Verdorbene Jugend. Horst Riemenschneider
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Gleichzeitig war das eine Möglichkeit uns zu triezen. „Zwo mal links schwenk! – marsch, marsch!“ und so weiter, wo es auch einmal andersherum ging, wo das Hinlegen und das „Sprung auf, marsch marsch“ nicht fehlte. Wir hatten ja nun unsere Arbeitsanzüge und da durfte man uns eben so richtig scheuchen.
Der erste Fliegeralarm
Wir sollten unsere Kleidung so auf unseren Schemeln ablegen, dass wir uns schnell anziehen konnten. Man sagte dazu auch „Päckchen bauen“. Das wurde in der freien Zeit im Lehrlingsheim geübt. Auch Probealarme wurden durchgeführt, wobei es vor allem darum ging, uns im Dunkeln schnell anzuziehen.
Der Heimleiter war mit uns zufrieden. Wir hatten im Heim keine Keller und so auch keine Schutzräume. Dazu war vereinbart, dass wir in die Keller der Einfamilienhäuser gehen könnten, die am Berg über dem Arbeitsdienstlager standen. An der oberen Grenze dieses Lagers war noch ein Tor, von dem aus man über eine etwa 80 Meter breite Wiese in mittlerer Hanglage zu diesen Häusern gelangen konnte. Unsere Baracke stand etwa zehn bis zwölf Meter vom oberen Zaun entfernt, wo es natürlich auch schräg nach oben ging, aber wesentlich steiler als auf der Wiese. Man konnte das eher als eine Böschung betrachten. Dazu kam noch, dass man von der linken Seite aus einen Weg aufgeschüttet hatte, der mindestens mit einem Gespann befahren werden konnte.
Durch dieses Tor sind wir bei schönem Wetter zur Arbeit gegangen. Da war es etwas näher zum Betrieb. Wir konnten einen hinteren Betriebseingang nutzen und so war der Weg nicht zu weit. Für Lehrlinge, die im oberen Betriebsbereich eingesetzt waren, wirkte sich das besonders günstig aus. Doch dazu gehörte ich noch nicht. Bei schönem Wetter deshalb nur, weil der Hang in das Tal bei Heinrichs schlammig und glatt wurde. Da konnte man sich gut die „Klamotten einsauen“. Wenn wir auf der Anhöhe zum Betrieb gingen – wir marschierten da nicht mehr – war es interessant zu sehen, wie sich der Dampf der Lokomotiven bei ruhiger Morgenluft wie eine Perlenkette über den Zug und dann über das Tal streckte. Eine Zeit lang konnten wir auch zusehen, wie ein Flugzeug, eine Dornier II, gegen die Nonnen, einen Holzschädling, Gift versprühte. Das Flugzeug stürzte ab und es kreiste dann kein anderes mehr.
Inzwischen lernten wir unsere Leute vom Luftschutzkeller kennen und es gab ein „Probesitzen“. Die Häuser gehörten zur Lauterbergsiedlung in der auch das Haus meines Onkels Hans stand. Unsere „Kellerhäuser“ standen am Rand des Berges und das Haus von Onkel Hans befand sich am anderen Ende dieser Siedlung. Ich hab mich dort bei Tante Lotte ab und zu einmal sehen lassen. Onkel Hans war ebenfalls eingezogen.
Der Krieg war nun schon über zehn Monate lang und keiner von uns glaubte, dass es einmal in dieser Gegend zu einem Bombenangriff kommen werde, zumal wir nun schon Frankreich besiegt hatten. Doch da ertönten in einer Nacht die Sirenen. Wir verhielten uns wie geübt und saßen dann im zugewiesenen Keller. Ich weiß nicht mehr, wie lange der Alarm andauerte. Wir waren endlich froh, wieder in unsere Koje zu kommen.
Nach unserem Ermessen war weiter nichts geschehen. Wir hatten uns aber getäuscht. Nicht einmal so sehr weit entfernt von unseren Kellern, aber in Richtung unseres Betriebes, waren drei Bomben eingeschlagen. Erhard Haider, der Heimleiter, schlug uns vor, die Bombentrichter gemeinsam aufzusuchen. Erwartungsvoll ging es los. Zum oberen Tor hinaus gingen wir an den „Kellerhäusern“ vorbei in Richtung Albrechts. Etwa auf der halben Strecke zu diesem Ort bogen wir nach links in die Richtung zu unserem Betrieb ab. Bald sahen wir drei große Löcher, die Bombentrichter. Wir erkannten auch, dass die Bomben fast in den Betrieb gefallen wären. Das abwerfende Flugzeug hatte genau die Richtung zur Mitte des Betriebes gehabt und die Bomben zwei oder drei Zehntelsekunden zu früh ausgelöst. Der letzte Trichter war am Rand des Hanges, der zum Betrieb abfiel. Und der war steil. Wir konnten das alle gar nicht fassen. Keiner von uns hatte ein Flugzeugbrummen oder die Bombeneinschläge gehört. Wir redeten von einem Geisterflugzeug. Später, in den letzten Kriegsmonaten wurde die gesamte Lauterbergsiedlung, wo vor allem Gustloff-Arbeiter wohnten, von Bomben zerstört.
