Im Nebel auf dem Wasser gehen. Adrian Plass

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Im Nebel auf dem Wasser gehen - Adrian Plass

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Sie auch, nicht erst Ihren zweiten, dritten oder vierten Gedanken aufzuschreiben. Versuchen Sie, den ersten zu erwischen, bevor er missbilligt oder zensiert wird oder einfach davonfliegt. Setzen Sie nicht Ihren Namen auf den Zettel. Es spielt eigentlich keine Rolle, was Sie sagen, ob es positiv oder negativ ist, denn niemand außer Gott wird wissen, wer welche Zeile geschrieben hat, wenn wir das Ganze vorlesen. Bitte schreiben Sie deutlich und kurz in Großbuchstaben; und dann falten Sie Ihren Zettel zusammen und geben ihn einem von uns, wenn wir die Zettel einsammeln.”

      Manche Leute fühlen sich bei alledem etwas unbehaglich, aber meist hilft es, dass wir ihnen volle Anonymität zusichern. Am Ende haben wir dann einen kleinen Haufen von dreißig oder vierzig Aussagen und Bridget ist sehr geschickt darin, diese sofort vorzulesen, wobei sie wörtliche Wiederholungen vermeidet und den Titel und das Thema des „Gedichts“ hinzufügt, während sie es vorträgt. Die Ergebnisse, zusammengesetzt in nahezu der zufälligen Reihenfolge, in der sie eingesammelt wurden, sind sehr packend und manchmal äußerst bewegend.

      Hier ein Beispiel aus einer Gruppe:

      Unser Gott ist vielerlei

      Er ist ein guter Vater, liebevoll und immer gegenwärtig

      Er ist mein Fels

      Er ist nie bei mir, wenn ich ihn am meisten brauche

      Ein ferner Gott auf der Suche nach Gründen zum Strafen

      Mein bester Freund

      Das Licht, das meine Finsternis erträglich macht

      Unser Gott ist vielerlei

      Die Sonne im Winter, die den kommenden Frühling verheißt

      Er ist irgendwo im Urlaub

      Der Vater, den ich nie hatte

      Es ist unmöglich, ihn zu kennen

      Das innerste Wesen der Liebe

      Er ist ein Rätsel, das der Tod lösen wird

      Unser Gott ist vielerlei

      Er ist wie das Meer, tief und still

      Voller Vergebung

      Er liebt jeden – nur nicht mich

      Er lebt in uns

      Er muss doch meine Qualen sehen,

       aber er tut nichts dagegen

      Seine Liebe hält die Welt in Gang

      Unser Gott ist vielerlei

      Furchtbar und gewaltig

      Die Rose von Scharon

      Unser Gott ist der, der den Regenbogen gemalt hat

      Er ist kalt und schweigsam, voller Verheißungen,

       die er nie zu erfüllen scheint

      Unser Gott ist der Gott der Juden

      Er hört und sieht alles, was wir tun

      Unser Gott ist vielerlei

      Der, den ich mein Leben lang gesucht habe

      Ein Fremder hinter einer Maske

      Er hilft dem Himmel, das Meer zu küssen

      Herrlicher, als sich mit Worten sagen lässt

      Der Vater unseres Herrn Jesus Christus

      Nicht groß der Rede wert

      Unser Gott ist vielerlei

      Alles, was ich jemals wollen oder brauchen werde

      Ich weiß nicht, was aus mir werden soll,

       wenn es nicht bald anders wird

      Unser Gott ist derselbe gestern, heute und morgen

      Gott ist Liebe

      Ich rede mit ihm, aber hört er auch zu?

      Unser Gott ist vielerlei

      Nicht gerade geeignet für die Aufnahme in Ihr Gemeindeliederbuch, stimmt's? Die Gruppen, die solche Reaktionen hervorbringen, sind oft ganz erschrocken über die Dinge, die zutage treten, wenn ein kleiner Ausschnitt des Leibes Christi die Erlaubnis bekommt, innere Empfindungen zum Ausdruck zu bringen, ohne gleich mit einem jener schrecklichen Zwillingslümmel namens Verurteilung und Seelsorge bedroht zu werden. In diesem Beispiel eines Aufschreis aus dem Herzen des Leibes steckt so ziemlich alles drin, nicht wahr? Da sind Freude und Traurigkeit, Zweifel und Gleichgültigkeit, Furcht und Schmerz, Lobpreis und Liebe und tiefe Wertschätzung und die bohrenden Fragen, die sich allzu oft auf der dunklen Seite des Herzens verbergen.

      Bei den vielen Gelegenheiten, bei denen wir diese Übung durchgeführt haben, ist uns nicht ein einziges Mal ein Ergebnis untergekommen, in dem sich die Gruppe als einmütig positiv und im Frieden gezeigt hat. So ist es nun einmal im Leib Jesu auf Erden, und mir schwant, es wäre gut, wenn wir dieser Tatsache ins Gesicht sehen würden. Wir können der Sache auch nicht ausweichen, indem wir sagen, dass manche der negativeren Aussagen in einem solchen Gedicht von Leuten stammen müssten, die eigentlich keine Christen seien. Das stimmt nicht. Ich weiß, dass es nicht stimmt. Und Sie wissen es auch. Die meisten von uns gehen im Laufe ihres Lebens als Christen durch viele verschiedene Phasen. Der Charakter dieser Phasen schwankt, wenn es Ihnen so ähnlich geht wie mir, zwischen Verzweiflung und Ekstase, aber egal, wo wir zu einem gegebenen Zeitpunkt gerade stehen, wir bleiben immer Glieder am Leib, wenn nicht etwas einzigartig Drastisches und Schreckliches geschehen ist.

      Die Herausforderung, vor der jeder Einzelne von uns steht, ist ganz einfach, wenn auch manchmal erschreckend. Einmal abgesehen von einem bewussten Beharren in Ungehorsam und Sünde, werden wir uns zu all den guten und schlechten Dingen bekennen, die in unseren Brüdern und Schwestern vor sich gehen, als gingen sie in uns selbst vor sich und wären tatsächlich ein Teil von uns? Wenn Sie so wollen, ist das die andere Seite der Medaille, die Jesus uns zeigte, als er im siebten Kapitel des Matthäusevangeliums davon sprach, wie gefährlich und unerwünscht es ist, andere zu richten:

       Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet. Denn nach welchem Recht ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden; und mit welchem Maß ihr messt, wird euch zugemessen werden.

       Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge und nimmst nicht wahr den Balken in deinem Auge? Oder wie kannst du sagen zu deinem Bruder: Halt, ich will dir den Splitter aus deinem Auge ziehen?, und siehe, ein Balken ist in deinem Auge. Du Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge; danach sieh zu, wie du den Splitter aus deines Bruders Auge ziehst.

      Ganz ähnlich äußert sich Paulus im vierzehnten Kapitel des Römerbriefes:

       Du aber, was richtest du deinen Bruder? Oder du, was verachtest du deinen Bruder? Wir werden alle vor den Richterstuhl Gottes gestellt werden.

       Denn es steht geschrieben (Jesaja 45,23): „So wahr ich lebe, spricht der

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