Meditation ist nicht, was Sie denken. Jon Kabat-Zinn

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Meditation ist nicht, was Sie denken - Jon Kabat-Zinn

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zu ignorieren. Ebenso wenig dürfen wir übersehen, welche neuen Möglichkeiten sich aus unseren Sehnsüchten und Intentionen ergeben, wenn wir, jeder auf seine eigene Weise, hinter ihnen stehen, so mysteriös oder undurchsichtig sie uns zeitweise auch erscheinen mögen. Die Naturwissenschaften, die Philosophie, die Geschichte und die spirituellen Traditionen haben uns gelehrt, dass unsere individuelle Gesundheit, unser Wohlergehen und unser Glück davon abhängen, wie wir unser Leben gestalten, solange wir die Gelegenheit dazu haben – und sogar unser Fortbestehen als menschliche Spezies, dieser Lebensstrom, in dem wir nicht viel mehr sind als eine vergängliche Blase, in dem wir das Leben an die kommende Generation weitergeben und ihre Welt erschaffen, abhängig davon, welches Leben wir zu führen wählen, während wir es leben.

      Gleichzeitig wird uns, als eine Kultur, langsam klar, dass diese Erde, auf der wir zu Hause sind, ganz zu schweigen von all den anderen Kulturen und Lebewesen darauf, wesentlich beeinflusst wird von ebendiesen Entscheidungen, die durch unser kollektives Verhalten als soziale Wesen noch viel deutlicher zutage treten.

      Um nur ein Beispiel zu nennen, das inzwischen so gut wie jeder kennt und anerkennt, wenn es auch ein paar namhafte Ausnahmen gibt: Die globalen Temperaturen lassen sich mindestens 400000 Jahre ziemlich exakt zurückverfolgen, und es zeigt sich, dass sie zwischen extremer Hitze und extremer Kälte fluktuieren. Wir befinden uns in einer relativ warmen Phase, die bis vor Kurzem nicht wärmer als andere Wärmephasen war, die die Erde bereits durchgemacht hat. Doch zu meinem Erstaunen erfuhr ich bei einem Treffen zwischen dem Dalai Lama und einer Gruppe von Wissenschaftlern im Jahr 2002, dass der CO2-Gehalt der Atmosphäre in den vergangenen 44 Jahren sprunghaft um 18 Prozent angestiegen ist – auf das höchste Niveau der letzten 160 000 Jahre, gemessen am Kohlendioxidgehalt in Schneeproben in der Antarktis. Und der Spiegel steigt weiter, mit stetig zunehmender Geschwindigkeit.* Jahr für Jahr werden Hitzerekorde gebrochen.

      Die dramatische und alarmierende jüngste Zunahme des CO2-Gehalts in der Atmosphäre ist einzig und allein auf menschliches Handeln zurückzuführen. Wenn diese Entwicklung anhält, wird sich der Anteil an Kohlendioxid in der Atmosphäre nach Vorhersage des Weltklimarats (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) bis zum Jahre 2100 verdoppelt haben, und in der Konsequenz dürften die globalen Durchschnittstemperaturen weltweit dramatisch ansteigen. Wie wir wissen, hat der Temperaturanstieg unter anderem zur Folge, dass es bereits jetzt im Sommer offenes Wasser am Nordpol gibt, dass das Eis beider Polarkappen immer mehr abschmilzt und die Gletscher weltweit rasch verschwinden. Die potenziellen Konsequenzen in Form einer Auslösung chaotischer Fluktuationen, die das Klima weltweit destabilisieren, sind besorgniserregend, wenn nicht gar erschreckend, und wir sehen die Folgen dieser Destabilisierung in den zunehmend schweren Stürmen, die auch auf unsere Städte treffen. Selbst wenn diese Prozesse an sich nicht vorhersehbar sind, so ist doch wahrscheinlich, dass es in relativ kurzer Zeit zu einem dramatischen Anstieg des Meeresspiegels kommen wird und die bewohnten Küstenregionen und Küstenstädte weltweit überflutet werden.

      Wir könnten diese Temperaturveränderungen und Wettermuster als eines von vielen Symptomen einer Art „Autoimmunerkrankung der Erde“ bezeichnen, bei der ein Aspekt menschlichen Handelns das dynamische Gleichgewicht des „Körpers der Erde“ als Ganzes ernsthaft unterminiert. Ist uns das bewusst? Kümmert es uns? Ist es das Problem von irgendjemand anderem? Ist es „deren“ Problem, wer auch immer damit gemeint sein mag … die Naturwissenschaftler, die Regierungen, die Politiker, die Versorgungsbetriebe, die Autoindustrie? Ist es möglich, dass wir alle als Teil eines einzigen Körpers in Hinblick auf dieses Thema kollektiv zur Besinnung kommen, um wieder ein dynamisches Gleichgewicht herzustellen? Können wir das auch in Bezug auf andere Verhaltensweisen, mit denen wir als Spezies unser Leben und das der kommenden Generationen sowie auch das Leben vieler anderer Spezies auf Spiel setzen?

