Verdorbene Jugend. Horst Riemenschneider
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Im Sommer gab es ein großes Sportfest, bei dem wir Lehrlinge mit Leibesübungen auftreten sollten. Dazu wurde natürlich tüchtig geübt, vor allem, dass wir Vordermann und Seitenrichtung einhalten konnten. Es gab dafür keine Markierungen. Als wir das fertig brachten und die Übungen ordentlich ausführten, wurde mit der betrieblichen Blaskapelle geübt, bis alles klappte.
Mit „Heizelmännchens Wachparade“ sind wir aufgelaufen, von dem großen gepflasterten Platz kommend, liefen wir erst zur Mitte der diesseitigen Schlackebahn, wo wir dann nach rechts abbogen. Wir liefen eine halbe Stadionrunde und wendeten uns danach zum Spielfeld. Diese Wendung war nahe der Mitte des Platzes, von wo wir uns dann strahlenförmig auf dem Sportfeld verteilten. In der folgenden Woche waren davon Bilder in der Betriebszeitung. Es war jedoch kaum einer von uns zu erkennen. Aber Freude hat es uns gemacht.
Am Schluss fand noch ein Fußballspiel von damals bedeutenden Mannschaften statt. Ich sah das erste Mal in meinem Leben das Spiel zwischen zwei guten Mannschaften. Die Spielernamen Kupfer und Kissinger sind mir noch in Erinnerung. Das Ergebnis nicht.
Die Hauptsache
Wir sollten möglichst viele Arbeitstechniken am Schraubstock erlernen. Die Mädchen und Hüsing sind nach sechs, sowie acht Wochen in andere Abteilungen gekommen. Sie sollten nur einmal die Nase in die Arbeit stecken, damit sie auch Achtung vor dem Mann an der Werkbank oder der Maschine bekommen.
Das hatte man bei uns Technischen Zeichnern ebenfalls vor. Damit wir uns besser die Fertigung eines Werkstückes vorstellen könnten, mussten wir den Grundlehrgang Metall vollständig absolvieren. Zuerst war natürlich das Feilen das Wichtigste. Aber dann kamen andere Dinge an die Reihe, die größtenteils dazwischen erfolgten. Nicht alles ging am Schraubstock. Wenn also ein Platz zum Bohren, Schleifen oder so frei wurde, spannte man das zu bearbeitende Werkstück aus und wechselte an den betreffenden Platz. So haben wir alle möglichen Arbeitstechniken erlernt. Hatte man beim Feilen mit großen Blasen in der rechten Hand zu tun, schlugen wir uns beim Meißeln immer schön auf die Finger der linken Hand oder auf deren Daumen. Wir glaubten erst nicht, dass man beim Meißeln nicht auf den Meißelkopf blicken darf, sondern nur auf die Schneide. Die Lehrausbilder bestätigten uns, dass sie sehen würden, wo wir hinschauen. Bald hatten wir das auch heraus mit dem Meißeln und es ging an andere Techniken.
In unsere eben und winklig gefeilten U-Stähle wurden Löcher in die Stegflächen gebohrt und dann Gewinde hinein geschnitten. Auch das Sägen mit der Handsäge lernten wir, als wir Winkel aussägten, aus denen die Werkzeugmacherlehrlinge später rechte Winkel durch Feilen herstellen mussten. Bestimmte Teile benötigten wir selbst, um dann in dem schon einmal genannten Flachstück, in das ein quadratisches Loch eingebracht war, ein verschiebbares Vierkant einzupassen.
Wir erlernten den Umgang mit dem Reifkloben und vor allem mit dem Feilkloben, mit Hilfe dessen wir von Hand einen Körner wirbeln mussten. Den Reifkloben benutzt man um Fasen zu feilen oder dünneres Material zu sägen. Das Wirbeln ist eine anstrengende Arbeit. Dazu führt man mit einer Hand eine Feile und mit der anderen das runde Werkstück, was auf einem eingekerbten abgebogenen Winkel aufliegt, der in den Schraubstock eingespannt ist.
Bei dem Körner musste erst das Material von zehn Millimeter Durchmesser auf neun Millimeter heruntergewirbelt werden. Dabei war das Werkstück während des Hin- und Herdrehens ein Stück weiter zu drehen. Mit der Schieblehre konnte man kontrollieren, ob man das Werkstück während des Wirbelns gleichmäßig gedreht hatte. War der Durchmesser erreicht, wurde der kegelige Teil zur Körnerspitze hin und auch der kurze Kopfteil mit Fase gewirbelt.
Das Härten erlernten wir etwas später. Wir wurden immer sicherer beim Führen der Werkzeuge. Natürlich war es mitunter hart, mit einer großen Blase in der Hand das Feilenheft zu führen. Da nutzte man jede Gelegenheit, um auszuspannen. Eine gute Gelegenheit dazu war längeres Messen mit der Schieblehre oder das Prüfen mit dem Haarlineal oder dem Winkel.
