Das heilende Potenzial der Achtsamkeit. Jon Kabat-Zinn

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Das heilende Potenzial der Achtsamkeit - Jon Kabat-Zinn

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stelle ich eine ganze Reihe solcher Perspektiven dar; viele davon stammen aus meiner eigenen Erfahrung. Doch es gibt unzählige weitere, die sich aus Ihrem eigenen Leben und Ihrer eigenen Kultivierung von Achtsamkeit ergeben werden, wenn Sie sich mit ganzem Herzen darauf einlassen, und sei es nur als Experiment für eine gewisse Zeit, damit Sie selbst sehen können, was sich daraus entfaltet.

      Diese neuen Perspektiven werden Ihnen letztlich vielleicht helfen, Ihre jeweiligen eigenen Lebensumstände und Herausforderungen dazu zu nutzen, sich selbst an Ihrer eigenen Tür willkommen zu heißen, wie im letzten Kapitel dieses Buches vorgeschlagen, und mithin Ihre eigene ursprüngliche Fülle und Schönheit zu erkennen, wiederzuentdecken und zu verkörpern. Dies kann sich nur von Moment zu Moment entfalten, insbesondere, wenn Sie sich dazu entschließen, Ihr Leben so zu leben, als käme es wirklich darauf an, und zwar in dem einzigen Moment, den Sie, genau wie wir alle, je haben werden.

      »So lange Sie atmen, ist mehr mit Ihnen in Ordnung, als mit Ihnen nicht stimmt, ganz egal, was das Problem ist«, sagen wir oft zu den Menschen, die für einen MBSR-Kurs in die Stress Reduction Clinic kommen. Achtsamkeit zu kultivieren ist ein Weg, Energie in Form von Aufmerksamkeit, Bewusstheit und Akzeptanz in das fließen zu lassen, was bereits mit Ihnen stimmt, was bereits heil ist, in Ergänzung zu und nicht als Ersatz für die Hilfe, die Unterstützung und die Behandlungen, die Sie gegebenenfalls bekommen oder benötigen – und zu sehen, was dann passiert.

      Für dieses lebenslange Abenteuer wünsche ich Ihnen das Allerbeste.

      Jon Kabat-Zinn

      Northampton, MA

      16. Mai 2018

      1 Farb, Norman et al., Attending to the present: Mindfulness meditation reveals distinct neural modes of self-reference. In: Social Cognitive and Affective Neuroscience, 2 (4), 2007, S. 313–322. Auf: www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18985137 (Stand: 22. 11. 2019) (doi: 10.1093/scan/nsm030)

      2 Gedankenabschweifung und Tagträumerei werden unterschiedlich definiert. Das Abschweifen von Gedanken tritt bei spezifischen Tätigkeiten auf, wie Lesen oder Meditieren, wenn Sie versuchen, konzentriert zu bleiben. Tagträumen geschieht nach Definition, wenn Sie nicht versuchen, konzentriert zu bleiben, um etwas zu erledigen. Vgl. Amishi Jha auf www.youtube.com oder www.ted.com

      Teil 1

      Möglichkeiten der Heilung

       Das Reich von Geist und Körper

      [Die Menschen] sollten wissen, dass aus dem Gehirn und nur aus dem Gehirn unsere Vergnügungen, Freuden, unser Lachen und unsere Scherze entspringen, ebenso wie unsere Sorgen, Schmerzen, unser Kummer und unsere Tränen. Insbesondere denken wir durch es, wir sehen, hören und unterscheiden das Hässliche vom Schönen, das Schlechte vom Guten, das Angenehme vom Unangenehmen … Es ist dasselbe Ding, das uns irre werden lässt, das uns Angst und Furcht einjagt, ob bei Tag oder bei Nacht, das uns Schlaflosigkeit bringt, unpassende Fehler, unbegründete Befürchtungen, Geistesabwesenheit und sittenwidriges Verhalten. Diese Dinge, die wir erleiden, kommen alle aus dem Gehirn, wenn es nicht gesund ist, sondern abnorm heiß, kalt, feucht oder trocken oder irgendeinen anderen unnatürlichen Affekt erleidet, an den es nicht gewöhnt ist. Wahnsinn entsteht aus seiner Feuchtigkeit. Wenn das Gehirn abnorm feucht ist, dann muss es sich bewegen, und wenn es sich bewegt, dann halten weder Sehen noch Hören still, sondern wir sehen oder hören bald das eine, bald das andere, und die Zunge redet in Übereinstimmung mit den bei jeder Gelegenheit gesehenen und gehörten Dingen. Doch wann immer das Gehirn still ist, kann ein Mensch angemessen denken.

