Im Nebel auf dem Wasser gehen. Adrian Plass
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Читать онлайн книгу Im Nebel auf dem Wasser gehen - Adrian Plass страница 6
Das ist mein Gebot, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch liebe. Niemand hat größere Liebe als die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde. Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch gebiete. Ich sage hinfort nicht, dass ihr Knechte seid; denn ein Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Euch aber habe ich gesagt, dass ihr Freunde seid; denn alles, was ich von meinem Vater gehört habe, habe ich euch kundgetan. Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und bestimmt, dass ihr hingeht und Frucht bringt und eure Frucht bleibt, damit, wenn ihr den Vater bittet in meinem Namen, er's euch gebe. Das gebiete ich euch, dass ihr euch untereinander liebt.
Bei allem angebrachten Respekt – ist da nicht der Anflug des Tonfalls einer besorgten Mutter herauszuhören?
„Ich muss weg, und ihr müsst mir versprechen, gut aufeinander aufzupassen. Ihr vergesst es doch nicht, oder? Liebt einander. Das ist mir sehr wichtig. Versprecht es mir.”
Die heilige und geheimnisvolle Wahrheit ist, dass wir als Christen, wenn wir einander berühren, Jesus berühren. Wenn es eine Berührung der Fürsorge und der Liebe ist, lächelt der Himmel auf uns herab, und derselbe Gott, der durch den siebenundzwanzigsten Vers des ersten Kapitels des Jakobusbriefes spricht, sagt mit der Zufriedenheit eines stolzen Vaters: „Schaut euch das an. Das nenne ich wahre Religion!”
Ich danke Gott für Kathleen Rosa Ormerod, für ihre Sturheit, ihre Großzügigkeit, ihre Loyalität, ihre zupackende Fürsorge, ihre unerschütterliche Liebe zu ihren Freunden, ihr prinzipientreues Leben, ihre Tapferkeit und für die Verwundbarkeit, die wir in diesen letzten Wochen an ihr sehen konnten. Ich danke Gott für alles, was sie ist, und alles, was sie getan hat. Am liebsten wäre mir, sie würde weiterleben, aber vor allem will ich Gottes Bestes für sie, was immer das sein mag.
Kapitel 2
Freiheit, Sicherheit und der Wert der Wahrheit
Ich werde mich in diesem und im nächsten Kapitel an die schwierige Aufgabe wagen, einige Wahrheiten weiterzugeben, nicht, wie ich eilends hinzufüge, um einen Gegensatz zu allen anderen Teilen des Buches zu schaffen, sondern im Zusammenhang mit bestimmten Bereichen, in denen wir in der Gemeinde Jesu ein großes Geschick entwickelt haben, uns selbst in die Tasche zu lügen. Freilich kann es sein, dass meine Wahrheit nicht dieselbe ist wie Ihre, aber nachdem ich zwanzig Jahre lang mit Christen auf der ganzen Welt gesprochen habe, wäre ich doch ziemlich überrascht, wenn die Kluft dazwischen durchgehend sehr groß wäre.
Bevor wir jedoch zu den konkreten Themen kommen -was hat eigentlich Wahrheit mit Sicherheit zu tun und warum ist sie so wichtig? Ganz einfach gesagt: Wenn wir wirklich im tiefsten Sinne sicher sein wollen, haben wir keine andere Wahl, als in der Wahrheit zu wohnen, wie schwierig das auch sein mag. Wenn wir uns oder unseren Glauben, unsere Art zu leben oder das Leben unserer Gemeinde mit etwas anderem als mit der Wahrheit zu verteidigen versuchen, dann haben sich unsere Wege von denen des Geistes der Wahrheit getrennt. Unter solchen Umständen sind wir auf uns allein gestellt und allen möglichen Gefahren schutzlos ausgeliefert.
Die wichtigsten Veränderungen in meinem Leben begannen immer mit dem Wunsch, die Haufen von Blödsinn aus dem Weg zu räumen, die sich in meinem Leben als Christ angesammelt hatten, und geistliche Sicherheit zu finden, indem ich die Wahrheit über mich selbst und meinen Glauben so klar in den Blick nahm, wie Gott sie mir vor meine verschleierten Augen führen konnte. Seit den allerersten Tagen meiner Lebensphase als Schriftsteller und Redner gibt es einen Vers, der meine Bemühungen mehr untermauert und inspiriert hat als jeder andere. Es ist ein Wort Jesu, zu finden im achten Kapitel des Johannesevangeliums. Ich bin sicher, es ist Ihnen sehr vertraut:
Da sprach nun Jesus zu den Juden, die an ihn glaubten: Wenn ihr bleiben werdet an meinem Wort, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.