Eine ungute Einlage
Wir neuen Heimlehrlinge waren erst wenige Tage im Heim, da raunte man uns von den Zwei- und Dreijährigen Lehrlingen zu, dass bald der „Heilige Geist“ käme. Dann gab es Wochen, wo überhaupt nicht davon gesprochen wurde und dann tauchte die Drohung wieder auf. Mit dem „Heiligen Geist“ meinte man, dass die Neulinge erst einmal Dresche bekommen müssten, bevor sie echte Heimlehrlinge sein würden. Dazwischen gab es aber noch ein anderes Ereignis, was uns die Härte des Heimlebens klarmachen sollte. Da war ein Lehrling, wohl in der Stube 4, der hatte etwas gestohlen. Was er gestohlen hatte, weiß ich nicht mehr. Er, und wir alle vom ersten Lehrjahr, mussten in die Turmstube kommen, die nicht belegt war. Der Delinquent wurde an den Mittelpfahl gefesselt und verhört. Das machte einer vom 3. Lehrjahr. Der war Scharführer der Hitlerjugend und einer von den Danzigern. Von denen waren einige recht rabiate Kerle, der Scharführer war einer davon und gerade Führer vom Dienst. Die Danziger hatten schon angefangen zu lernen, bevor Polen überfallen wurde.
Nachdem die Verwerflichkeit des Kameradendiebstahls eindringlich hervorgehoben und davor gewarnt wurde, ging es an die Bestrafung. Der Schuldige wurde mit entblößtem Hintern zum Bücken gebracht und jeder von uns musste derb mit einem Schulterriemen auf diesen Hintern schlagen. Wir mussten nur einen Schlag abgeben, aber wer nicht derb genug geschlagen hätte, wäre gleich daneben gestellt worden.
Nicht lange nach dieser Bestrafung wurden die Andeutungen zum „Heiligen Geist“ intensiver. Wir in der Stube eins machten unter uns aus, dass wir uns wehren werden. Vorsorglich hatten wir alles so gut es ging verrammelt. Als es soweit war, nützte uns das nichts. Auf der Türseite wurde der erste Fensterladen aufgerissen und eine Scheibe zerstört. Im nu waren die Kerle im Raum. Und da ging es los. Sie hatten Taschenlampen und blendeten uns. Zum Schluss zu bemerkte ich, dass nur noch bei Hüsing und mir gedroschen wird und nur wir zwei uns wehrten. Davon bekam ich die meisten Schläge ab, weil man bei mir frei zuschlagen konnte, während Hüsing mein Bett über sich hatte. Man schlug mit Handtüchern, auf deren einen Seite ein Knoten gemacht und in Wasser angefeuchtet war. Ich hatte eigentlich nur Angst davor, dass man mir die Brille zerschlägt, die ich auf dem Spind neben dem Bett abgelegt hatte. Die Schmerzen waren erst einmal Nebensache, durfte doch ein Hitlerjunge nicht jammern. Die Schmerzen, die ich fast am ganzen Körper spürte, ließen mich lange nicht zur Ruhe kommen wie der Ärger darüber, dass sich die anderen überhaupt nicht zur Verteidigung gerührt hatten.
Früh, nach dem Wecken, war die ganze Bescherung zu sehen. Hüsing hatte nur an den Oberschenkeln blaue Flecken, weil er sich in den hintersten Winkel seines Bettes verzogen hatte, wo er durch den Spind und das Bett über ihm gut geschützt war, aber dem einen oder anderen, der zu nahe kam, einen Faustschlag verpasste. Ich dagegen konnte mich nur mit dem Keilkissen schützen, was mit Haferstroh gefüllt war. Da ich aber so gut ich konnte zurückschlug, war ich ja für andere Schläger frei und man traf mich gut, sodass mein Rücken grün und blau wurde. Mein linkes Ohr hatte auch einen Schlag abbekommen und verfärbte sich.
Haider, der am Morgen die Stuben inspizierte, ließ mich nicht zur Arbeit gehen und wies mich in die Krankenstube. Das war ihm doch etwas fatal, vor allem weil Hüsing ihm Vorhaltungen machte. Besonders ob der geknoteten und nassen Handtücher, wodurch es für uns keine Waffengleichheit gegeben habe. Eine Woche lang konnte ich nicht zur Arbeit gehen. Als ich dann am Dienstag in der Betriebsberufsschule saß, fragte mich Meister Dietz, was ich mit meinen Ohr gemacht hätte. Ich antwortete ihm, dass ich vom Bett gestürzt sei, was er sich wohl nicht so richtig vorstellen konnte. Mein linkes Ohr war von oben herab noch dunkelblau.
Direktor Lange
Der