Meditation ist nicht, was Sie denken. Jon Kabat-Zinn
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Dennoch müssen wir immer wieder erkennen, dass sowohl die Wahrnehmung als auch die Beweggründe, welche die Wahrnehmung prägen und aus ihr resultieren, subjektiv, selektiv wie auch relativ und bedingt sind, dass sie zudem in engen Schleifen gefangen sind, die einer weiteren, integrativeren und sicherlich realistischeren Sichtweise im Weg stehen. Angesichts des Zustands der Welt ist es vielleicht an der Zeit, dass wir Zugang zu den tieferen Dimensionen der menschlichen Intelligenz und Verbundenheit finden, die unseren unterschiedlichen Weltanschauungen zugrunde liegen. Das legt die Vermutung nahe, dass es höchst unklug ist, einzig und allein nach unserem individuellen Wohlergehen und unserer eigenen Sicherheit zu streben. Sind doch unser Wohlergehen und unsere Sicherheit in dieser zunehmend kleiner werdenden Welt ganz eng an das Wohlergehen und die Sicherheit aller anderen Menschen gekoppelt. Zur Besinnung kommen bedeutet unter anderem, dass wir ein umfassendes Bewusstsein all unserer Sinne entwickeln, einschließlich unseres Geistes und seiner Begrenztheit, und dass wir, wenn wir verunsichert sind oder über viele Ressourcen verfügen, der Versuchung widerstehen, alle Variablen in der äußeren Welt so weit wie nur möglich kontrollieren zu wollen. Das ist ein aussichtsloses Unterfangen, das in sich gewaltsam ist, letztlich unsere Kräfte aufzehrt und sich selbst erschöpft.
Auch was die Gesundheit des Planeten Erde angeht, müssen wir ein Bewusstsein für den Körper erlangen, in diesem Fall für den „politischen Körper“, der aus verschiedenen Gruppen, Unternehmen und Nationen besteht, die jeweils ihre ganz eigenen Sorgen, Anfälligkeiten und besonderen Perspektiven pflegen. Im Rahmen ihrer jeweiligen Tradition und Kultur verfügen sie aber auch über Ressourcen zur Förderung von Selbstgewahrsein und Heilung, und nicht zuletzt ergeben sich aus dem Zusammentreffen verschiedener Kulturen und Traditionen – eine der Besonderheiten der heutigen Welt – ganz neue Möglichkeiten.
Eine Autoimmunerkrankung bedeutet, dass das Immunsystem, das eigentlich für die Sicherheit des Körpers sorgen soll, Amok läuft und der Körper seine eigenen Zellen, sein Gewebe und somit sich selbst angreift. Kein Körper, auch kein politischer Körper, kann unter solchen Bedingungen lange weiter bestehen, ganz gleich, wie gesund und vital er sonst sein mag. Genauso wenig kann es einem Land auf lange Sicht in der Welt gutgehen, wenn seine Außenpolitik zu weiten Teilen von einer allergischen Reaktion bestimmt wird, eines der Symptome für ein entgleistes Immunsystem – auch nicht unter der Entschuldigung, selbst wenn etwas dran sein mag, dass wir kollektiv unter schwerem posttraumatischem Stress leiden, wie etwa durch die Angriffe am 11. September 2001, der Entstehung des IS sowie des globalen Terrorismus. Das Erblühen verschiedener Strömungen von toxischem und rassistischem Populismus lässt da nicht lange auf sich warten. Solche Bedingungen können wohlmeinende wie auch zynische politische Führer dazu verführen, die Ereignisse für bestimmte Zwecke auszubeuten, die wenig bis gar nichts mit Heilung, tatsächlicher Sicherheit oder authentischer Demokratie zu tun haben.
Wie es bei Menschen der Fall ist, die durch einen Herzanfall oder eine unerwartete Diagnose ganz plötzlich auf den Weg der Suche nach mehr Gesundheit und umfassenderem Wohlergehen gestoßen werden, kann ein solcher Schock, wie schrecklich er auch sein mag, zu einem Weckruf werden, wenn man ihm mit Fürsorge und Aufmerksamkeit begegnet. Auf diese Weise können tiefe und machtvolle Ressourcen der Heilung und Neuorientierung mobilisiert werden, durch die wir unsere Energien und Prioritäten neu ausrichten können, die wir vielleicht für lange Zeit vernachlässigt oder sogar ganz vergessen haben, und zugleich können wir achtsam und entschlossen handeln, um uns für unsere Sicherheit und unser Wohlergehen einzusetzen.
