Highcliffe Moon - Seelenflüsterer. Susanne Stelzner

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Highcliffe Moon - Seelenflüsterer - Susanne Stelzner страница 21

Highcliffe Moon - Seelenflüsterer - Susanne Stelzner

Скачать книгу

Anfall von Renovierungswut die Wände in einem warmen Gelbton gestrichen hatte, wirkte es nun, zusammen mit den rötlichen Tönen der Terrakottafliesen, als säße man in einer spanischen Bodega. Wir hatten mindestens fünf schmiedeeiserne Obstschalen, die in allen Winkeln der Küche auf den Holzarbeitsplatten stationiert waren, üppig mit Zwiebeln, Knoblauch, Zitronen, Orangen und anderem Obst, hauptsächlich Äpfeln, bestückt. Dazwischen lagen Stapel mit Kochbüchern, meistens über mediterrane Küche, die sich im Laufe der Zeit angehäuft hatten.

      Ich angelte mir meinen dritten Pancake und schmatzte genüsslich.

      »Das ist die Backmischung, die dein Dad letzten Monat aus Boston mitgebracht hat«, informierte mich Mom.

      »Escht klasche«, lobte ich.

      »Wann fahrt ihr eigentlich?«

      Ich schluckte einen großen Brocken herunter. »Charlie holt mich um zehn Uhr ab.«

      Sie sah auf die Uhr. »Hast du schon was eingepackt?«

      »Ja, ich bin startklar.«

      »Dann tu mir doch bitte noch einen Gefallen, wenn du aufgegessen hast. Sei so gut und bring den Adams noch einen von den Apfelkuchen rüber, ja?« Sie deutete auf ein bereits mit Papier eingeschlagenes Exemplar auf der Arbeitsplatte hinter mir.

      »Ist gut.«

      Mom hatte den Ehrgeiz, keine Frucht der in unserem Garten stehenden alten und seltenen Apfelbäume umkommen zu lassen. Sie verarbeitete sie zu allem, Marmelade, Kompott oder Kuchen, und da sie verschiedene Reifezeiten hatten, war sie jedes Jahr im Spätsommer und im Herbst mehr als gut damit beschäftigt.

      »Einer ist noch für Jane, den dritten kannst du anschneiden.« Jane war eine ihrer beiden Single-Freundinnen, die sich mit ähnlichen Männerproblemen wie die dauereinsame Rita herumschlug.

      »Gut, dann nehme ich zwei Stück für die Fahrt mit.« Ich stand auf und stellte das Geschirr zusammen.

      »Lass nur. Ich mach schon«, meinte Mom lächelnd.

      »Okay, ich geh dann mal eben rüber.«

      »Danke und grüß die beiden.« Sie begann den Tisch abzuräumen und ich schnappte mir den eingewickelten Kuchen.

      Die Adams waren unsere Nachbarn, so lange ich denken konnte. Sie waren schon hier gewesen, als wir eingezogen waren. Ursprünglich waren sie aus Wales und wenn die beiden sich in ihrer alten Sprache unterhielten, hatte ich große Mühe, irgendetwas davon zu verstehen. Sie bewohnten ein sehr hübsches Cottage mit einem leicht verwitterten Dach, das wohl in naher Zukunft mal wieder instand gesetzt werden müsste. An den leicht unregelmäßigen grauen Steinen der Fassade, wo die Jahreszahl 1840 eingekerbt war, kletterten Rosen und Clematis empor und zusammen mit dem gut gestutzten Rasen des Vorgartens und den in allen Farben blühenden Blumen in den seitlich angelegten Beeten bot sich einem ein wirklich romantischer Anblick. Durchaus einer Postkarte würdig. Aber bei aller Romantik hatte dieses Haus auch eine ungewöhnliche Aura. Ich hatte immer das Gefühl, dass es mich direkt ansah. Aber das Gefühl war nicht unangenehm. Es war das letzte Haus in unserer Straße, einer Sackgasse. Dahinter war hauptsächlich Wiese bis zur Steilküste.

      Mrs Adams war schon ewig nicht mehr am Strand gewesen. Sie war am liebsten zu Hause in ihren vertrauten vier Wänden. »Hier haben wir alles, was wir brauchen«, hatte sie geantwortet, als ich sie gefragt hatte, ob sie es nicht vermisse, mal nach London zu fahren oder gar weiter weg zu reisen. Das Haus verließ sie nur für Einkäufe oder Arztbesuche, wobei sie darauf angewiesen war, dass sie jemand mit dem alten, dunkelgrünen Rover fuhr, der gut behütet und selten genutzt in der Garage hinter dem Haus auf seinen Einsatz wartete. Sie selbst besaß keinen Führerschein.

