten Weise gesellschaftliche Praxis und kollektive Vorstellungen, Lehren von Wissenschaftlern und politische Bewegungen miteinander verbinden. Kurzum, um mit Gramsci zu sprechen, die entscheidende Frage liegt darin, zu erkennen, ob sich hier so etwas wie ein Hegemonie-Verhältnis abzeichnet.

      Um die Bedeutung dieser Argumentation hervortreten zu lassen, sind die politischen Konsequenzen festzuhalten, die sich aus dieser Veränderung ergeben. Die erste ist eine Erschütterung der Abwehrmechanismen des traditionellen Antirassismus und zwar durch Umstülpung seiner eigenen Argumentation; sie wird gegen ihn selbst gewendet (was Taguieff sehr treffend als Retorsionseffekt des differentiellen Rassismus bezeichnet hat). Der Umstand, dass die Rassen keine isolierbaren biologischen Einheiten darstellen, dass es in der Tat keine »menschlichen Rassen« gibt, wird hier sofort zugegeben. Auch die Tatsache, dass sich das Verhalten der Individuen und deren »Eignung« nicht aus dem Blut und nicht einmal aus den Genen erklären lässt, sondern allein aus ihrer Zugehörigkeit zu historischen »Kulturen«, kann hier ebenfalls zugegeben werden. Nun hatte der anthropologische Kulturalismus aufgrund seiner ausschließlichen Orientierung auf die Anerkennung der Unterschiedlichkeit und Gleichwertigkeit der Kulturen – deren polyphone Gesamtheit allein die menschliche Zivilisation konstituiert – dem humanistischen und kosmopolitischen Antirassismus der Nachkriegszeit den größten Teil seiner Argumente geliefert. Der Wert dieses Kulturalismus bestätigte sich darüber hinaus noch durch den Beitrag, den er zum Kampf gegen bestimmte, auf Uniformierung hinwirkende Formen des Imperialismus und zum Widerstand gegen die Ausschaltung von Minderheitskulturen oder auch beherrschten Kulturen, also gegen den »Ethnozid« leistete.

      Aber dieser erste Umstülpungseffekt zieht unmittelbar einen zweiten nach sich: Wenn die irreduzible kulturelle Differenz die wahrhafte »natürliche Umwelt« des Menschen bildet, gleichsam die Atmosphäre, ohne die sein historischer Atem nicht möglich wäre, dann muss jede Verwischung dieser Differenz notwendig Abwehrreaktionen auslösen, zu »interethnischen« Konflikten und generell zu einem Anstieg der Aggressivität führen. Dabei handelt es sich, wie man uns erklärt, um »natürliche« Reaktionen, die aber zugleich gefährlich sind. In einer staunenswürdigen Kehrtwendung bieten sich uns derart die differenzialistischen Lehren für die Aufgabe an, den Rassismus zu erklären (und ihm präventiv zu begegnen).

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