Meditation ist nicht, was Sie denken. Jon Kabat-Zinn

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Meditation ist nicht, was Sie denken - Jon Kabat-Zinn

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was für unser Wohlergehen, für unsere geistige Gesundheit und sogar für unser Überleben wirklich wichtig, überaus wichtig, ja geradezu lebenswichtig ist. Dieses Eingenommensein von der Zukunft und der Vergangenheit ist uns dermaßen zur Gewohnheit geworden, dass wir meistens über keinerlei Gewahrsein des gegenwärtigen Moments verfügen. Die Folge davon ist, dass wir wenig oder überhaupt keine Kontrolle über die Höhen und Tiefen in unserem Leben und in unserem Geist zu besitzen meinen.

      Viele Jahre lang bot unser Institut, das Zentrum für Achtsamkeit in Medizin, Gesundheitswesen und Gesellschaft (Center for Mindfulness in Medicine, Health Care, and Society [CFM]), eine Broschüre für Führungskräfte in der Wirtschaft an, in der die Achtsamkeitskurse und Schulungsprogramme beschrieben wurden. Darin hieß es zu Beginn: „Meditation ist nichts für Feiglinge, nichts für Menschen, die aus Gewohnheit die leise Stimme der Sehnsucht ihres Herzens ignorieren.“ Dieser Satz stand dort natürlich mit voller Absicht; er sollte all jene von der Teilnahme abschrecken, die noch nicht bereit sind für das Zeitlose, die es nicht verstehen würden oder die noch nicht genügend Raum in ihrem Herzen und ihrem Verstand schaffen könnten, um einer solchen Erfahrung oder einem derartigen Gedanken überhaupt eine Chance zu geben. Wären solche Menschen zu einem unserer fünftägigen Programme gekommen, dann hätten sie wahrscheinlich die ganze Zeit gegen ihren eigenen Geist angekämpft und die Meditationspraxis als unsinnig, als reine Folter, als extrem langweilig oder einfach als Zeitverschwendung erlebt. Höchstwahrscheinlich wären sie so sehr mit ihrem Widerstand und ihren Einwänden beschäftigt gewesen, dass sie niemals in den kostbaren und dabei so kurzen Momenten angekommen wären, die wir erleben können, wenn wir auf diese Weise unsere tatsächliche Erfahrung von Moment zu Moment erkunden.

      Von den Menschen, die dann tatsächlich zu den Retreats auftauchten, konnten wir hingegen annehmen, dass sie entweder wegen oder trotz dieses Satzes gekommen waren. So oder so wäre bei ihnen – so war unsere strategische Überlegung – eine implizite, wenn nicht gar unerschrockene Bereitschaft vorhanden, die innere Landschaft des Geistes und des Körpers zu erkunden, jenen Bereich, den die alten chinesischen Daoisten und Chan-Meister „Nichttun“ genannt haben. Dies ist die Domäne der wahren Meditation, in der es so aussieht, als würde hier nichts oder nicht viel passieren oder getan werden, in der jedoch gleichzeitig nichts Wichtiges ungetan bleibt, sodass sich als Konsequenz auf bemerkenswerte Weise jene geheimnisvolle Energie eines offenen, wachen Nichttuns in der Welt des Tuns manifestieren kann.

      Wir schwimmen Tag für Tag im Strom des Lebens, und wie es halt so ist, hören wir dabei die meiste Zeit nicht auf die geflüsterte Sehnsucht unseres eigenen Herzens, insbesondere da unsere Aufmerksamkeit in so viele verschiedene Richtungen gezogen wird und wir zunehmend abgelenkt sind. Und ich will auch keineswegs behaupten, dass Meditation immer leicht oder angenehm ist. Sie ist einfach, aber durchaus nicht immer leicht. So wird es nicht leicht sein, in einem geschäftigen Leben regelmäßig auch nur eine kurze Zeitspanne für eine formelle Meditationsübung aufzubringen, ganz zu schweigen davon, sich daran zu erinnern, dass Achtsamkeit, wie man sagen könnte, auf „informelle“ Weise in jedem der sich entfaltenden Augenblicke unseres Lebens zugänglich ist. Doch manchmal können wir das, was unser Herz uns zuflüstert, nicht länger ignorieren. Und manchmal fühlen wir uns durch die lebenslange Sehnsucht unseres Herzens, sich selbst zu begegnen, irgendwie und auf geheimnisvolle Weise dazu hingezogen, uns an Orte zu begeben, die wir normalerweise nicht aufsuchen würden. Vielleicht zieht es uns in eine Gegend, in der wir als Kind eine Zeitlang gelebt haben, in die Wildnis, zu einem Meditationsretreat, zu einem Buch, einem Kurs oder einem Gespräch – kurz: zu allem, was es dieser lange ignorierten Seite in uns selbst ermöglichen könnte, sich dem Sonnenlicht zu öffnen, sodass wir sie sehen, hören, fühlen, erkennen und uns zu eigen machen können, ganz gemäß der lebenslangen Sehnsucht unseres Herzens, sich selbst zu begegnen.

