Die Rehabilitation des Christus Gottes. Dieter Potzel

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Die Rehabilitation des Christus Gottes - Dieter Potzel

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Niemals, zu keiner Zeit, werden sie ohne uns satt werden. Keine Wissenschaft wird ihnen Brot geben, solange sie frei bleiben, und das Ende wird sein, dass sie uns ihre Freiheit zu Füßen legen und zu uns sagen: Knechtet uns lieber, aber macht uns satt!’

      Sie werden schließlich selber einsehen, dass die Freiheit und das Brot beide zusammen nicht denkbar sind, denn niemals werden die Menschen das Brot miteinander zu teilen verstehen.“

      „Wir werden sie abermals betrügen“

      Unverhohlen gesteht der Großinquisitor den Betrug an der Menschheit ein. Dostojewski lässt den greisen Kardinal sprechen:

      „Und sie werden uns anstaunen und uns für Götter halten, weil wir, die wir uns an ihre Spitze stellen, uns bereit erklärt haben, die Freiheit, vor der sie zurückgeschreckt sind, auf uns zu nehmen und über sie zu herrschen so entsetzlich wird es für sie geworden sein, frei zu sein. Wir aber werden sagen, wir seien Dir gehorsam und herrschten in Deinem Namen. Wir werden sie abermals betrügen, denn Dich werden wir nicht mehr zu uns einlassen.“

      Der Großinquisitor spricht weiter:

      „Aber nur der bemächtigt sich der Freiheit der Menschen, der ihr Gewissen beruhigt. Mit dem Brote ward Dir die unbestrittene Macht über die Menschen geboten: Gibst Du Brot, so werden Dich die Menschen anbeten, denn am Brote zweifelt niemand. Wenn aber zu gleicher Zeit einer sich ihrer Gewissen bemächtigt, ohne dass sie darum wüssten o glaube mir, dann lässt er sogar Dein Brot im Stich und folgt demjenigen nach, der sein Gewissen beruhigt.“

      Der Großinquisitor klagt Christus an, dass Er den Menschen das Gewissen vertiefte, statt es zum Schweigen zu bringen. Er spricht:

       „Das ist die Wahrheit, aber was tatest Du? Statt das Gewissen zu beherrschen, hast Du es nur noch tiefer gemacht. Oder hast Du vergessen, dass Ruhe, dass der Tod sogar dem Menschen lieber ist als die freie Wahl zwischen Gut und Böse? Nichts ist verführerischer für den Menschen als die Freiheit seines Gewissens; nichts aber peinigt ihn auch mehr.

       Statt nun dem Menschen ein für allemal feste Grundlagen zur Beruhigung seines Gewissens zu geben, wiesest du ihm alles zu, was es Ungewöhnliches, Rätselhaftes und Unbestimmtes gibt, alles, was über die Kräfte der Menschen hinausging, und handeltest ganz wie einer, der die Menschen nicht liebt, Du, der Du doch gekommen warst, um das eigene Leben für sie hinzugeben! Statt die Freiheit der Menschen in Deine Gewalt zu bringen, hast Du sie noch vermehrt und hast die Seele des Menschen für allezeit mit ihren Qualen belastet.

       Dein Wunsch war die freie Liebe des Menschen; frei sollte er Dir nachfolgen, entzückt und bezaubert von Dir. Statt sich nach den alten harten Gesetzen zu richten, sollte der Mensch von nun an selbst mit freiem Herzen entscheiden, was gut, was böse sei, mit Deinem Beispiel vor der Seele. (…)

       Es gibt drei Gewalten, drei, nicht mehr, auf Erden, die imstande sind, für ewig das Gewissen dieser schwächlichen Rebellen zu besiegen und zu fesseln, zu ihrem Glück.

       Und diese drei Gewalten sind: das Wunder, das Geheimnis und die Autorität. Du hast die eine und die andere und auch die dritte von Dir gewiesen und den Menschen also ein Beispiel gegeben.“

      Mit diesen Worten beschreibt Dostojewski die Grundfesten der Kirche: Das Wunder, das Geheimnis und die Autorität, die auf den vom Großinquisitor verlangten festen Satzungen und harten Gesetzen basiert, den unveränderbaren Dogmen.