      Ich denke, es ist höchste Zeit, dass wir dem Aufmerksamkeit schenken, was wir bereits wissen oder spüren – nicht nur was die äußere Welt unserer Beziehungen zu anderen und zu unserer Umwelt angeht, sondern auch was unsere eigenen Gedanken und Gefühle, Wünsche und Ängste, Hoffnungen und Träume betrifft. Wir alle, ganz gleich, wer wir sind und wo wir leben, haben einiges gemeinsam. Die meisten von uns eint der Wunsch, in Frieden zu leben, unseren eigenen Sehnsüchten und kreativen Impulsen nachzugehen und auf sinnvolle Weise zu einem größeren Zweck beitragen zu können. Wir möchten Zugehörigkeit empfinden, Wertschätzung dafür bekommen, wie wir sind, und als Individuen sowie Familien ein gutes Leben führen. Wir möchten in einer Gesellschaft leben, in der Sinnhaftigkeit und gegenseitige Achtung herrschen, wir wollen als Individuen in einem dynamischen Gleichgewicht leben, das man „Gesundheit“ nennt, und auch in einem kollektiven Gleichgewicht, das man früher „Gemeinwohl“ nannte. Es sollte ein Gleichgewicht sein, das unserer Verschiedenheit Rechnung trägt, unsere jeweiligen kreativen Potenziale fördert und uns die Möglichkeit eröffnet, frei zu sein von willkürlicher Gewalt und von dem, was unsere wichtigsten Lebensgrundlagen bedroht.

      Ich glaube, dass sich ein solches kollektives dynamisches Gleichgewicht fast so anfühlen würde, als seien wir im Himmel – oder zumindest wie in einem behaglichen Zuhause. So fühlt sich Frieden an, wenn wir wirklichen Frieden erleben, im Innen wie im Außen. So fühlt es sich an, gesund zu sein. So fühlt sich wahres Glück an. Es ist, wie zu Hause zu sein, und zwar im tiefsten Sinne des Wortes. Ist es nicht das, was wir alle auf die ein oder andere Art wirklich wollen?

      Ironischerweise ist ein solches Gleichgewicht jederzeit zum Greifen nah: in den „kleinen Dingen“, die in Wirklichkeit gar nicht so klein sind und nichts mit Wunschdenken, starrer oder autoritärer Kontrolle oder Utopien zu tun haben. Eine solche Balance ist bereits vorhanden, wenn wir uns auf unseren Körper und unseren Geist einstimmen, auf die Kräfte, die uns durch die Tage und Jahre vorwärtstragen, also auf unsere Motivation und unsere Vision dessen, wofür es sich zu leben lohnt und was getan werden muss. Sie ist vorhanden in den kleinen guten Taten des Alltags – innerhalb der Familie, aber auch unter Fremden, und in Kriegszeiten mitunter sogar unter angeblichen Feinden. Sie ist auch immer dann vorhanden, wenn wir unseren Müll recyceln, wenn wir Wasser sparen, mit anderen daran arbeiten, unsere Nachbarschaft lebenswerter zu machen, oder die vom Aussterben bedrohte Wildnis oder eine Spezies schützen, mit der wir die Erde teilen.

      Wenn wir also unter einer Autoimmunerkrankung des Planeten leiden und die Ursache dieser Autoimmunerkrankung in den Taten und Bewusstseinszuständen der Menschheit zu suchen ist, dann sollten wir in Erwägung ziehen, was die Pioniere der modernen Medizin über den wirkungsvollsten Umgang mit solchen Erkrankungen zu sagen haben. In den letzten vierzig Jahren hat es umfangreiche Forschungen und klinische Erfahrungen im Bereich der sogenannten Geist-Körper-Medizin gegeben, in der Verhaltens-, der psychosomatischen, der integrativen und der Komplementärmedizin. Aus ihnen wird deutlich, dass das geheimnisvolle dynamische Gleichgewicht, das wir „Gesundheit“ nennen, sowohl vom Körper als auch vom Geist abhängt (wenn wir das Vokabular der merkwürdigen und künstlichen Spaltung, durch die wir diese beiden voneinander trennen, benutzen wollen) und dass es möglich ist, dieses Gleichgewicht durch spezifische Aufmerksamkeitsqualitäten, die unterstützend, erholsam und heilend wirken können, zu verbessern. Wie sich zeigt, haben wir alle tief in unserem Inneren das Potenzial zu einem dynamischen und lebenserhaltenden inneren Frieden und Wohlsein, zu einer vielseitigen, uns angeborenen Intelligenz, die weit über unser begriffliches Fassungsvermögen hinausreicht. Wenn es uns gelingt, diese Kapazitäten zu mobilisieren und weiterzuentwickeln, dann sind wir körperlich, emotional und spirituell gesünder. Und dazu noch glücklicher. Selbst unser Denken wird klarer, und wir werden weniger von Stimmungsschwankungen geplagt.

      Diese Fähigkeit, aufmerksam zu sein und intelligent zu handeln, lässt sich mit der nötigen Motivation weit über unsere kühnsten Vorstellungen hinaus entwickeln. Es ist traurig, dass wir diese Motivation oft erst dann finden, wenn wir bereits lebensbedrohlich erkrankt sind oder einen Schock erlitten haben, der enorme körperliche und seelische Schmerzen hervorruft. Sie entsteht vielleicht erst, wie es bei so vielen der Patienten im MBSR-Programm unserer Stress Reduction Clinic der Fall war, wenn wir uns durch einen solchen Schock unsanft der Tatsache bewusst werden, dass die Möglichkeiten der sich auf moderne Technologie stützenden Medizin trotz ihrer bemerkenswerten Fortschritte

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