Die letzten fünf Wörter dieser Passage haben mir schon immer viel bedeutet, aber wie jeder weiß, der sich je vorgenommen hat, die volle Wahrheit zu sagen, ist das keineswegs immer angenehm. Manchmal tut es weh. Manchmal bringt es mich zum Lachen. Manchmal komme ich mir ziemlich blöd dabei vor. Manchmal bringt es mich zum Weinen. Manchmal wird deutlich, dass wie bei Adam und Eva die nackte Wahrheit nicht das Gebot der Stunde ist. Es gibt Momente, wo sie peinlich ist und sittsam bekleidet werden muss.
Die Wahrheit über uns – die Wahrheit über Gott
Eine Sache wird mir immer klarer. Es gibt zwei wesentliche Bereiche der Wahrheit, mit denen wir uns befassen müssen, wenn wir anderen Mut machen wollen, nach Hause zum Vater zu gehen. Der eine ist die Wahrheit über uns, über Sie und mich, wie wir wirklich sind, und der andere ist die ungeschminkte Wahrheit über Gott. Wenn wir in unserem Bestreben, die frohe Botschaft weiterzugeben, versuchen, einen dieser Bereiche mitzuteilen, während wir den anderen ignorieren, vergeuden wir wahrscheinlich bestenfalls unsere Zeit; schlimmstenfalls erzeugen wir eine möglicherweise sehr schädliche Form der Verwirrung.
Die meisten von uns sind noch unvollendete Werke, ob uns das gefällt oder nicht. Gott jedenfalls weiß das. Wir wissen es auch, wenn wir ehrlich sind. Was für einen Sinn hat es, anderen oder uns selbst einreden zu wollen, das wäre nicht so? Am Ende durchschauen die Leute unsere religiösen oder moralischen Fassaden ja doch. Bei mir haben die Leute meine Vortäuschungsmanöver schon oft durchschaut. Ich frage mich, wie viele von Gottes verirrten und geliebten Kindern den Gedanken, Jesus nachzufolgen, enttäuscht aufgegeben haben, weil sie Christen bei Heuchelei ertappten – Leute, von denen sie am Anfang ihrer Beziehung persönlich sehr beeindruckt waren, die dann aber einfach nicht einlösen konnten, was sie vorgaben.
Manchmal wird dieser Gegensatz zwischen dem, was wir sind, und dem, was wir glauben, geradezu grafisch sichtbar. Es gibt eine Übung, die Bridget und ich bei Gruppen von dreißig bis vierzig Leuten sehr nützlich finden. Probieren Sie sie selbst einmal aus. Die Ergebnisse sind oft interessant. Das Ziel dieser Übung ist zweifach. Das unmittelbare Ziel besteht darin, ein Gruppengedicht zu schreiben. Das macht meistens viel Spaß und ist interessant, aber der wichtigere Aspekt dabei ist, allen Teilnehmern zu zeigen, dass die Wahrheit über den Leib Christi viel rauer, vielfältiger und, wenn ich das sagen darf, nützlicher ist, als wir vielleicht erwarten. Das geht folgendermaßen vor sich.
Erstens ist es ratsam, sich vor Augen zu führen, dass viele Leute zu Eis erstarren, wenn sie meinen, irgendein schüchtern grinsender christlicher Sadist wollte sie dazu zwingen, ein Gedicht zu schreiben, und dabei unterschwellig andeuten, dass auf alle, die nicht mitmachen, die Hölle wartet. Deshalb machen wir immer deutlich, dass niemand tatsächlich Verse schmieden muss, sondern dass eine Sammlung kurzer, wahrheitsgemäßer, anonymer Aussagen von Natur aus einen poetischen Klang gewinnt, wenn sie von einer Person im Zusammenhang laut vorgelesen wird. Dann verteilen wir schmale Papierstreifen an jedes Mitglied der Gruppe und kündigen an, dass das erste Gedicht den Titel „Unser Gott ist vielerlei“ tragen wird.
„Bitte schreiben Sie auf Ihr Stück Papier”, sagt dann Bridget oder ich, „was Gott heute, genau in diesem Moment, für Sie ist. Versuchen Sie nicht, bewusst lyrisch zu sein. Machen Sie sich keine Gedanken darum, die richtige Antwort hinzuschreiben. Es gibt keine