      „Wir haben Deine Tat verbessert“

      Weiter spricht der Großinquisitor über die Macht der Wunder und der Zauberei, die den Kulten zugrunde liegt und er wirft Christus vor, dass Er diese verwarf. Der Großinquisitor setzt seinen Monolog fort:

       „Du wusstest wohl, dass Deine Tat in den Büchern der Menschen aufbewahrt werden und bis ans Ende der Zeiten und bis an die letzten Grenzen der Erde gelangen würde, und Deine Hoffnung war, auch der Mensch werde, indem er Deinem Beispiel folgte, in der Gemeinschaft mit Gott bleiben und des Wunders nicht bedürfen.

       Aber Du wusstest nicht, dass der Mensch, sobald er das Wunder ablehnt, zugleich auch Gott ablehnt; denn der Mensch sucht nicht so sehr Gott, als das Wunder. Und da der Mensch nicht imstande ist, ohne Wunder auszukommen, so wird er sich neue Wunder schaffen, eigene Wunder, und wird an die Wunder von Zauberern und an die Hexenkünste alter Weiber glauben, mag er auch hundertmal ein Rebell, ein Ketzer und ein Atheist sein.

      Du bist nicht vom Kreuz herabgestiegen, als sie Dir indem sie Dir die Kleider vom Leibe rissen und Dich verhöhnten zuriefen: »Steig vom Kreuz herab, und wir werden glauben, dass Du der Sohn Gottes bist.« Du bist nicht herabgestiegen, weil Du wiederum die Menschen nicht durch ein Wunder knechten wolltest und einen freien Glauben wünschtest, keinen Wunderglauben. Du wünschtest eine freie Liebe und nicht das sklavische Entzücken der Unfreien über eine Macht, die ihnen ein für allemal Schrecken einflößt. Aber Du dachtest zu hoch von den Menschen, denn sie sind nun einmal Sklaven, wenn auch zur Empörung geschaffen. Schau um Dich und urteile selbst!“

      Der Kardinal erhebt sich daraufhin über Christus:

      „Bist Du denn wirklich nur zu den Auserwählten und für die Auserwählten geraden Weges vom Himmel heruntergestiegen? Wenn ja, so ist dies ein Geheimnis, das wir nicht zu begreifen vermögen. Wenn es aber ein Geheimnis ist, so haben auch wir das Recht, das Geheimnis zu verkünden und die Menschen zu lehren, dass nicht der freie Entschluss ihrer Herzen und nicht die Liebe das Entscheidende ist, sondern eben das Geheimnis, welchem sie blind ja gegen ihr eigenes Gewissen gehorchen müssen. Und so haben wir auch gehandelt.

       Wir haben Deine Tat verbessert und sie auf das Wunder, auf das Geheimnis und auf die Autorität gegründet.

       Und die Menschen sind froh, dass wir sie abermals führen wie eine Herde und dass wir aus ihren Herzen die furchtbare Gabe wieder stahlen, die ihnen soviel Qual gebracht hat.

       Sprich, haben wir recht gehandelt? Haben wir etwa nicht die Menschheit geliebt, als wir so freundlich ihre Schwäche anerkannten, ihre Bürde liebevoll erleichterten und ihrer schwächlichen Natur sogar die Sünde gestatteten, wenn sie mit unserer Erlaubnis geschah? Warum bist Du also gekommen, uns zu stören?“

      „Wir sind nicht mit Dir, sondern mit ihm“

      Christus schweigt, was den Kirchenmann zunehmend unruhig macht. Vorwurfsvoll fährt er fort:

       „Und warum siehst Du mich so still und durchdringend an mit Deinen sanften Augen? Werde doch zornig! Ich will Deine Liebe nicht, weil auch ich selbst Dich nicht liebe. Und was könnte ich Dir verbergen? Als ob ich nicht wüsste, mit wem ich rede! Was ich Dir zu sagen habe, das weißt Du im Voraus, ich lese es in Deinen Augen. Und ich sollte unser Geheimnis vor dir verbergen? Vielleicht willst Du es gerade aus meinem Munde hören, so vernimm denn: Wir sind nicht mit Dir im Bunde, sondern mit ihm, das ist unser Geheimnis. Schon lange sind wir nicht mehr mit Dir im Bunde, sondern mit ihm, schon acht Jahrhunderte lang. Acht Jahrhunderte ist es her, dass wir von ihm das annahmen, was Du mit Zorn zurückgewiesen hast, jene letzte Gabe, die er Dir anbot, indem er Dir alle Reiche der Erde zeigte: Wir haben von ihm Rom empfangen und das Schwert des Kaisers und haben uns selbst als die Herren der Erde erklärt, als ihre einzigen Herren, wenn auch unser Werk bis jetzt noch nicht zu Ende geführt ist.“

      Immer weiter redet der Großinquisitor

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