Als ich in den 1980er Jahren einmal kurz dort oben war, fand ich zwar neue Häuser aber nicht die alte Struktur wieder. Tante Lotte war 1942 in das Stadtzentrum von Suhl gezogen.
Eine Fahrradtour
Ich kann nicht genau sagen, ob die Fahrradtour nach dem Städtchen Römhild vor oder nach den Ferien statt fand. Jedenfalls durften alle, die ein Fahrrad besaßen, bei dieser Tour mitfahren, egal in welchem Lehrjahr sie gerade waren. Ich hatte kein Fahrrad und hätte mir auch keines kaufen können. Der Betrieb verkaufte damals noch Fahrräder zum Preis um die 70 bis 80 Reichsmark. An diesen Fahrrädern war die Bezeichnung BSW, was die alte Betriebsbezeichnung war und Berlin-Suhler-Waffenwerk bedeutete. So ein Fahrrad hatte ich mir gewünscht, aber mein Weihnachtsmann hatte kein Geld und verzichten hatte ich inzwischen gelernt.
Bald war auch die Möglichkeit nicht mehr gegeben, ein solches Fahrrad zu erstehen. Doch irgendwie hatte ich herausbekommen, dass bei Tante Lotte ein Damenfahrrad herumstand. Ich ging also dahin und fragte, ob sie mir das leihen würde. Mit zögern und zaudern stimmte sie zu. Sie benötigte es dringender, als zu einer Fahrradtour. Nun konnte ich doch mitfahren.
An dem vorgesehenen Sonnabendnachmittag ging es los. Vor Themar hatte ich einen Platten. Haider beorderte einen zweijährigen Lehrling zu mir, der den Weg kannte und der etwas mehr Ahnung vom Flicken hatte als ich. Die Panne erwischte mich bei der Abfahrt nach Themar. Wir fuhren nicht sehr schnell, denn Haider hielt das Tempo so, dass man gefahrlos anhalten konnte. Als wir in Themar ankamen, wartete noch ein weiterer zweijähriger Lehrling auf uns. Zu dritt ging es dann die Straße in Richtung Römhild hoch. Die Gleichberge, die durch einen Sattel verbunden sind, waren links von unserer Fahrtroute zu sehen. Bald waren wir in Römhild. Unser Ziel war das Kinderheim in dieser Stadt.
Es war wohl so, dass man zwischen beiden Heimen Verbindung hielt. Die Heimkinder hatten dadurch bessere Möglichkeiten, einen guten und gefragten Beruf zu erlernen. Ich erfuhr, dass Robert Kleingünter, unser Stubenältester, auch aus diesem Heim stammte. Geboren war er aber in Österreich.
Das schönste war aber, dass in diesem Heim ein kleines Schwimmbad war. Wir konnten uns nach Herzenslust im Wasser tummeln. Das war die schönste Badegelegenheit die ich jemals hatte. Wir konnten bis zum Dunkeln im Wasser bleiben. Übernachtet haben wir auf einem Dachboden von einem Nebengebäude des Heimes. Früh ging es gleich mit einem kühnen Sprung ins Wasser. Am Nachmittag traten wir die Heimfahrt an, die ohne Probleme vonstatten ging.
Ein lustiges Ereignis
Es ging auf den Herbst zu und im Betrieb kamen Studenten aus Jena zum Einsatz. Man hatte vor, gemeinsam mit den Studenten und den Lehrlingen des Lehrlingsheimes einen Abend zu gestalten. Nun war gefragt, was wir dazu alles beitragen können und wir sollten uns etwas für diesen Abend einfallen lassen. Mit dem Einfallen war das kein Problem, waren wir doch aus sehr vielen Gegenden Deutschlands zusammengewürfelt und viele kannten einen Sketsch oder andere spaßige Dinge.
Nun wurde ausgeknobelt, was man alles anstellen wollte. Es war bekannt, dass der Betriebsberufsschulleiter Dr. Wacker zugegen sein und auch übernachten würde. So war nun vorgesehen, dass einer, der einen Clown spielen sollte, mit Hüsings Luftgewehr über dem dunklen Anzug von Dr. Wacker eine Portion Mehl verschießen sollte. Das sollte die Krönung werden. So war es dann auch. Den Clown spielte der Lehrling Schönfelder, der aus der Sonneberger Ecke stammte. Er hatte dann alles