Wu. Frank Rudolph
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Hier liegt der Unterschied zwischen innerem und äußerem Training, besonders in der Kampfkunst. Beim inneren Training regt man den Kreislauf gleichmäßig an. Man schwitzt »von innen heraus«, aber der Atem bleibt ruhig und kontrolliert, und das Herz wird nicht überstrapaziert. Der Körper wird auf diese Weise geschont. Das innere Training der Kampfkünste, wie z. B. taiji oder einige Gong-Übungen, kann den Körper außerordentlich stark zum Schwitzen bringen. Ich habe manchmal in einem wahren See aus Schweiß gestanden. Man kann eine große Kraft aufbieten, ohne dass man außer Atem kommt. In tiefen, manchmal statischen Stellungen, oder in tiefen Stellungen, die während fließender Bewegungen eingenommen werden, muss der Körper Höchstleistungen vollbringen. Vor allem, wenn es über Stunden geht. Der Atem läuft tief in den dantian hinein, und das Herz wird durch ein Zurücknehmen der Brust in eine ruhige Stellung gebracht (es wird »eingewickelt«), wo es gepflegt und ernährt wird. Diese Art des Trainings ist typisch für das innere wushu. Es beruht eher auf isometrischen Aspekten als auf den isotonischen vieler Sportarten. Darüber wird noch ausführlich die Rede sein.
Daoismus
Die Lehre des Daoismus durchdringt die gesamte chinesische Gesellschaft und übt einen großen Einfluss auf die Kampfkünste aus, direkt und indirekt. Der Daoismus kennt keinen Schöpfer, kein höheres Wesen, zu dem man betet oder dem man Opfergaben entrichten muss. Daoismus ist eine (wissenschaftliche) Lehre, ohne eine Lehre zu sein.
Die daoistische Lehre orientiert sich nicht an den von Menschen geschaffenen und kaum zu verwirklichenden Idealen wie beispielsweise Bescheidenheit, sondern an dem natürlichen Verlauf der Dinge, der nicht beeinflusst werden kann. In der Natur stehen alle Dinge in einem bestimmten Verhältnis zueinander und sind untrennbar miteinander verbunden (yinyang, 陰陽). Diese Verhältnisse beeinflussen sich gegenseitig (wuxing, 五行) und befinden sich gleichzeitig in stetem Wandel.
Während Religionen die Menschen von irgend etwas überzeugen oder zu Rechtschaffenheit und Tugend erziehen wollen, lehnt der Daoismus all dies ab. Worte wie Tugend und Rechtschaffenheit sollen nicht benutzt werden, da sie nur als Heuchelei angesehen werden und zu Konkurrenz und Betrug führen. Der Versuch, andere von etwas zu überzeugen, wird als ein Akt des Aufzwingens verstanden und ist gegen die Natur und das Leben gerichtet.
Foto 2: Der Purpurwolken-Palast im Wudang-Gebirge (武當山紫霄宮, Wudang shan Zixiao gong), erbaut 1413, ein berühmter daoistischer Tempel.
Aus Sicht des Daoismus ist es sinnlos, an eine Sache zu glauben, und solch ein Glaube ist auch nie von Dauer, wie die Geschichte immer wieder beweist. Der Mensch soll an nichts glauben, bzw. er soll nicht glauben. Dadurch ist sein Geist offen und tatkräftig. Der Geist soll auch nicht durch Zersplitterung gelähmt werden. Ein gelähmter oder abgelenkter Geist ist nicht tatkräftig. Die Chinesen verwenden für dieses Freihalten des Geistes präzise, doch für uns oft schwer verständliche Begriffe wie wuwei (ohne Handeln, 无为), wuwo bzw. wusi (ohne Ego, 无我 无私) und wuzhi (ohne Wissen, 无知). Diese dem westlichen Denken wenig vertrauten Konzepte sind mit den inneren Kampfkünsten des wushu, wie sie beispielsweise in den Wudang-Bergen gelehrt werden, untrennbar verbunden.