Die Heilung der Welt als Ganzes ist das Werk zahlreicher Generationen. An vielen Stellen hat sie bereits begonnen, indem Menschen sich bewusst geworden sind, welch enormes Risiko wir eingehen, wenn wir die lebensbedrohliche Erkrankung des „Patienten Erde“ weiterhin ignorieren, wenn wir der Geschichte des Patienten keine Aufmerksamkeit widmen, also dem Leben auf dem Planeten und insbesondere dem menschlichen Leben, da das Handeln des Homo sapiens in der heutigen Zeit das Schicksal der Lebewesen auf dieser Erde für viele kommende Generationen bestimmt, und auch wenn wir der so offensichtlichen Diagnose Autoimmunerkrankung keine Beachtung schenken, weil wir uns schwertun, sie zu akzeptieren, und uns nicht um eine mögliche Heilung bemühen, solange noch die Möglichkeit dazu besteht, was mit einschließen würde, unsere tiefste und beste Natur als lebendige und daher fühlende Wesen zu integrieren.
Die Heilung unserer Welt, und sei es auch nur im Ansatz, verlangt, dass wir unsere vielfältige Intelligenz in den Dienst des Lebens, der Freiheit und des Strebens nach wahrem Glück stellen, für uns selbst und für zukünftige Generationen – und nicht nur für die Amerikaner und die anderen Menschen des Westens, sondern für alle Bewohner dieses Planeten, auf welchem Kontinent oder welcher Insel auch immer, und nicht nur für Menschen, sondern auch für alle anderen Kreaturen, die im Buddhismus oft „fühlenden Wesen“ genannt werden.
Denn am Ende ist das Fühlen der Schlüssel, wenn wir zur Besinnung kommen und zu dem erwachen wollen, was möglich ist. Wir müssen lernen, wie wir unsere Bewusstheit sowie unser Vermögen zur klaren Sicht der Dinge und zum selbstlosen Handeln nutzen, entwickeln und uns zu eigen machen, sowohl als Individuen wie auch in unseren Institutionen – zum Beispiel in Unternehmen, Regierungsinstitutionen und größeren internationalen Zusammenschlüssen wie den Vereinten Nationen oder der Europäischen Union. Ansonsten verdammen wir uns selbst zur Autoimmunkrankheit unserer Unbewusstheit, aus der endlose Kreisläufe von Illusion, Verblendung, Habgier, Angst, Grausamkeit, Selbsttäuschung und letztlich auch willkürlicher Zerstörung und Tod resultieren. Die menschliche Spezies selbst ist die Autoimmunkrankheit des Planeten Erde. Wir sind sowohl der Krankheitserreger als auch ihr erstes Opfer. Aber das ist keineswegs das Ende der Geschichte, zumindest noch nicht, nicht jetzt.
Solange wir atmen, ist noch Zeit, dass wir uns für das Leben entscheiden und darüber nachdenken können, was eine solche Wahl von uns verlangt. Diese Wahl ist etwas ganz Konkretes, von Augenblick zu Augenblick, nicht irgendeine gewaltige und einschüchternde Abstraktion. Sie ist ganz nah an der Substanz und dem Substrat unseres sich entfaltenden Lebens, im Inneren in unseren Gedanken und Gefühlen und im Äußeren in unseren Worten und Taten, in einem jeden Moment.
Die Welt braucht all ihre Blumen genauso, wie sie sind, selbst wenn sie nur für einen ganz kurzen Augenblick erblühen, die wir „Lebenszeit“ nennen. Es ist unsere Aufgabe, für jeden Einzelnen und als Kollektiv, herauszufinden, was für eine Art Blume wir sind, in der kostbaren Zeit, die wir haben, unsere einzigartige Schönheit mit der Welt zu teilen und unseren Kindern und Enkeln ein Vermächtnis von Weisheit und Mitgefühl zu hinterlassen, das wir durch unseren Lebensstil verkörpern, durch unsere Institutionen, und in Anerkennung unserer Verbundenheit, zu Hause und auf der ganzen Welt. Warum sollten wir es nicht riskieren, uns für geistige und seelische Gesundheit in unserem eigenen Leben und in der Welt einzusetzen, in der das Innen und das Außen sich gegenseitig und unser Genie als Spezies widerspiegeln?
Dabei kommt es auf die kreativen Bemühungen und Handlungen eines jeden von uns an, und es steht nicht weniger auf dem Spiel als die Gesundheit unseres Planeten. Man könnte sagen, dass die Welt – buchstäblich und metaphorisch – für uns als Spezies stirbt, damit wir zur Besinnung kommen. Darum ist es jetzt an der Zeit, dass wir ganz zu unserer Schönheit erwachen, dass wir das Werk unserer Selbstheilung, der Heilung unserer Gesellschaften und der Erde angehen, es vorantreiben und dabei auf alles Wertvolle aufbauen, was bereits da ist und jetzt zur Blüte kommt. Keine Absicht ist zu klein und keine Bemühung zu unbedeutend. Jeder Schritt auf diesem Weg macht einen Unterschied. Und wie Sie sehen