      Das Abenteuer, welches das Universum der Achtsamkeit für uns bereithält, kann uns den Zugang zu den Dimensionen unseres Seins eröffnen, die wir vielleicht allzu lange nicht beachtet oder verleugnet haben. Wie wir sehen werden, hat Achtsamkeit das große und vielschichtige Potenzial, sich auf die Entfaltung unseres Lebens auszuwirken. Genauso kann sie in die größere Welt hineinwirken, in die wir so übergangslos eingebettet sind – in unsere Familien, unsere Arbeit, die gesamte Gesellschaft, unser Selbstverständnis als ein Volk, also als das, was ich den „politischen Körper“ nenne, und den Körper der Welt, also alle Bewohner des Planeten Erde als Gemeinschaft. Und all das kann deshalb durch Ihre eigene Achtsamkeitspraxis geschehen, eben weil Sie so eingebettet sind und weil es diese wechselseitigen Beziehungen zwischen dem Inneren und dem Äußeren, zwischen dem Dasein und dem Tun gibt.

      Es steht außer Frage, dass wir in das Gewebe des Lebens selbst eingebettet sind, ebenso wie in das Gewebe dessen, was wir „Geist“ nennen könnten, eine unsichtbare und nicht greifbare Essenz, die es unserem Empfinden, unserem Bewusstsein und dem Gewahrsein ermöglicht, Unwissenheit in Weisheit und Zwietracht in Versöhnung und Harmonie zu verwandeln. Das Gewahrsein bietet uns einen sicheren Hafen, in dem wir uns ausruhen und erholen können – in einer vitalen und dynamischen Harmonie, Gelassenheit, Kreativität und Freude, und zwar jetzt und nicht erst in einer fernen und lediglich erhofften Zukunft, in der die Umstände „besser“ geworden sind, in der wir alles unter Kontrolle haben oder zu „besseren Menschen“ geworden sind. So seltsam es sich anhören mag: Unsere Fähigkeit zur Achtsamkeit erlaubt es uns, das zu schmecken und zu verkörpern, was wir uns am tiefsten ersehnen, das, was uns so häufig entgleitet und erstaunlicherweise doch immer so nah ist – mehr geistige Stabilität, mehr Gemütsruhe und alles andere, was damit einhergeht, und zwar in jedem Augenblick unseres Lebens.

      Im Mikrokosmos ist Frieden nicht ferner als ebendieser Augenblick. Im Makrokosmos ist Frieden etwas, was im kollektiven Sinne fast jeder von uns auf die eine oder andere Weise anstrebt, insbesondere dann, wenn dieser Frieden mit Gerechtigkeit, der Anerkennung der unserer Ganzheit innewohnenden Diversität, der Menschlichkeit und der Rechte eines jeden Einzelnen einhergeht. Frieden ist etwas, was wir hervorbringen können, wenn wir tatsächlich lernen, als Individuen ein wenig mehr aufzuwachen und noch sehr viel mehr als Spezies; wenn wir lernen können, voll und ganz das zu sein, was wir wirklich sind, und unser angeborenes menschliches Potenzial zu verwirklichen. Wie ein Sprichwort sagt: „Es gibt keinen Weg zum Frieden – Frieden ist der Weg.“ Das gilt für die äußere Landschaft der Welt und auch für die innere Landschaft des Herzens. Denn diese beiden sind, in einem tieferen Sinne, eigentlich eines.

      Achtsamkeit, die wir uns als ein offenes, nichturteilendes Gewahrsein von Augenblick zu Augenblick vorstellen können, wird am besten durch Meditation kultiviert und nicht, indem wir lediglich über sie nachdenken und philosophieren. Und weil sie im Rahmen der buddhistischen Tradition, in der Achtsamkeit oft als das „Herz der buddhistischen Meditation“ beschrieben wird, am ausführlichsten und vollständigsten artikuliert wurde, habe ich mich entschlossen, im Verlauf dieses Buches hier und dort etwas über den Buddhismus und seine Beziehung zur Achtsamkeitspraxis zu sagen. Das geschieht, damit wir aus dem, was diese außerordentliche Tradition auf der Grundlage ihrer inzwischen 2600 Jahre andauernden Inkubation in verschiedenen Kulturen an diesem Punkt in der Geschichte der Welt anzubieten hat, mehr Verständnis gewinnen und Nutzen ziehen können.

      So wie ich es sehe, geht es dabei gar nicht um den Buddhismus als solchen. Man kann sich den Buddha auch wie ein Genie unseres Zeitalters vorstellen, wie einen großen Wissenschaftler, eine mindestens ebenso überragende Gestalt wie Darwin oder Einstein, der, wie es der buddhistische Gelehrte Alan Wallace gern sagt, kein anderes Instrument zur Verfügung hatte als seinen eigenen Geist, um das Wesen von Geburt und Tod und des anscheinend unvermeidlichen Leidens bis in die Tiefe zu erforschen. Um diesen Fragen nachgehen zu können, musste er das Instrument – also seinen eigenen Geist – zunächst verstehen, entwickeln und verfeinern, er musste lernen, es zu eichen und zu stabilisieren. Genau das ist es, was auch Wissenschaftler mit den Instrumenten tun müssen, die sie zur Erweiterung ihrer Sinnesorgane benutzen, zum Beispiel gigantische Teleskope, Radio- oder Elektronenmikroskope, Scanner zur funktionellen Magnetresonanz- (fMRT) oder zur Positronen-Emissions-Tomografie (PET), um damit die Natur des Universums und des riesigen Spektrums der wechselseitig verbundenen Phänomene zu erforschen, die sich darin

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