      Mr Adams konnte zwar fahren, nur sah es mittlerweile auch seine Frau als ein gewagtes Abenteuer an, sich seinen Fahrkünsten anzuvertrauen. Es wurde ihm im Ort auffallend viel Platz auf der Straße eingeräumt, sobald ihn die Leute hinterm Steuer erkannten. Er hatte früher ein kleines Friseurgeschäft in Highcliffe. Mittlerweile war er vierundsiebzig Jahre alt, aber er schnitt noch immer mit Leidenschaft die Haare seiner treuen Kundschaft, die jetzt zu ihm nach Hause kam. Dazu platzierte er sie auf einen alten Stuhl aus Aluminiumrohr mit rotem Kunstlederbezug, während er gewissenhaft seine verschiedenen Utensilien auf dem kleinen Tisch neben dem antiken Herd ausbreitete und ihnen zum Zeichen, dass er mit der Arbeit begann, einen eierschalenfarbenen Umhang umlegte und hinter dem Hals verknotete. Mit diesem Anblick war ich quasi aufgewachsen.

      Ich nahm den kürzeren Weg durch die an warmen Tagen meistens offen stehende Küchentür und platzte in einen solchen Arbeitstermin. Mr George hatte heute das Vergnügen. Ich bewunderte seinen Mut, denn neben einem schlechten Gehör hatte sich bei Mr Adams mittlerweile der Bedarf einer Brille mit gefühlten dreißig Dioptrien eingestellt. Ich musste ständig an den Begriff ›Froschauge‹ denken, wenn er zu mir schaute.

      »Hallo, Val! Na, soll ich dir deine schönen langen Haare abschneiden?«, rief er mir kichernd zu, als ich eintrat, und klapperte wild mit der Schere in meine Richtung. Er fand diesen Scherz witzig und machte ihn immer wieder. Als ich klein war, hatte er mal viel mehr von meinem Haar abgeschnitten, als ich ihm zugestanden hatte. Das hatte ich ihm sehr übel genommen und einige Zeit ziemlich geschmollt. Außerdem hatte ich daraufhin mit Nachdruck verkündet, niemals wieder zum Friseur zu gehen.

      »Sehr witzig, Mr Adams«, kniff ich mir ein verzerrtes Lächeln ab und er lachte nur noch mehr. Ich hatte ihm längst verziehen. Er war ein sehr netter alter Herr.

      Mrs Adams mochte ich schon deshalb sehr, da sie sich nach dem Tod meiner Großmutter häufig als Babysitterin zur Verfügung gestellt und mir wunderschöne Gutenachtgeschichten über Elfen und andere Fabelwesen erzählt hatte.

      Ich ging durch den schummerigen Flur in Richtung Wohnzimmer, vorbei an den zahlreichen liebevoll eingerahmten Fotografien von jungen Menschen, in sommerlicher Umgebung aufgenommen. Die Adams hatten ihre einzige Tochter sehr früh verloren. Sie starb mit ungefähr sechzehn oder siebzehn Jahren an einem inoperablen Gehirntumor. Seitdem hatten sie immer wieder junge Studenten aufgenommen, die hier in der Nähe die Sprachschulen besuchten. Mom hatte mir erklärt, dass es für die Adams eine tröstliche Ablenkung sei, junge Menschen bei sich zu haben und zu umsorgen. Inzwischen fühlten sie sich für die Aufgabe aber zu alt und gaben ihre beiden Gästezimmer nur noch in absoluten Ausnahmefällen an frühere Lieblingsstudenten, die aus Anhänglichkeit auch nach langer Zeit hin und wieder zu Besuch kamen.

      »Oh, hallo, meine Kleine, das ist aber lieb von deiner Mom, dass sie wieder an uns gedacht hat«, flötete Mrs Adams entzückt, als sie mich mit dem Apfelkuchen in der Hand ins Wohnzimmer kommen sah.

      Der Anblick der kleinen, immer noch recht schlanken, alten Dame mit dem weißen, hochgesteckten Haar und dem geblümten Kleid mit Spitzenkragen inmitten ihres mit gemusterten Tapeten und blümchenstoffbezogenen Mobiliar überladenen Wohnzimmers wirkte auf mich wie ein arrangiertes Foto für ein Landhausstil-Magazin.

      »Aber das ist doch klar, Mrs Adams.«

      Ich blieb immer ihre Kleine. Es machte mir aus ihrem Mund nichts aus. Es fühlte sich sogar fast behaglich an.

      Mrs Adams erhob sich mit ein wenig Mühe aus ihrem dunkelgrün und beige geblümten Ohrensessel, in dem sie sehr viel Zeit verbrachte, um zu nähen oder zu lesen. Hier unter der alten Stehlampe sei das beste Licht im Haus für derartige Arbeiten, hatte sie mal erklärt. Aber viele Male, wenn ich überraschend hier hereingeschneit war, hatte ich sie einfach nur still sitzend vorgefunden, das Foto in dem schlichten Silberrahmen betrachtend, das wie ihr wertvollster Schatz den alleinigen Platz auf dem kleinen Tischchen mit der selbst gehäkelten

Скачать книгу