Die Philosophie der inneren Kampfkunststile spiegelt sich in den Techniken des baguazhang und zuibaxian (醉八仙) wider. Das baguazhang besitzt acht Grundtechniken, die endlos miteinander kombiniert werden können, so dass es letztendlich gewissermaßen gar keine Techniken mehr gibt. Im zuibaxian erweckt man beim Gegner den Eindruck der Handlungsunfähigkeit, und doch ist man auf diese Weise unerreichbar für Angriffe. Diese Elemente drücken den daoistischen Inhalt des wushu klar und dennoch auf mit Worten kaum zu beschreibende Weise aus.
Die daoistisch geprägten Stile lassen sich nicht vermarkten, wenn sie richtig ausgeübt werden. Das Unterrichten von Kampfkunst in einem Verband geht immer einher mit Politik und Vermarktung und würde deshalb zu Widersprüchen mit der diesen Stilen zugrundeliegenden Philosophie führen, wodurch sie schnell ihr Wesen verlören.
Shaolin
Die zweite große Linie der Kampfkünste Chinas hängt eng mit dem bekanntesten Chan-Kloster zusammen, Shaolin. Diese berühmte Anlage ist sowohl eines der wichtigsten Zentren des wushu, als auch des Chan-Buddhismus (jpn. Zen, 禪). Im Gegensatz zum Daoismus ist der Buddhismus eine Religion, wenngleich ich hier anmerken möchte, dass sich speziell die Richtung des Chan bzw. Zen hinsichtlich Denkweise und Philosophie dem Daoismus stark angenähert hat. Beide Lehren durchdrangen sich gegenseitig in hohem Maße. Dennoch ist die Lehre des Buddhismus in den von ihm beeinflussten Kampfkünsten spürbar. Die Buddhisten sehen das Leben als einen Kreislauf, der sich aus Leid und Freude zusammensetzt. Auf das Leid folgt die Freude, auf die Freude folgt das Leid. Diese Reihenfolge wird niemals unterbrochen und besteht nach dem Tod durch die Reinkarnation fort. Man erwartet von den Gläubigen, dass sie sich dem Leid stellen. Dementsprechend ist das Training des buddhistisch geprägten wushu sehr anstrengend und verlangt Disziplin bei der Überwindung des eigenen Egos.
Der Ursprung der chinesischen Kampfkunst liegt allerdings weder im Shaolin-Kloster noch in den Wudang-Bergen oder in irgendeinem daoistischen Tempel. Der Ursprung des wushu liegt im Volk. Shaolin und Wudang sind wichtige Zentren der Kampfkünste und Philosophien. Sie haben viele Schulen geschaffen, gefördert und beeinflusst. Aber entstanden ist das wushu nicht an diesen Orten.
wu zhi bao han zhe jing yan, jie pou xue he wu li xue.
wu li xue shou dao jie pou xue gui ze de jing que.
ran hou wu shu tong guo shi zhan ti hui he jing yan bian cheng shi yong.
In den Kampfkünsten gibt es nur Erfahrung, Anatomie und Physik.
In der Kampfkunst wird Physik durch die Regeln der Anatomie präzisiert
und durch Erfahrung in der Praxis effektiv einsetzbar.
Ein Turnier- und Wettkampfsport
Heute unterscheidet man oft zwischen moderner (xiandai wushu, 现代 武术) und klassischer (chuantong wushu, 传统武术) chinesischer Kampfkunst. Inwieweit dies sinnvoll ist, soll in der Folge erörtert werden.
Während der Entstehungsgeschichte vieler Künste und Sportarten gab es einen Punkt, an dem man einen neuen Weg einschlug, den die Traditionalisten nicht mitgehen wollten. So teilte sich das ursprünglich jeu de paume (Spiel mit der Handfläche) genannte Tennis im 19. Jahrhundert in zwei Formen, das adelige real tennis oder royal tennis, eine Version, die dem Ursprung etwas näher steht, und das lawn tennis, das man im Freien spielte und welches heute die einzig anerkannte Version ist. Beide Richtungen hatten sich freilich vom jeu de paume entfernt, die eine weniger, die andere mehr.
In der Frühzeit des Boxens, als sich gerade die Handschuhe (mufflers) durchzusetzen begannen, gab es viel Diskussion zwischen den bare-knuckle fighters (»Kämpfer mit bloßer Faust«) und den Befürwortern des neuen Handschutzes. Die manchmal abfällig