Rasse, Klasse, Nation. Immanuel Wallerstein

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Rasse, Klasse, Nation - Immanuel Wallerstein

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la société, Nr. 31–32, 1974. Heute wird Lévi-Strauss von einer ganz anderen Position aus als Vertreter eines »Anti-Humanismus« und »Relativismus« kritisiert (vgl. T. Todorov, »Lévi-Strauss entre universalisme et relativisme«, Le Débat, Nr. 42, Nov.–Dez. 1986; A. Finkielkraut, La Défaite de la pensée, Gallimard, 1987; dt. Ausg.: Die Niederlage des Denkens, Reinbek, Rowohlt, 1989). Die Diskussion ist in keiner Weise abgeschlossen, sie kann vielmehr allererst beginnen. Ich für meinen Teil gehe davon aus, dass zwar die Lehre von Lévi-Strauss nicht »rassistisch ist«, dass aber die rassistischen Theorien des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts sich auf dem Begriffsfeld des Humanismus herausbilden: von daher könnte man sie also nicht voneinander trennen. (Vgl. dazu weiter unten meinen Beitrag »Rassismus und Nationalismus«.)

      Nachbemerkung: Erst nach Abfassung dieser Untersuchung ist mir das Buch von Pierre-André Taguieff (La Force du préjugé. Essai sur le racisme et ses doubles, Editions La Découverte, 1988) zugänglich geworden, in dem er die Analyse, auf die ich mich oben bezogen habe, beträchtlich weiterentwickelt, vervollständigt und zugleich in ihrem Resultat verschiebt. Ich hoffe, dieses Buch demnächst so diskutieren zu können, wie es dies verdient.

      Kapitel 2

      Ideologische Spannungsverhältnisse im Kapitalismus: Universalismus vs. Sexismus und Rassismus

      Immanuel Wallerstein

      Lange Zeit hat man uns glauben machen wollen, dass die moderne Welt als erste die Grenzen der engen, regional fixierten Bindungen aufgesprengt und die allumfassende Verbrüderung der Menschen verkündet habe. Spätestens seit den siebziger Jahren aber ist uns bewusst geworden, dass schon die Terminologie des Universalismus, die in Sätzen wie Alle Menschen werden Brüder ihren Ausdruck findet, sich selbst Lügen straft, denn dieser Satz zielt nur auf das männliche Geschlecht und schließt somit implizit alle Frauen aus oder verbannt sie in einen untergeordneten Bereich. Es dürfte nicht schwer fallen, die Zahl solcher sprachlichen Beispiele zu vermehren, in denen eine unterschwellige Spannung zwischen der fortwährenden ideologischen Legitimation des Universalismus in der modernen Welt und der fortwährenden (sowohl materiellen als auch ideologischen) Wirklichkeit rassistischer und sexistischer Strukturen in ebendieser Welt zu Tage tritt. Diese Spannung, oder, genauer gesagt, diesen Widerspruch will ich hier diskutieren. Denn Widersprüche sind nicht nur konstitutiv für die Dynamik historischer Systeme, sie enthüllen auch deren wesentliche Charakterzüge.

      Nach dem Ursprung und dem Verbreitungsgrad der universalistischen Lehre oder nach dem Grund für die Dauer und Fortdauer von Rassismus und Sexismus zu fragen, ist eine Sache. Eine andere ist es, der ursprünglichen Vereinigung der beiden Ideologien nachzuforschen, also dem, was man als symbiotische Beziehung dieser mutmaßlichen Gegensätze bezeichnen könnte. Wir stellen ein offensichtliches Paradoxon an den Anfang. Rassismus und Sexismus sind in der Hauptsache durch universalistische Vorstellungen in Frage gestellt worden, und der Universalismus ist vor allem durch rassistische und sexistische Vorstellungen in Frage gestellt worden. Wir nehmen an, dass die Hauptträger der jeweiligen Vorstellungen gegnerischen Lagern angehören. Nur bisweilen gestatten wir uns die Einsicht, dass (um mit Pogo zu sprechen) wir selbst der Feind sind; dass die meisten von uns (wenn nicht gar alle) überhaupt kein Problem darin sehen, beide Lehren gleichzeitig zu vertreten. Das ist zweifellos beklagenswert, doch will es auch erklärt sein, und es reicht keineswegs aus, einfach auf Heuchelei zu verweisen. Denn dies Paradoxon (oder diese Heuchelei) ist zählebig, weit verbreitet, und strukturell bedingt. Es ist kein vorübergehendes menschliches Fehlverhalten.

      In historischen Systemen älteren Datums war es einfacher, mit sich selbst im Einklang zu sein. Wie sehr sich diese Systeme auch im Hinblick auf ihre Strukturen und Voraussetzungen voneinander unterschieden, so hatten sie alle doch keine Bedenken, bestimmte politisch-moralische Kriterien der Zugehörigkeit bzw. Nicht-Zugehörigkeit zum jeweiligen System aufzustellen. Dabei gewannen der Glaube an die moralische Höherwertigkeit der

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