      HIPPOKRATES zugeschrieben(Quelle: Eric Kandel und James Schwartz, Principles of Neural Science, 2nd ed., 1985)

      Empfindungsvermögen

       Empfindung, Psychologie: die als Folge einer Reizeinwirkung durch nervliche Erregungsleitung vermittelte Sinneswahrnehmung. Entsprechend den verschiedenen Sinnesfunktionen. Empfindung, Philosophie: die meist durch sinnliche Wahrnehmung ausgelöste Wirkung im menschlichen Erkenntnisapparat.

      BROCKHAUS ENZYKLOPÄDIE

      

Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass alles an Ihnen, was vollkommen das ist, was es ist, in diesem Sinne vollkommen ist? Denken Sie nur einmal: Wie alle anderen Menschen wurden auch Sie geboren, haben sich entwickelt, sind aufgewachsen, leben Ihr Leben, treffen Entscheidungen. Die Dinge, die Ihnen widerfahren sind, sind Ihnen widerfahren, ob Sie es so wollten oder nicht. Falls Ihr Leben nicht unerwartet verfrüht endet, aber selbst falls das geschieht, haben Sie es im Rahmen Ihrer Möglichkeiten gelebt. Sie haben Ihre Arbeit getan, haben auf die eine oder andere Weise einen Beitrag geleistet, haben Ihr Erbe hinterlassen. Sie haben Beziehungen zu anderen Menschen und zur Welt geführt, und vielleicht haben Sie die Liebe geschmeckt oder wurden sogar darin gebadet und haben Ihre Liebe mit der Welt geteilt. Unausweichlich werden Sie immer älter – das heißt, wenn Sie Glück haben – und teilen Ihr Dasein weiterhin auf vielfältige Weise, sei sie nun befriedigend oder unbefriedigend, mit der Welt. Und schließlich sterben Sie.

      So ist es jedem Menschen ergangen, der jemals auf diesem Planeten gelebt hat. Und so wird es auch Ihnen ergehen. Genauso wie mir. So ist das menschliche Leben.

      Aber das ist noch nicht alles.

      Die Kurzfassung aus der Vogelperspektive, die ich eben skizziert habe, ist natürlich kläglich unvollständig, auch wenn sie nicht als Karikatur gemeint ist. Denn es gibt noch ein weiteres, unsichtbares Element, das sich durch unser ganzes Leben zieht und wesentlich für seine Entfaltung ist. Allerdings ist es dermaßen in das Gefüge all unserer Momente eingewoben, dass es fast zu offensichtlich ist, um es in Betracht ziehen. Dennoch ist es diese Essenz, die uns nicht nur zu dem macht, was wir sind, sondern uns Fähigkeiten von einem Ausmaß verleiht, das wir nur selten spüren, geschweige denn würdigen und voll verwirklichen. Ich spreche natürlich vom Gewahrsein, von dem, was wir Bewusstsein, Empfindungs- oder Erkenntnisfähigkeit nennen, von unserem subjektiven Erleben.

      Schließlich haben wir unsere eigene Spezies Homo sapiens sapiens genannt – mit einer doppelten Dosis des Partizip Präsenz von sapere, was »schmecken, wahrnehmen, erkennen, weise sein« bedeutet. Was das impliziert, ist klar. Das, was uns unserer Ansicht nach von den anderen Spezies unterscheidet, ist unsere Fähigkeit, in unserer Wahrnehmung weise zu sein, zu erkennen und unserer Erkenntnis gewahr zu sein. Doch diese Eigenschaften halten wir in unserem gewöhnlichen Alltagsleben für dermaßen selbstverständlich, dass wir sie praktisch übersehen, gar nicht erkennen oder sie höchstens vage anerkennen. Wir machen nicht den besten Gebrauch von unserem Bewusstsein, obwohl es uns doch faktisch in jedem Moment unseres wachen und träumenden Lebens ausmacht.

      Es ist das Bewusstsein, das uns Leben einhaucht. Es ist das letztendliche Mysterium, das, was uns zu mehr macht als einem Mechanismus, der denkt und fühlt. Ja, wir sind Wahrnehmende wie alle Lebewesen, aber wir sind fähig zu einer erkennenden und unterscheidenden Weisheit, die über die reine Wahrnehmung hinausgeht. Das ist eine Gabe, die auf dieser kleinen Erde womöglich einzig und allein uns zuteil wurde. Unser Bewusstsein macht unsere Möglichkeiten aus, es setzt aber keineswegs die Grenzen des uns Möglichen. Wir sind die Spezies, die in ihre eigene Größe hineinwächst. Wir sind Kreaturen, die stets dazulernen und in der Konsequenz sich und die Welt verändern. Und als eine sich entwickelnde Spezies sind wir in bemerkenswert kurzer Zeit recht weit gekommen.

      Heute

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